Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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in der schleswigschen Frage habe die Regierung, was sie erreicht, nur der Richtung des öffentlichen Geistes und der Zustimmung des Landtages für die Loslösung der Herzogtümer zu danken‘. Ich konstatiere, daß Sie uns damit die Tendenz, die Herzogtümer loszulösen, zuerkennen; von Ihrer Zustimmung zu etwas, was die Regierung gethan hätte, ist mir nichts erinnerlich. Haben Sie mit der Verweigerung der Anleihe, die wir damals von Ihnen verlangten, Düppel erobert und Alsen? Dann, meine Herren, habe ich auch die Hoffnung, daß aus Ihrer Verweigerung der jetzigen Anleihe auch eine preußische Flotte hervorgehen werde …

      „Das, was früher Ihr Ideal war, ist jetzt für die preußische Regierung das Minimum des Erreichbaren. Wir können das, was Sie vor 1 ½ Jahren als Höchstes erstrebten, in jeder Viertelstunde ins Werk setzen: einen unabhängigen schleswig-holsteinschen Staat, sogar mit einigen mäßigen, uns aber nicht genügenden Vorteilen für Preußen – es bedarf nur einer in einer Viertelstunde aufzusetzenden Erklärung der königlichen Regierung, und der Staat wäre geschaffen.“ …

      Nach einer Darlegung der Verfassungsänderungen, welche erforderlich sein würden, um die Ansprüche des Hauses zu befriedigen, sagte der Minister:

      „Sie versuchen, diese Aenderungen dadurch zu erzwingen, daß Sie zu Zwecken, deren Nützlichkeit Sie an und für sich nicht bestreiten können, Ihre Mitwirkung versagen, die Staatsmaschine, so viel an Ihnen liegt, zum Stillstand bringen, ja in Sachen der auswärtigen Politik – ich kann nicht umhin, es zu sagen – das Gemeinwesen schädigen, soweit Sie es innerhalb Ihrer Befugnisse vermögen, durch Verweigerung Ihrer Mitwirkung.

      „Das alles, um eine Pression auf die Krone auszuüben, daß sie ihre Minister entlasse, daß sie Ihre Auffassung des Budgetrechts annehme. Meine Herren, Sie kommen dadurch genau in die Lage der falschen Mutter im Urteil Salomonis, die lieber will, daß das Kind zu Grunde gehe, als daß damit anders als nach ihrem Willen geschehe …

      „Ich kann nicht leugnen, daß es mir einen peinlichen Eindruck macht, wenn ich sehe, daß angesichts einer großen nationalen Frage, die seit zwanzig Jahren die öffentliche Meinung beschäftigt hat, diejenige Versammlung, die in Europa für die Konzentration der Intelligenz und des Patriotismus in Preußen gilt, zu keiner anderen Haltung als zu der einer impotenten Negation sich erheben kann.

      „Es ist dies, meine Herren, nicht die Waffe, mit der Sie dem Königtum das Scepter aus der Hand winden werden. Es ist auch nicht das Mittel, durch das es Ihnen gelingen wird, unseren konstitutionellen Einrichtungen diejenige Festigkeit und weitere Ausbildung zu geben, deren sie bedürfen.“

      Am folgenden Tage sagte Virchow als Berichterstatter, daß, wenn es dem Ministerpräsidenten gelungen sei, durch eine große Krisis hindurch, trotz mancher Sprünge seiner Politik ein gewiß großes und anerkennenswertes Resultat zu erreichen, dies nicht als sein Verdienst anzuerkennen, sondern für einen Zufall zu halten sei …

      Man habe nicht bloß allgemeines Mißtrauen gegen dieses budgetlose Ministerium, sondern man halte diese Personen nach ihren Leistungen nicht für berechtigt, Vertrauen in Anspruch zu nehmen.

      Hierauf erwiderte Bismarck u. a. Folgendes:

      „Ich bin der Anerkennung in sehr geringem Maße bedürftig und gegen Kritik ziemlich unempfindlich. Nehmen Sie immerhin an, daß alles, was geschehen ist, rein zufällig geschah, daß die preußische Regierung daran vollständig unschuldig ist, daß wir der Spielball fremder Intrigen und äußerer Einflüsse gewesen sind, deren Wellenschlag uns zu unserer eigenen Ueberraschung an der Küste von Kiel ans Land geworfen hat. Nehmen Sie das immerhin an, mir genügt es, daß wir da sind.“

      An diese Verhandlung knüpfte sich eine Duellforderung, welche damals Sensation erregte und noch kürzlich in ungenauer Weise öffentlich besprochen worden ist.

      Virchow hatte mit Bezug auf die oben mitgeteilte Aeußerung Bismarcks, daß in dem Kommissionsberichte eine indirekte Apologie Hannibal Fischers zu finden sei, geäußert, wenn der Ministerpräsident den Bericht wirklich gelesen, so wisse er, Virchow, nicht, „was er von der Wahrhaftigkeit desselben denken solle“.

      Mit Bezug hierauf sagte Bismarck:

      „Der Herr Referent hat lange genug in der Welt gelebt, um zu wissen, daß er sich damit der technischen und spezialen Wendung gegen mich bedient hat, vermöge deren man einen Streit auf das rein persönliche Gebiet zu werfen pflegt, um denjenigen, gegen den man den Zweifel an seiner Wahrheitsliebe gerichtet hat, zu zwingen, daß er sich persönlich Genugthuung fordert. Ich frage Sie, meine Herren, wohin soll man mit diesem Tone kommen? Wollen Sie den politischen Streit zwischen uns auf dem Wege der Horatier und Kuratier erledigen?

      „Es ließe sich davon reden, wenn es Ihnen erwünscht ist.

      „Wenn das aber nicht, meine Herren, was bleibt mir dann anderes übrig, als gegen einen solchen starken Ausdruck meinerseits einen noch stärkeren wieder zu gebrauchen? Es ist dies, da wir Sie nicht verklagen können, der einzige Weg, auf dem wir uns Genugthuung verschaffen können, ich wünschte aber nicht, daß Sie uns in die Notwendigkeit versetzen, ihn zu betreten. Und wie weist der Herr Berichterstatter mir den Mangel an Wahrheit nach? Wenn ich mich noch der langen Rede recht erinnere, so warf er mir als nicht übereinstimmend mit dem Berichte diejenige meiner Aeußerungen vor, durch die ich die liberale Partei beschuldigte, ihre Sympathien für die Flotte hätten sich vermindert. Um zu beweisen, daß dies unrichtig war, liest er mir all die schönen Worte vor, die die Kommission in dem Berichte für die Flotte gemacht hat, während doch der Schluß lautet, Geld geben wir nicht. Ja, meine Herren, wenn Worte Geld wären, dann hätten wir der Freigebigkeit, mit der Sie die Regierung behandeln, nur unsere dankbare Bewunderung zu zollen.“

      Diese Verhandlung fand am 2. Juni statt. Am 3. früh ließ der Minister durch einen Vetter seiner Gemahlin, Hauptmann von Puttkamer, Herrn Virchow auffordern, jene Beleidigung zurückzunehmen oder durch einen Zweikampf Genugthuung zu geben. Virchow mußte gerade an den Rhein verreisen und gab keine bestimmte Erklärung. An demselben Tage erzählte Bismarck auf Befragen eines Diplomaten, daß er Virchow gefordert habe. Am 6. erschien eine bezügliche Nachricht in der Kölnischen Zeitung; ob dieselbe von einem Freunde des Herrn Virchow oder aus diplomatischer Quelle kam, ist nicht festgestellt worden. Von da ab wurde jede Bewegung der Beteiligten polizeilich beobachtet. Zwischen dem Abgeordneten von Hennig und mir fand am 6. eine Verhandlung statt, welche ergebnislos blieb, weil Hennig an der für mich unannehmbaren Ansicht festhielt, der eigentlich Beleidigende sei der Ministerpräsident gewesen durch die Nebeneinanderstellung Virchows und Hannibal Fischers. Im Abgeordnetenhause erklärte am 8. Forckenbeck, Virchow würde seine Pflicht gegen das Land verletzen, wenn er wegen einer von ihm als Abgeordneten gethanen Aeußerung eine Duellforderung annehme. Der Präsident Grabow stimmte ihm lebhaft zu; ebenso die Abgeordneten Twesten, Waldeck und Gneist. Man betonte auch, daß die angeblich beleidigende Aeußerung Birchows vom Präsidenten nicht gerügt worden war. Dagegen aber wurde geltend gemacht, wenn jemand sich durch ein im Hause gefallenes Wort in seiner Ehre gekränkt fühle, so sei er allein Richter darüber, was zur Herstellung seiner Ehre geschehen müsse; und weder die Meinung einer Majorität des Hauses noch die des Präsidenten allein könne ihm die als notwendig empfundene Genugthuung gewähren. Dieser von drei Konservativen vertretenen Ansicht traten auch einzelne Mitglieder des linken Centrums bei wie Stavenhagen und Bockum-Dolffs. Es wurde nicht abgestimmt, aber man war darüber einverstanden, daß die Majorität aufseiten des Präsidenten stand, welcher am Schluß nochmals die „dringende Erwartung“ aussprach, daß Virchow – der nicht anwesend war – sich der Meinung des Hauses unterwerfen werde.

      Am 8. abends teilte der Abgeordnete von Hennig schriftlich mit, daß Virchow die Duellforderung ablehnte.

      Wenn dieser Abschluß der Sache mich auch nicht ganz befriedigte, so war ich doch froh über die Beseitigung eines Streitfalles, in dessen Behandlung vonseiten meines Chefs ich seine sonst immer von mir bewunderte überlegene Weisheit vermißt hatte.

      Virchows unziemlicher Angriff schien mir durch die oben mitgeteilte öffentliche Belehrung siegreich abgewiesen, die Duellforderung daher ein anfechtbarer Luxus. Nachdem sie aber einmal erfolgt war, hätte es doch wohl der Geheimhaltung bedurft, um mit Sicherheit dem Gegner die Verantwortung eines etwaigen Bekanntwerdens zuschieben zu können, welches notwendigerweise