Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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in Frankfurt, Herr von Savigny, erhielt einen bezüglichen Auftrag und zugleich die vertrauliche Mitteilung, daß Preußen drei Tage auf den beantragten Bundesbeschluß warten, aber, wenn er verspäte, Selbsthilfe eintreten lassen werde; eine interessante Neuigkeit, die der Gesandte einigen seiner Kollegen nicht vorenthalten zu sollen glaubte. Der beantragte Beschluß kam rechtzeitig zustande, aber nur mit 9 gegen 6 Stimmen.

      Bismarck nahm aus dieser Thatsache Veranlassung, den dissentierenden mittel- und süddeutschen Regierungen eine Verwarnung zugehen zu lassen. In einem zur Mitteilung bestimmten Rundschreiben (vom 13. Dezember) an unsere Gesandten legte er dar, daß die bei dieser Abstimmung hervorgetretene Tendenz, Holstein bis zur Einsetzung eines Herzogs teilweise besetzt zu halten, durch das bestehende Bundesrecht nicht zu begründen sei. Der letzte Bundesbeschluß würde, wenn nur 2 Stimmen der Majorität zur Minorität übergingen, für das Bestehen des Bundes selbst gefährlich gewesen sein; derartige für Preußen unannehmbare Ueberschreitungen der streng begrenzten Kompetenz des Bundes könnten in Zukunft zu dessen Auflösung führen.

      Der in dieser Weise angedrohte Fall sollte am 14. Juni 1866 thatsächlich eintreten.

      Nachdem gegen Oesterreichs Wunsch die Entfernung der Bundestruppen aus Holstein durchgesetzt worden war, nahm Bismarck die Korrespondenz mit Wien über die Zukunft der Herzogtümer wieder auf. Vorher schon hatte Baron Werther dem Grafen Mensdorff gegenüber vertraulich zur Sprache gebracht, daß der Ton seiner letzten Depeschen ein unter befreundeten Mächten ungewöhnlicher gewesen sei. Der Minister erwiderte, Se. Majestät der Kaiser habe schon gelegentlich ein Bedauern darüber ausgesprochen, daß Biegeleben mitunter eine so scharfe Feder führe. Ob er selbst, der Minister, in der Lage gewesen wäre, den scharfen Ton zu mildern, schien ihm nicht in den Sinn zu kommen.

      Genau umgekehrt war die Geschäftsbehandlung in Berlin. Hier beherrschten die überlegene Einsicht und der starke Wille des Chefs Inhalt und Form der ausgehenden amtlichen Schriftstücke bis in alle Einzelheiten. Die Korrespondenz mit unseren Agenten bei den Großmächten hatte Abeken zu bearbeiten. Der Minister eröffnete ihm mündlich für jede Depesche den Gedankengang. Abeken verfügte über eine durch reiche Bildung entwickelte, fast dichterische Produktionsfähigkeit und war ein vielgewandter Sprachkünstler. Zu ebener Erde in einem schmalen Kämmerchen, welches den Durchgang zwischen dem Empfangszimmer des Unterstaatssekretärs und andern Arbeitsräumen bildete, und während lauter Gespräche, welche jeden andern gestört haben würden, zauberte Abeken mit fliegender Feder Entwürfe auf das Papier, welche die vom Minister angegebenen Gedanken in vielseitiger Ausführung darstellten. Nach wenigen halben oder ganzen Stunden trug dann der Kanzleidiener die Mappe mit den fertigen Schriftstücken die Treppe hinauf in das Arbeitszimmer des Ministers. Dieser pflegte abends die im Laufe des Tages vorgelegten Entwürfe so gründlich durchzuarbeiten, daß jede Redewendung den Stempel seines Geistes erhielt. In den an diplomatischen Korrespondenzen überreichen Jahren 1862 bis 1870 wurden fast allen bedeutenderen Schriftstücken Abekens Entwürfe zu Grunde gelegt, die Bismarck besonders gern bearbeitete, weil sie nicht nur seine Gedanken treu widerspiegelten, sondern ihm auch mitunter neue Anregungen brachten.

      Die oben erwähnten drei Wiener Depeschen vom 12. November wurden am 13. Dezember ausführlich beantwortet26. Bismarck erklärte, „nicht zu verstehen“, weshalb Oesterreich von seiner früheren Auffassung, die Mittelstaaten als gemeinsame Gegner zu betrachten, zurückgekommen sei. Die Führer derselben am Bundestage hätten versucht, außerhalb ihrer Befugnisse 1863 in die europäische Politik einzugreifen, die beiden Großmächte zum Bruch des Londoner Vertrages zu drängen, die schwebende Erbfolgefrage ohne einen Schatten von Kompetenz zu lösen und die verfälschte Exekution in Holstein als Okkupation widerrechtlich fortdauern zu lassen. Preußen könne und werde seine Politik nicht von Beschlüssen kleinstaatlicher und von kleinstaatlichen Landtagen abhängiger Regierungen bestimmen lassen und lege Wert darauf, schon jetzt zu erklären, daß etwaigen rechtswidrigen Beschlüssen des Bundes gewaltsamer Widerstand entgegentreten würde. In Bezug auf Schleswig-Holstein wolle man keinen der Prätendenten ausschließen; doch würde Augustenburg uns Oldenburg, Hannover und Rußland entfremden. Jedenfalls sei gründliche Prüfung aller Erbansprüche, auch der jetzt anzumeldenden brandenburgischen, erforderlich. Daß Preußen die Annexion der Herzogtümer nicht ohne die Zustimmung Oesterreichs ausführen könne, werde wiederholt anerkannt. Die Einsetzung eines Herzogs aber könne nur genehmigt werden unter gewissen, im Sicherheitsinteresse Deutschlands notwendigen Bedingungen, mit deren Formulierung zurzeit die Fachminister beschäftigt seien.

      Die österreichische Regierung erklärte sich hierauf unter dem 21. Dezember bereit, die Frage durch Verständigung mit Preußen abzuschließen, betonte aber wiederholt die Zuständigkeit des Deutschen Bundes, darüber zu wachen, daß in den Verein der Souveräne Deutschlands kein unselbständiges Mitglied eingeführt werde27.

      In Wien wünschte man die leidige schleswig-holsteinische Sache möglichst schnell aus der Welt zu schaffen. Wiederholte Mahnungen zu schleuniger Kundgebung unseres Programms lehnte jedoch Bismarck als unberechtigt ab, da Ueberstürzung nur Schaden bringen könne.

      Von der französischen Regierung wurde die wachsende Spannung zwischen den beiden Verbündeten aufmerksam beobachtet. In Paris wie in Berlin fehlte es nicht an vertraulichen Mitteilungen darüber, daß der Kaiser Napoleon unsere Schritte mit besonderem Wohlwollen würdigte. Im Februar 1865 lehnte jedoch Bismarck bestimmt ab, auf die von unserm Botschafter in Frage gestellten Verhandlungen zur Vorbereitung eines französischen Bündnisses einzugehen. Er betonte, es würde auch schon eine vorläufige Besprechung darüber, solange das Bündnis mit Oesterreich vom 16. Januar 1864 bestehe, dem Vorwurfe der Perfidie ausgesetzt sein und überall in Deutschland gemißbilligt werden; auch an sich sei zu empfehlen, in den obwaltenden unsichern Verhältnissen sich nach keiner Seite hin zu binden.

      In diesen Tagen (am 20. Februar) äußerte er bei Tische in meiner Gegenwart: „Wenn es einmal Sturm gibt, wird sich zeigen, daß wir auf hohen Wellen besser schwimmen können als andere Leute.“

      Inzwischen hatten die Fachminister die Bedingungen formuliert, unter welchen unsererseits die Einsetzung eines Herzogs in Schleswig-Holstein zugegeben werden könnte. Man ging davon aus, daß unsere militärische Lage nach dem dänischen Kriege nicht schlechter werden dürfe, als sie vorher gewesen war. Während früher ein Angriff des befreundeten Dänemark auf Deutschlands Nordwestgrenze ausgeschlossen schien, mußte jetzt als wahrscheinlich gelten, daß in der nächsten europäischen Krise das Königreich versuchen würde, die Herzogtümer zurückzuerobern, und daß diese aus eigener Kraft so wenig wie 1850 erfolgreichen Widerstand leisten könnten. Vor allem schien daher notwendig: Verschmelzung der Wehrkraft des Landes mit der preußischen Land- und Seemacht. Die Forderungen der Aushebung der Rekruten durch preußische Beamte und der Leistung des Fahneneides für unsern König gehörten nach meinem Eindruck zu den Formen, die man im Laufe der Verhandlungen wahrscheinlich fallen gelassen hätte; in der Sache aber nachzugeben, war durch die Sorge für Verteidigung der Nordwestgrenze ausgeschlossen. Außerdem wurden verlangt: der Kieler Hafen, die Festungen Rendsburg und Sonderburg-Düppel, Befugnis zum Bau eines Nord-Ostsee-Kanals, Anschluß an das preußische Zollsystem, Verfügung über Post und Telegraphie.

      Diese am 22. Februar 1865 nach Wien mitgeteilten, unter dem Namen der „Februarbedingungen“ bald bekannt gewordenen Forderungen bezeichnete Bismarck als „Konzessionen“ gegenüber dem natürlichen Verlangen der Einverleibung des Landes, welches bei uns in immer weiteren Kreisen laut geworden sei.

      In Wien aber erklärte man, daß die geforderte Abtretung der Militärhoheit eine geeignete Grundlage zur Verständigung nicht darbiete und daher diese Phase der Verhandlungen für abgeschlossen gehalten werde. Die Antwort erfolgte mündlich schon am 27. Februar; an demselben Tage erging an Moltke die Aufforderung zu genauen Angaben darüber, welche Truppenmacht Oesterreich uns in Böhmen gegenüberzustellen vermöchte.

      Inzwischen hatte der bayerische Ministerpräsident Freiherr von der Pfordten einen Antrag für den Bundestag in Wien zur Prüfung vorgelegt, wonach der Bund die „vertrauungsvolle Erwartung“ aussprechen sollte, die beiden Großmächte würden „nunmehr“ den Erbprinzen von Augustenburg als Herzog einsetzen. Graf Mensdorff machte von dieser seit dem Januar schwebenden Angelegenheit die erste Mitteilung nach Berlin am 19. März mit dem Hinzufügen, er wünsche, daß