Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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Blome, ein geborener Holsteiner, war wie fast alle holsteinischen Edelleute ein Gegner Angustenburgs und der mittelstaatlichen Politik. Er wurde als der verheißene Vertrauensmann nach Gastein geschickt. Nach längeren, durch eine Reise nach Wien unterbrochenen und vor Biegeleben sorgfältig geheim gehaltenen Verhandlungen kam am 14. August der vielgeschmähte Gasteiner Vertrag zustande. „Unbeschadet der Fortdauer der durch den Artikel III des Wiener Friedenstraktats vom 30. Oktober 1864 gemeinsam erworbenen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogtümer“, sollte die Ausübung derselben in Schleswig Preußen, in Holstein Oesterreich zustehen, in Rendsburg alternierende Besatzung stattfinden, der Kieler Hafen an Preußen allein überlassen, die Anlegung eines Nord-Ostsee-Kanals durch Holstein gestattet und endlich das Herzogtum Lauenburg dem Könige von Preußen für 2 Millionen dänischer Thaler verkauft werden.

      Bismarck hatte sich zu diesen Abmachungen nicht gerade gern entschlossen, wenn es ihm auch gelungen war, den Entwurf Blomes im Einzelnen günstiger für uns zu gestalten. Aber eine für den Kriegsfall erwartete Hilfe blieb aus und eine unerwartete Gefahr zeigte sich. Früher hatte Nigra, damals italienischer Gesandter in Paris, mehrfach ausgesprochen, ein preußisch-österreichischer Krieg würde unfehlbar von einem italienischen Angriff auf Venetien begleitet werden; dieselbe Ansicht hatte auch Usedom vertreten, jetzt aber wollte der mißtrauische Ministerpräsident La Marmora keinerlei Zusage geben. Und in Paris hatte Goltz trotz mancher früheren Sympathieäußerungen eine Zusicherung eventueller Neutralität nicht zu erlangen vermocht; man mußte daher auf eine französische Intervention gefaßt sein. Diese in Gastein ankommenden Nachrichten trugen dazu bei, daß Bismarck sich entschloß, dem Könige die Annahme des Vertrages anzuraten, welcher, wie der Minister sich ausdrückte, „die Risse im Bau noch einmal verkleben“ konnte und jedenfalls den Vorteil darbot, daß Oesterreich sich darin wieder auf die Grundlage des Wiener Friedens stellte. Die wiederholte Betonung der erworbenen Souveränitätsrechte beider Verbündeten schloß Anerkennung von Ansprüchen anderer Prätendenten aus und bedeutete demnach Aufgeben der im letzten Jahre in Gemeinschaft mit den Mittelstaaten befolgten Politik.

      Erwünscht schien auch, daß der Verkauf des Anrechtes an Lauenburg hoffen ließ, Oesterreich würde in Zukunft dem Verkaufe seiner Rechte an Holstein sich weniger abgeneigt zeigen als bisher.

      Zufällig kam am Tage der Unterzeichnung des Vertrages Beust nach Gastein, der leidenschaftlichste Führer mittelstaatlicher Politik. Am 17. August diktierte Bismarck in übermütiger Laune für das Auswärtige Amt folgende Mitteilung, welche einer zum Eingehen auf diesen Scherz bereiten Zeitung zugehen sollte:

      „Herr von Beust ist am 14. August in Gastein angekommen, kurz vor der auf den 15. angesetzten Abreise des Grafen Blome. Dem Vernehmen nach war es wesentlich der versöhnlichen Einwirkung des sächsischen Ministers zu danken, daß die bereits gescheiterten Verhandlungen zwischen Bismarck und Blome in der letzten Stunde wieder ausgenommen und befriedigend abgeschlossen wurden. Man hat in Preußen Herrn von Beust doch wohl unterschätzt und für zu leidenschaftlich und einseitig angustenburgisch gehalten; bei dieser Gelegenheit hat er sich als ein weitblickender, vorurteilsfreier Politiker bewährt.“

      Beim Bekanntwerden des Gasteiner Vertrages wurde fast überall, in Deutschland wie in Oesterreich, die Meinung laut, daß Preußen gesiegt und Oesterreich durch den augenscheinlichen Abfall von den Mittelstaaten wie auch durch den Verkauf von Lauenburg Demütigungen erlitten habe. Bayern und Sachsen hatten aus Rücksicht für Oesterreich gezögert, dem Zollvereinsvertrage mit Italien beizutreten und das junge Königreich anzuerkennen; beide Staaten aber trafen nun sofort die hierzu erforderlichen Einleitungen. Der Gasteiner Vertrag bewirkte, daß Italien vor dem Jahresschluß von allen deutschen Staaten anerkannt wurde mit Ausnahme von zweien, denen nur noch eine kurze Lebensdauer bestimmt war, nämlich Hannover und Nassau.

      Als am 18. August Bismarck mit Abeken und mir im offenen Wagen auf dem Wege nach Salzburg durch das grüne Thal von Hofgastein fuhr, sagte er: „Wenn ich es noch erlebe, daß in Kiel ein preußischer Oberpräsident sitzt, will ich mich auch nie mehr über den Dienst ärgern.“

      Ich sprach die Hoffnung aus, später einmal an diese Worte erinnern zu dürfen.

      Nach einiger Zeit sagte er: „Faust klagt über die zwei Seelen in seiner Brust; ich beherberge aber eine ganze Menge, die sich zanken. Es geht da zu wie in einer Republik …

      „Das meiste, was sie sagen, teile ich mit. Es sind da aber auch ganze Provinzen, in die ich nie einen andern Menschen werde hineinsehen lassen.“ …

      In Salzburg begegneten sich die Monarchen. Dort wurde bestimmt, daß der dem Kaiser besonders sympathische General Manteuffel in Schleswig und der vom Könige hochgeschätzte General Gablenz in Holstein die Verwaltung leiten sollten.

      Am 21. fuhr der König, von Bismarck gefolgt, nach Ischl, um der Kaiserin einen Besuch abzustatten; Abeken und ich blieben in Salzburg.

      Dann reiste Bismarck mit mir über München, wo er mit Pfordten, und Stuttgart, wo er mit Varnbüler konferierte, nach Homburg. Dort hielt sich Frau von Bismarck einer Kur wegen auf, begleitet von ihrer Tochter und Gräfin Fanny Keyserling31. Nach kurzem Verweilen trafen wir dann in Baden wieder mit Abeken zusammen, der inzwischen eine kleine Erholungsreise gemacht hatte.

      Wie im Jahre vorher war unser Quartier in dem auch von dem Gesandten Grafen Flemming bewohnten Landhause. Dort gaben wir nach Anweisung des Ministers einem französischen Schriftsteller das Material zu einer Broschüre über die Gasteiner Konvention, welche dann bei Dentu in Paris erschien. Die französischen Zeitungen hatten die Gasteiner Abmachungen für eine Definitive gehalten und giftige Angriffe dagegen gerichtet; eine Aufklärung der öffentlichen Meinung in Frankreich schien dem Minister erwünscht.

      Graf Goltz hatte zwar amtlich erklärt, der ganze Lärm sei gegenstandslos, da es sich nur um ein vielleicht kurzes Provisorium handele; der Minister Drouyn de Lhuys that aber nichts, um die Schreier zu beruhigen. Im Gegenteil richtete er (am 29. August) an die französischen Agenten im Auslande ein Cirkular, welches unsere Politik in unhöflichster Form verdammte. Dasselbe kam erst später, als wir schon wieder in Berlin waren, durch die belgische Presse zu unserer Kenntnis.

      In Baden hatte Bismarck eines Abends große Freude an Joachims Geige, welche in Flemmings Wohnzimmer ein treffliches Streichquartett anführte.

      24Am Tage der Abreise des Königs (25. August) gab Graf Rechberg dem Kollegen ein diplomatisches Diner, nach welchem der französische Botschafter Herzog von Gramont (Mémor: l’Allemagne nouvelle. Paris. Dentu. 1879, p. 148) von Bismarck folgende Worte über die Zukunft der österreichischen Monarchie gehört haben will: „Ce qui est allemand retournera tôt ou tard à l’Allemagne, c’est inévitable. Il n’est pas plus difficile de gouverner Vienne de Berlin que de gouverner Pesth de Vienne. Ce serait même beaucoup plus facile.“ Diese Aeußerungen find mehrfach reproduziert worden (s. z. B. Kohl, Regesten I, S. 238). Friedjung bezeichnet (I, S. 97) die ganze bezügliche Mitteilung als „mit Vorsicht hinzunehmen“. Ich war nicht Zeuge jener Unterhaltung und kann daher nicht kategorisch dementieren, halte mich aber für verpflichtet, die Ueberzeugung auszusprechen, daß Bismarck jene Aeußerungen nicht gethan haben kann. Denn in den neun Jahren seines täglichen Verkehrs mit mir habe ich oft genug von ihm gerade die entgegengesetzten Ansichten aussprechen hören, nämlich: die Deutsch-Oesterreicher würden niemals mit uns in einem Staatswesen verbunden werden können; schon allein die Existenz der Stadt Wien mache das unmöglich. Dieselbe Ueberzeugung ist auch in den „Gedanken und Erinnerungen“ ausgesprochen (Bd. II, S. 45). Ich darf übrigens daran erinnern, was den Zeitgenossen bekannt war, daß Bismarck, auch nach gelegentlichem Genuß schwerer Weine, sich immer bewußt geblieben ist, zu wem, wo und was er sprach. Nun hat er oft gesagt: Was einer im diplomatischen Corps weiß, pflegen bald alle zu erfahren und dann kommt es an den auswärtigen Minister. Demnach halte ich für undenkbar, daß er im Hause des freundlichen Gastgebers zu einem Mitgliede des diplomatischen Corps Aeußerungen gethan haben könnte, deren Wiederholung den von ihm als unersetzlich betrachteten politischen Freund tödlich hätte verletzen müssen.

      25Hermann Wagener, Erlebtes. Berlin, R. Pohl, 1884, II. Abteilung, S. 6. Der Verfasser ist der auch als ein Führer der Konservativen im Abgeordnetenhause bekannt gewordene erste Redakteur der Kreuzzeitung; von 1866