Ghost wich dem ersten, blitzschnellen Sprung aus und biss dem größeren Wolf in die Schulter, bevor dieser reagieren konnte. Der Kampf zog sich lange und grausam hin. Attacke um Attacke, Ghost wich zurück, griff wieder an, sprang und biss mit urwüchsiger Rage.
Hunter sah fasziniert zu, während sie sich im Kampf sechs Stunden lang maßen. Keiner gab auf, keiner landete einen tödlichen Biss, bis Ghost den Alpha im Nacken erwischte und eine blutende Wunde hinterließ. Der graue Wolf ging zu Boden. Aber es gab keine Gnade. Nicht mehr.
Ghost näherte sich zuerst langsam und biss dann wieder zu, so schnell, dass man der Bewegung kaum folgen konnte. Blut spritzte und der Alpha lag still, tödlich verwundet. Ghost hielt nur einen Moment vor dem Kadaver inne, bis er erschöpft zu dem Hirsch ging und zu fressen begann.
Die anderen Wölfe ließen ihn fressen, bis er fertig war. Dann, als er sich umdrehte und ging, kam der Rest von ihnen, um zu vertilgen, was übrig war.
Hunter vergaß weder diesen Vorfall noch die erstaunliche, ungezügelte Wildheit, die Ghost an den Tag gelegt hatte. Es war eine Zurschaustellung reinster, animalischer Raserei, beeindruckend in seiner Kraft und Grausamkeit.
Auch Hunter hatte Hunger, aber er unterbrach Ghost nicht, während dieser allein fraß. Hinterher feuerte er einen Schuss in die Luft, um das Rudel zu vertreiben. Dann näherte er sich vorsichtig dem Hirsch unter dem unbeeindruckten Blick von Ghost und schnitt mehrere große Fleischstreifen von den Hinterbeinen ab.
Eines aß er roh und kochte ein weiteres. Aus anderen Stücken machte er Trockenfleisch für den langen Rückweg. Und indem er eines der großen Beine abschnitt, die Haut an Oberschenkel abzog und um den Huf band, fertigte er einen praktischen Rucksack aus rohem Fleisch – genug, um den Wolf zu füttern, bis sie zurück bei der Wildhüterbasis waren.
Der Wald, und alles, was darin war, würde den Rest des Hirsches vertilgen; nichts wurde verschwendet.
Hunter hatte oft an den Vorfall zurückgedacht und sich gefragt, welch wilder Stolz Ghost dazu gedrängt hatte, den Kampf herauszufordern. Aber vom allerersten Tag an war klar gewesen, dass er eher sterben als aufgeben würde.
Hunter lächelte, als er die Hand ausstreckte, um noch einmal Ghosts Mähne zu kraulen, aber er merkte, dass der Wolf etwas fixierte, als würde er eine sich langsam nähernde Bedrohung wahrnehmen. Mit erwachter Aufmerksamkeit drehte Hunter den Kopf, um einen Blick in den Frachtraum zu werfen. Aber er sah nichts.
Nichts als Dunkelheit.
Er stand halb nackt in den Schatten und war erstaunt, dass er sich nicht an seinen eigenen Namen erinnern konnte.
Das bereitete ihm ein wenig Sorgen. Er hob langsam die Hände vors Gesicht und runzelte die Stirn, denn sie sahen anders aus als vorher. Breiter, dicker und mit einem Rest der Klauen bestückt. Die Transformationen dauerten länger und es brauchte auch längere Zeit, bis der Effekt nachließ, glaubte er. Aber das war zu erwarten gewesen. Bald, so nahm er an, würden sie gar nicht mehr verschwinden. Das war für ihn in Ordnung; er bevorzugte mittlerweile diesen überlegenen Zustand des Daseins – die unvergleichliche Macht, die er allein genoss.
Nein, er würde niemals mehr einer von ihnen sein – die Schwachen, die Kümmerlichen, die Opfer. Er würde für immer auf einer höheren Daseinsebene existieren – eine physische Herrlichkeit, die auf Erden zehntausend Jahre nicht existiert hatte und die allein er besaß.
Auch wenn er sich nicht an seinen Namen erinnerte, konnte er sich seltsamerweise an so viel anderes erinnern. Um sich selbst zu testen, versuchte er, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was er über die fremde DNA wusste, die er in seinen Körper injiziert hatte.
Elektrophorese, erinnerte er sich deutlich, hatte die rekombinante DNA als 99 Prozent Homo sapiens identifiziert. Aber es war das eine Prozent, das ihr Interesse geweckt hatte und die erste Stufe des Experiments in Gang brachte.
Eine aggressive Immunität gegen jede Krankheit, die man testete, war in dieser DNA festgestellt worden. Sie enthielt die Bausteine des Lebens. Sie war wie eine Batterie, die man endlos wiederaufladen konnte. Ja, es war nicht nur Leben, sondern ewiges Leben, das darin verborgen lag.
Denn der Tod, das wusste er, war schlicht das Altern der Zellen – eine fortschreitende Mutation des Körpers, so lange, bis die Zellen sich einfach nicht mehr reproduzieren konnten. Aber diese Kreatur, Homo scimitar, litt nicht unter dem Fluch des modernen Menschen. Auch wenn die DNA darauf hindeutete, dass es letztlich Grenzen der Rekombination gab, war sie weit erhaben über diejenige des modernen Homo sapiens. Ja, dieser Herr des Nordens hatte eine Lebensspanne von Hunderten Jahren gehabt. Er realisierte, dass auch tausend Jahre im Bereich des Möglichen lagen.
Auch wenn die wahre biochemische Essenz seiner phänomenalen Langlebigkeit trotz aller Berechnungen ein Mysterium blieb, hatte man sein Immunsystem durchaus erklären können.
Eine Entschlüsselung des genetischen Codes hatte ein erstaunliches Maß an restriktiven Enzymen gezeigt, die einen Fremdkörper, wie einen Virus oder ein Bakterium, daran hinderten, die Wirts-DNA zu infizieren oder zu verändern. Buchstäblich Milliarden verschiedener restriktiver Enzyme waren in der Helix verschlüsselt, ein eindeutiger Hinweis, dass diese Kreatur so immun gegen Viren und Bakterien wie gegen das Altern war – eine überlegene Spezies aus einem überlegenen Reich.
Dann wurde untersucht, ob die DNA in einen modernen Homo sapiens kopiert werden konnte. Und nach einer Reihe eigener Tests hatte er beschlossen, an sich selbst zu experimentieren.
Er hatte nie darüber nachgedacht, ob er überhaupt das Recht hatte, sich die Formel zu injizieren. Er wusste, wenn er erfolgreich war, würde er ebenfalls über diese übermenschlichen Eigenschaften verfügen und der potenzielle Triumph schien ihm das Risiko wert. Seine Motive waren nicht selbstlos, aber das war ihm egal. Es ging ihm nur um genug Rechtfertigung für seine Handlungen.
Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass die Transformation so überwältigend sein würde. Und er fühlte selbst jetzt, wie seine Stärke zunahm, sich die massiven Muskeln spannten, die von Sekunde zu Sekunde wuchsen. Er spürte sogar die zunehmende Knochendichte in der Brust und den Beinen, und wusste, dass er sich bald wieder verwandeln würde.
Er hatte keine Ahnung, was seinen Amoklauf in der ersten Nacht ausgelöst hatte, als er sich in der Kammer verwandelt hatte. Alles, woran er sich erinnerte, waren unscharfe Visionen, schreiende Gesichter und abwehrend erhobene Hände, während seine eigenen schwarzen Klauen nach links und rechts schwangen und die purpurne Welt vor ihm fiel. Dann war der Morgen gekommen und er war wieder er selbst, in seinem eigenen Geist und mit seinen eigenen Augen.
Als das nächste Forschungsteam angekommen war und diejenigen ersetzte, die er voller Freude in seiner Raserei massakriert hatte, hatte er gespürt, wie es in ihm erneut anschwoll, und er wusste ohne jeden Zweifel, wenn die Nacht kam, würde er sich wieder verwandeln.
Und das tat er.
Sie schrien, als die Stahltür durch seinen Schlag zu explodieren schien, eine Betonstaubwolke die Luft erfüllte und die massiven Bolzen aus der Wand gerissen wurden.
Ein einziger donnernder Hieb seiner Unterarme mit der unaufhaltsamen Kraft einer Abrissbirne hatte den Beton zu Staub zerkrümelt und die Stahltür zu Boden fallen lassen. Dann hatte er durch den vertrauten roten Nebel geblickt. Er hatte gesehen, wie sie in Panik zurückwichen, schrien. Immer schrien sie.
Er hatte sich mit einem Brüllen auf sie gestürzt.
Aber bei dieser zweiten Gelegenheit war alles klarer gewesen und er hatte die animalische Befriedigung des puren Machtrausches genossen, seine unaufhaltsame Kraft.
Ja. Er lächelte.
Wie ein Gott auf Erden.
Nichts konnte ihn aufhalten.
Nichts …
Er wusste in diesem Moment, er konnte ein angreifendes