Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
Скачать книгу
schüttelte heftig den Kopf.

      »Geteilter Schmerz ist halber Schmerz,« redete er ihr mit seinem gewinnenden Lächeln zu.

      »Ich fühle keinen Schmerz mehr,« erwiderte sie tonlos, »es ist alles in mir so kalt und starr, wie erfroren.«

      »Rose, um alles in der Welt, wer –«

      »Nichts, nichts! Ich selbst bin schuld daran, ich, meine Leichtgläubigkeit. Sie haben mich vor einer großen Sünde bewahrt, Herr Professor, dafür danke ich Ihnen von Herzen.«

      Sie drückte matt seine Hand und ging in ihr Zimmer.

      »Ich sie vor einer großen Sünde bewahrt,« wiederholte er, die Treppe hinabsteigend, leise, »wer aber trägt die eigentliche, moralische Schuld an dieser Sünde? Das ist die Frage!«

      Mich rührt kein Blühen

       Auf grüner Au,

       Kein Wolkenglühen,

       Kein Himmelsblau.

       Ernst Eckstein

      »Sie spielen heute enorm zerstreut, Sonnenberg.«

      »Ich wollte eben dieselbe Bemerkung machen, teuerster aller Diplomaten!«

      Beide Herren lachten, indem sie ihre Billardstöcke beiseite stellten. »Entweder – oder,« meinte Sonnenberg, »man soll mit der Kunst des Billards nicht scherzen.«

      »Am allerwenigsten aber pfuschen,« vollendete Hahn.

      »Ja, aber was tun, spricht Zeus,« fragte Sonnenberg.

      »Ich werde versuchen, Briefe zu schreiben.«

      »Und wenn meine Farben nicht eingetrocknet sind, werde ich an meinem Unsterblichkeitsbilde pinseln!«

      Sonnenberg drückte sich mit diesen Worten seinen breitkrämpigen Strohhut so schief wie möglich auf die semmelblonde Mähne und ging.

      In der Tür drehte er sich indes noch einmal um.

      »Ist Ihnen heute nichts aufgefallen, Hahn?«

      »Mir? Ja, ich dächte, Frau von Willmer wäre beim Frühstück sehr heiter gewesen.«

      Sonnenberg drehte sich auf dem Absatz um und ging jetzt wirklich.

      »Wenn die lacht, das fällt gleich auf,« murmelte er erbittert, »aber wenn sie, die Holde, die Einzige, ernst dreinschaut mit so entsetzlich traurigen Augen, da kräht kein Hahn danach.«

      Er mußte über sein eigenes Wortspiel lachen.

      »Es ist mir auch lieber, wenn er nicht kräht,« dachte er, von neuem über seinen Witz lachend, da er kein anderes Publikum dafür hatte.

      Zu seiner größten Seligkeit begegnete ihm Rose auf dem Wege nach der Künstlerwerkstatt, und sofort stürzte er sich auf sie.

      »So allein, gnädiges Fräulein?« begann er, den Hut noch einen Zoll schiefer aufsetzend.

      Rose sah ihn ohne Verständnis an.

      »Allein,« wiederholte sie ausdruckslos.

      »Gestatten Sie mir, Sie zu begleiten?« Da Sonnenberg keine Antwort darauf erhielt, nahm er es für eine Erlaubnis und drehte mit ihr um. Endlich, als sie schon nahe am See waren, sagte er kühn: »Köstliches Wetter heute, Fräulein Eckhardt! Das sollte Sie doch eigentlich heiter stimmen.«

      »Gewiß!« gab sie zerstreut zu. »Heiter? Ja, natürlich – es kommen einem nur manchmal solch wunderliche Gedanken.«

      Sonnenberg seufzte. »Nicht wahr?« sagte er. »Ach ja, mir kommen solche Gedanken mitunter auch. Besonders, wenn ich an Sie denke.«

      Aber Rose war heute nicht imstande, die zarte Anspielung zu verstehen oder zu belachen.

      »Sehr höflich, Sie blonder Kunstjünger,« ertönte Carolas Stimme hinter ihnen. Rose atmete auf, und doch war ihr auch Carolas Gesellschaft heute lästig, denn die klugen Augen des kleinen Fräuleins ruhten so forschend auf ihr, als wollten sie in ihrer tiefsten Seele lesen, als erwarteten sie endlich eine Antwort auf ihre stumme Frage. Aber diese Antwort wurde nicht gegeben, und um der Frage zu entgehen, bezwang Rose sich und versuchte ein Lächeln, einen Scherz, der aber rettungslos mißglückte. Sie meldete sich dann pflichtgemäß bei Frau van der Lohe, da diese aber gerade Frau von Willmer zu sich gerufen hatte, wurde sie abgewiesen, und so flüchtete sie nach ihrem Zimmer, um dort, mit sich selbst allein, den großen, harten Kampf weiterzukämpfen.

      »Olga, was hast du dem Mädchen getan?« fragte Frau van der Lohe, als Rose das Zimmer verlassen hatte.

      »Ich, Tante? Ich verstehe dich nicht – wie meinst du das?«

      »Sie hat solch einen müden, toten Blick,« erklärte die alte Dame beunruhigt, »ich mußte ihr heute beim Frühstück eine Sache zweimal wiederholen, ehe sie den Sinn faßte.«

      »Sie hat wahrscheinlich die Nacht nicht geschlafen,« erwiderte Olga kaltblütig, »das bekommt solch jungen Dingern nicht.«

      Frau van der Lohe schüttelte den Kopf.

      »Hast du mit ihr gesprochen?« fragte sie nach einer Pause.

      »Gewiß, liebe Tante.«

      »Wie nahm sie es auf?«

      »Sie war natürlich erschrocken, umgürtete sich aber mit ihrem ganzen Stolz und schleuderte mir die ungehörigsten Redensarten ins Gesicht. Ich hatte Mühe, ruhig zu bleiben.«

      »Nun – und ist alles getan?«

      »Alles? Wo denkst du hin, Tante! Meine Hauptarbeit kommt noch.«

      »Aber –«

      »Nur kein Aber, bestes Tantchen, es wird sich alles wie von selbst machen; vertraue mir und beunruhige dich nicht!« versicherte Olga mit einer Zuversicht, die sie selbst vorläufig durchaus noch nicht hegte.

      Indes war Carola mit Sonnenberg in die Künstlerwerkstatt gegangen, und während dieser sich in die wildesten Farbeneffekte vertiefte, sah sie Körner bei seiner Arbeit zu.

      »Professor, mit unserem Heideröslein ist etwas nicht richtig!«

      Körner nickte.

      »Dahinter bin ich schon gestern gekommen,« gab er zurück.

      »Aber was, was fehlt ihr?« drängte Carola weiter.

      »Entdecken Sie's! Rose wird nichts verraten.«

      »Ich werde sie geradezu fragen, aufs Gewissen.«

      »Quälen Sie das arme Kind nicht!«

      »Ich werde ihr eindringlich zureden, werde ihr –«

      »Lungenverschwendung, Carola! Rose Eckhardt hat eine Seele, die ihre Geheimnisse so fest verschließt wie ihr Mund. Der möchte vielleicht reden, findet aber die Worte nicht.«

      »Aber etwas muß doch geschehen, Professor!«

      »Warten wir's ab. Ehe wir etwas tun dürfen, müssen wir erst wissen, wofür wir es tun.«

      »Ich werde an Jo schreiben!«

      »Abwarten, Carola, abwarten!«

      Das kleine Fräulein ging sehr unbefriedigt davon; in ihrer Lebhaftigkeit war ihr nichts so zuwider, wie »abwarten«. Aber was sollte sie tun?

      Rose zeigte sich im Laufe des Tages viel gefaßter, obwohl der fremde Ausdruck in ihren Augen der gleiche blieb; sie versuchte am Abend einen Brief an Frau von Hochfelden zu schreiben, allein sie war es nicht imstande. Überdies hatte ihr Frau von Willmer zugeflüstert, daß Frau van der Lohe noch keine Entscheidung getroffen hätte, sie müßte sich bis morgen gedulden; die Wahrheit war, daß Olga selbst noch nicht wußte, was sie ihr sagen sollte, denn ihre Hauptarbeit war ja noch nicht geschehen.

      Zur Erreichung ihres Zieles hatte Frau von Willmer schon mehrfach versucht, eine Unterredung unter vier Augen mit Baron Hahn herbeizuführen, aber sei's, daß er ihr