Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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kenne? – O ja – so gut wie mich selbst. Aber sie ist ganz falsch geschildert – geradezu karikiert. Und der Maurus Magyar – mein Gott, wie konnte ich wissen, daß die dumme Rose, die ich ihm reichte, ihn verrückt machen würde! Hätte er Graf Magyar geheißen, der alte selige Willmer hätte bleiben können, wo er war. Was konnte ich für die Laune des Schicksals? Die Stelle vom Hochzeitscsardas in der Novelle ist richtig – er hat wirklich solange gespielt, bis ihm die Saiten sprangen – es waren zuletzt lauter Dissonanzen.«

      Rose wurde es unheimlich, – sprach die Frau neben ihr irre? Das junge Mädchen wollte sich erheben und sich leise entfernen, aber Olga merkte es und hielt sie fest.

      »Bleiben Sie, Fräulein Eckhardt,« sagte sie liebenswürdig, »ich habe von alten Geschichten geträumt, – das machte der Name Maurus Magyar. Die alten Gestalten kamen wie Nebel übers Wasser – riesengroß, ohne Grenzen. Träumen Sie nie von alten vergangenen Geschichten?«

      »O ja,« erwiderte Rose, verwundert über die ungewohnte Herablassung, »aber ich kann nicht sagen, daß meine Erinnerungen nebelhaft wären. Ich habe so wenig erlebt und doch wieder sehr viel! Mir war ja jede aufblühende Blume ein Ereignis. Sie würden mein Leben arm nennen, aber ich kann Ihnen sagen, gnädige Frau, daß es überreich war an Liebe, an ungetrübtem Frohsinn. Jetzt freilich drängt sich ein Schatten in diese Erinnerungen, – mein Trauerkleid.«

      Es war, während sie sprach, wie eine unerklärliche Angst über sie gekommen; sie hatte das Gefühl, als ob das Wasser vor ihr unüberbrückbar, das liebliche Ufer drüben für sie unerreichbar sei, und es erfaßte sie der unbestimmte Wunsch zu entfliehen, sie wußte nicht, ob vor ihrer Nachbarin oder vor dem glänzenden treulosen Wasser, doch ihre Bewegung wurde abermals durch Olga von Willmer gehemmt.

      »Ich möchte Ihnen etwas sagen, Fräulein Eckhardt.«

      »Mir, gnädige Frau?«

      »Ja, Ihnen.« Olga atmete tief und schwer. »Es liegt mir daran, einen Schleier zu zerreißen, der zwischen mir und Ihnen sich befindet, Klarheit und Licht in eine Sache bringen, die mir schon lange wie ein Alp auf der Seele liegt. Sie wissen sicher, was ich meine?«

      »Nein,« entgegnete Rose verwundert. »Wie sollte ich das wissen? Welche Sache meinen Sie?«

      Olga warf einen flüchtigen Blick auf das junge Mädchen.

      »Fräulein Eckhardt,« sagte sie, »ich habe mir vorgenommen, ruhig zu bleiben; ich hoffe, daß es mir gelingen wird, denn die Angelegenheit ist ganz geeignet, in Aufregung zu bringen. Aber ich will kurz sein. Herr van der Lohe hat Ihnen Aufmerksamkeiten erwiesen, Worte fallen lassen, die Sie wahrscheinlich zu dem Irrtum gebracht haben, daß er Ihnen seine Hand antragen wird, nicht?«

      Rose wurde blaß und sprang nun wirklich auf.

      »Gnädige Frau, Sie sind wenig zartfühlend in der Wahl Ihrer Worte,« sagte sie furchtlos. »Wenn Sie damit auf die Überlegenheit Ihrer Stellung pochen, so mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Frau van der Lohe die einzige ist, der ich Rede zu stehen habe, wenn's mir beliebt zu antworten.«

      Olga maß das junge Mädchen mit feindlichen Augen. »Was fällt Ihnen ein, Fräulein Eckhardt? »Wie können Sie sich unterstehen –«

      »In meinen Privatangelegenheiten, gnädige Frau, lehne ich jede Einmischung ab!«

      Jetzt erhob sich Olga auch, aber sie unterdrückte mit Riesenkraft ihren aufsteigenden Jähzorn, der sie zu allem fähig machte, und sagte scheinbar ruhig: »Gut, nehmen wir an, Sie sind im Recht, Fräulein Eckhardt. Aber ich muß noch einmal auf meine Worte zurückkommen. Herr van der Lohe ist ein Mann, wie die Männer eben alle sind – treulos, wenn er sich nicht entblödet hat, Ihnen –«

      »Frau von Willmer,« rief Rose glühend, »wie können Sie wagen, das auszusprechen? Mit welchem Recht?«

      »Mit dem Recht, das ich als Braut des Herrn van der Lohe habe,« erwiderte Olga triumphierend.

      Rose faßte mit ausgestreckten Händen nach einer Stütze. »Das ist nicht wahr,« stieß sie hervor.

      »Ich vergebe Ihnen dieses Wort, Fräulein Eckhardt,« erwiderte Olga würdevoll, »Sie sind erregt, überwältigt – ich begreife das. Es ist aber nichtsdestoweniger wahr: ich bin mit Herrn van der Lohe verlobt, wenn auch vorläufig nur heimlich.«

      Rose drückte die Hand auf ihr klopfendes Herz, aus ihrem Gesicht war jede Spur von Farbe gewichen.

      »Und – und das ist wirklich wahr?« fragte sie tonlos.

      »Sie haben mein Wort dafür,« sagte Frau von Willmer, ohne daß die Lüge ihr im Halse stecken blieb.

      »Aber,« fuhr sie lauernd fort, »ich verlange dagegen das Ihrige. Sie müssen jedem Gedanken an Johann van der Lohe, meinen Verlobten, entsagen.«

      »Das versteht sich von selbst,« sagte Rose mühsam.

      »Sie werden es jetzt gerechtfertigt finden, Fräulein Eckhardt,« brach Olga die entstandene Pause, »daß ich mich in Ihre Angelegenheiten mischte. Ich hoffe auch, daß Sie meine Duldsamkeit anerkennen werden, – aber was können Sie dafür? Nichts. Im Gegenteil, Sie dauern mich aufrichtig. Was wollen Sie nun tun?«

      »Eichberg verlassen,« erwiderte Rose ohne Zögern.

      »Ich werde mit meiner Tante Rücksprache darüber nehmen,« rief Olga hastig. »Wünschen Sie –«

      »Ich wünsche nur, allein zu sein,« fiel Rose ein.

      »Nun, so können wir morgen weiter darüber sprechen. Seien Sie meiner herzlichen Teilnahme versichert, bin ich doch selbst so tief in Ihre Angelegenheit verwickelt! Nehmen Sie die Sache leicht –«

      Rose wendete sich ab, und Frau von Willmer hatte den Takt, ohne ein weiteres Wort zu gehen.

      »Das war der zweite Akt der Komödie,« murmelte sie, aus der Ruine tretend, »morgen wird der dritte spielen, und der vierte muß gespielt sein, ehe Jo zurückkehrt.«

      Rose stand droben auf dem Söller, so wie Olga sie verlassen hatte – ruhig, stumm, unbewegt. Sie hatte das Gefühl, als ob das Blut in ihren Adern stockte und alles, alles zu Ende sei – betrogen, unerhört betrogen. Nicht eine Träne kam, nicht ein Laut über ihre blassen Lippen, um dem namenlosen Schmerz Luft zu machen. Ohne recht zu wissen, was sie tat, schritt sie die erste Stufe des Söllers hinab, dann die zweite – die dritte – und auf der vierten Stufe trat ihr Fuß schon in das Wasser, das mit seinen Wellen die Treppe bespülte.

      Nun stand sie auf der letzten Stufe – noch ein Schritt und alles war vorbei, auch der große Schmerz in ihrem Herzen.

      Da schlang sich ein kräftiger Arm um ihre Gestalt und zog sie gewaltsam zurück.

      »Rose Eckhardt, was tun Sie da?«

      Als die ernste, feste Stimme an ihr Ohr schlug, sah sie auf – sie mußte lange hinblicken auf dieses doch so wohlbekannte Gesicht, ehe sie es erkannte.

      »Lassen Sie mich, Professor Körner!«

      »Törichtes Mädchen,« entgegnete er ernst, »wer gibt Ihnen das Recht, mit Ihrem Leben zu spielen? Es gehört Ihnen nicht! Gott allein hat das Recht, Leben zu nehmen und zu geben.«

      »Sie haben recht,« nickte sie erschauernd. »Selbstmord ist Feigheit.«

      »Selbstmord!« rief Körner bewegt, »Kind, wie kamen Sie auf den Gedanken?«

      Sie wandte sich ab, ohne zu antworten, und Körner fuhr eindringlich fort: »Vertrauen Sie sich mir an, ich bin Ihr Freund! Was ist Ihnen geschehen, Heideröslein?«

      »Ich will diesen Namen nicht mehr hören,« rief sie auffahrend.

      Der Professor strich ihr liebevoll über das Haar. »Kommen Sie hinein ins Haus, Rose,« sagte er freundlich zuredend, wie zu einem Kinde, »die Luft ist heute so feucht, Sie selbst sind ja schon ganz naß! Kommen Sie mit, in Ihrem Zimmer werden Sie ruhiger werden.«

      Sie duldete es, daß er sie wegführte, aber an ihrer Zimmertür zögerte er, sie zu verlassen – es war etwas