Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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halten fälschlicherweise als für mich bestimmt eingeschätzt?“

      -„Nein, das haben Sie nicht“, bestätigte Fröhlich und legte das Blatt auf den Schreibtisch. „Ich bin davon ausgegangen, dass Sie einen Vorschlag von mir hören wollen, wer den ersten Auftrag ausführen soll und ich habe Ihnen dafür eine Übersicht über die Leistungen des Mannes erstellt, den ich für am Weitesten halte. Wir haben zwar in den letzten Wochen eine Vielzahl von Probanden ins Programm aufgenommen, aber die Ergebnisse aus den Tests in Verbindung mit der Tatsache, dass er der erste war, der unsere Mittel verabreicht bekam, sprechen für ihn.“

      Freud warf einen flüchtigen Blick auf den Zettel.

      -„In dieser Hinsicht vertraue ich ganz auf Ihre Kompetenz. Sie kennen die Konsequenzen genauso gut wie ich, also wird Ihr Vorschlag schon der richtige sein. Allerdings sollten wir es bei einer erfolgreichen Einführung nicht bei ihm allein belassen.“

      -„Natürlich.“

      -„Es geht also um Folgendes: Mehrere Stufen einer Planung durch die latein- und südamerikanischen Kartelle sehen offenbar vor, auch in Europa Fuß zu fassen. Das alles ist noch im absoluten Anfangsstadium, also geht es für uns lediglich darum, die an den Deals beteiligten Personen unschädlich zu machen. Das ist unser erster Schritt. Einen weiteren habe ich bereits in Planung, aber dabei bewegen wir uns dann schon näher am Kern der Organisationen und dafür will ich eine erfolgreiche Bestätigung des Programms im Ernstfall. Zunächst geht es also um einfache Boten. Es sind Männer – und zum Teil auch Frauen – die ganz unten in der Kette stehen und demnach über keinerlei für uns nützliches Wissen verfügen.“

      Fröhlich fragte sich, woher Freud das so genau wissen wollte, wo doch jede noch so kleine Information einen Wert haben konnte. Aber das hier war nicht sein Spezialgebiet und er wollte seinem Chef um Himmels Willen nicht widersprechen.

      -„Der Vorteil für uns“, fuhr Freud fort“, liegt vor allem darin, dass unser Vorgehen für die andere Seite unbemerkt bleiben wird. Und nicht nur das, auch was die herkömmlichen Strafverfolgungsbehörden angeht, wird es nicht auffallen, wenn ein paar Junkies oder arme Fischer in Südeuropa verschwinden. Wir operieren also vorerst in den Schatten, die sich uns bieten. Die nächsten Schritte werden vorbereitet sein, wenn alles positiv verläuft.“

      Natürlich, dachte Fröhlich, die Planungen gehen immer schon mindestens zwei Schritte weiter.

      -„Hier haben Sie also die Liste mit den Namen und einigen weiteren nützlichen Informationen.“ Freud reichte ihm die Liste. „Vielleicht finden Sie sogar noch etwas mehr heraus, das Ihren Männern helfen könnte. Sie haben ja die Möglichkeiten, eigenmächtig zu recherchieren. Jeder Auftrag sollte aber einzeln und unter strengster Geheimhaltung erteilt werden. Statten Sie Ihre Agenten mit wasserdichten Legenden aus, planen Sie die komplette Mission vor. Das heißt, Reise, Unterkunft, Durchführung und Verschwinden muss durchkalkuliert worden sein. Bei dem einen oder anderen Fall kann es zudem sinnvoll sein, einen zweiten Mann hinterher zu schicken, der aufräumt, wo es nötig ist.

      Kommen wir zu Ihrem Vorschlag: Sie meinen also Omega 5 ist bereit? Haben Sie keine Bedenken wegen seiner psychischen Instabilität?“

      -„Wir haben noch nicht wieder über ihn gesprochen, seit er die letzten Phasen des Programms begonnen hat. Die Instabilität ist durch die Präparate uneingeschränkt aufgehoben. Unsere Spezialisten von medizinischer und psychologischer Seite sind sich da einig. Er wird uns nicht enttäuschen.“

      -„Gut. Aber unterschätzen Sie nicht seine Charakterstärke und was er erlebt hat.“

      -„Genau das war von vornherein die beste Mischung, um das gewünschte Ziel zu erreichen.“

      -„Dann müssen Sie ja jetzt nur noch beweisen, dass ihre Kalkulation aufgeht.“ Freud setzte ein gespieltes Lächeln auf.

      Fröhlich wusste, was das hieß: Fehler durfte er sich keine erlauben.

      Kurz vor Mitternacht verließ Colin Fox das kleine Restaurant nahe der Plaza de Castilla und schritt energisch in Richtung Metro-Station. Als der Blick auf die beeindruckenden, schräg aufeinander zulaufenden Zwillingstürme des Puerta de Europa frei wurde und er mit dem Gedanken spielte, einen Moment innezuhalten, was er sofort wieder verwarf, vibrierte sein Handy. Er warf einen flüchtigen Blick auf das Display: Der nächste Auftrag also. Passenderweise befand sich das Ziel hier in Madrid. Zwei Haken hatte das Ganze aber: Die Zielperson hatte ein Zimmer im Hotel Ritz, was den Auftrag nicht gerade erleichterte, und er musste bereits am Vormittag erfolgreich ausgeführt sein. Dieses Mal konnte es schmutzig werden, das wusste er. Die Sporttasche hatte er mitsamt dem Scharfschützengewehr in einem vorab vereinbarten Schließfach am Bahnhof in Barcelona deponiert und den Schlüssel unter die Klappe eines Snackautomaten geklebt. Er musste die Mordwaffe nun also selbst wählen und es würde auf engstem Raum erledigt werden müssen.

      An der Metrostation angekommen, stieg er schnell die Stufen hinab und hastete in eine einfahrende Bahn. Um in Ruhe planen zu können, musste er ins Hotel zurück. Ein paar Stunden Schlaf konnten ebenfalls nicht schaden.

      Bevor er sein Hotel erreichte, entschied er sich anders. Fox schritt weiter durch das enge Straßengewirr Madrids, vorbei an der Oper und dem Palacio Real, bis er das neu gestaltete Ufer des Manzanares erreichte. Dort ließ er sich auf einer Bank nieder und starrte ausdruckslos auf die vom Mondlicht beschienene Oberfläche des Flusses. Was machte er hier eigentlich? Gerade erst war ihm der Gedanke an sein früheres Leben gekommen, dem er nachgehen und den er sich erklären wollte und gleichzeitig bereitete er hier einen weiteren Mord vor. Wie passte das zusammen? Fox merkte, wie sein Leben mehr und mehr aus dem Gleichgewicht geriet. Und er konnte nichts dagegen tun. Völlig hilflos saß er hier auf einer Bank mitten in Madrid und verzweifelte an seiner Lage. Auf der einen Seite zwang etwas in ihm seinen Verstand sich zu beruhigen und die Situation sachlich zu betrachten. Er hatte einen Auftrag und er musste seine Pflicht erfüllen – dafür war er hier. Aber auf der anderen Seite zerrte ein Gefühl ihn weg von der logischen Analyse, die durch sein Denkmuster vorgefertigt wurde. Er wollte nicht mehr töten. Es war ihm widerwärtig und er fragte sich, wie er überhaupt dazu gekommen war. Sicherlich, da war weiterhin diese Stimme, die ihm sagte, dass er alles für eine gute Sache tat, dass er sich selbst dafür entschieden hatte. Aber sobald er darüber nachdachte, kam ihm die vergangene Nacht in den Sinn, der verzweifelte Blick der jungen Frau, der ihn nach dem Warum zu fragen schien.

      Fox schreckte aus seinen Gedanken, als er eine Gestalt hinter sich bemerkte. Seine Muskeln spannten sich, sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, um die Situation zu überblicken – sofort war er in Kampfbereitschaft. Als er sich langsam umdrehte, entfernte sich die wankende Gestalt eines betrunkenen Obdachlosen bereits in Richtung Calle Segovia. Fox entspannte sich wieder und versuchte, seinen letzten Gedanken aufzugreifen. Das Schlimme war, dass er selbst keine Antwort auf das Warum hatte. Es war ein Auftrag, seine Pflicht. Vermutlich hatten all die Menschen etwas Böses getan, anders konnte er sich nicht erklären, wie sie ins Visier des ESS geraten sein konnten. Aber war das wirklich so eindeutig? Konnte er sich sicher sein, dass das, was er aus Pflichtbewusstsein getan hatte, wirklich richtig war?

      Eins war klar: Er würde dieser Frage nachgehen. Den neuen Auftrag würde er nicht so einfach fraglos hinter sich bringen. Er wollte wissen, was der Mann getan hatte, den er im Ritz umbringen sollte. Dass sich dabei ein weiteres Problem auftat, übersah er vorerst.

      3

      Ein Name

      

      Früh am nächsten Morgen schlenderten Mareen Schuhmacher und eine noch sichtlich angeschlagene Lavinia Lichtsteiner am Seine-Ufer entlang, vorbei an der Île de la Cité mit den eindrucksvollen gotischen Türmen der Kathedrale von Notre-Dame, und unterhielten sich über belanglose Themen. Als sie die Pont Neuf erreichten, blieb Lavinia plötzlich abrupt stehen.

      -„Was ist?“, fragte Mareen erschrocken.

      -„Ach nichts Wichtiges.“ Lavinia ging bereits weiter und blickte gedankenverloren in den blauen Pariser Himmel. Von vorn kam ein Fahrradfahrer auf sie zu und Mareen konnte sie gerade noch zur Seite ziehen, um einen Zusammenstoß