Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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um Neuerungen, die ich einführe. Ich hatte gehofft, dass durch meine kleine Einstiegsfrage deutlich wird, was ich als ein Problem der bisherigen Arbeit unter meiner Vorgängerin ansehe: Der ESS arbeitet progressiv, reagiert nur, statt zu agieren. Sie sprachen zwar gerade von einigen fortlaufenden Einsätzen, Lecout, aber im Grunde sind diese eindeutig zweitrangig. Solange nicht eine offensichtliche Gefahr vermittelt wird, überlassen wir die Arbeit den nationalen Kollegen. Das gedenke ich ab heute zu ändern.“ Freud ließ seinen kurzen Vortrag nachwirken und blickte in eine Reihe skeptischer Gesichter. Ihm war klar gewesen, dass er zu Beginn keine große Zustimmung ernten würde. Die Frage war nur, wie verblendet die Männer und Frauen in diesem Dienst von der Vorgehensweise seiner Vorgängerin waren. Sollte die Loyalität ihr gegenüber größer sein als gegenüber der Sache, konnte das zu einem Problem für ihn werden. Es würde aber ebenso schnell zum Ende der Karriere der jeweiligen Mitarbeiter führen. „Was also passieren wird“, fuhr Freud fort, „ist Folgendes: Ab jetzt werden wir agieren, werden den weltweiten Gefahren degressiv begegnen. Wir werden die Sicherheit gewährleisten, indem wir Probleme bekämpfen, bevor sie wirklich entstehen. Die Anschläge in Deutschland vor gut drei Wochen haben mal wieder gezeigt, dass der Terror die größte Gefahr weltweit ist. Ich schließe mich der Bundeskanzlerin und dem US-Präsidenten an, wenn ich sage, dass der Kampf gegen den Terror unseren größten Einsatz verdient.

      Dazu wird es einige strukturelle Veränderungen in dieser Organisation geben. Zuallererst wird eine neue Abteilung ins Leben gerufen, die strikter Geheimhaltung unterworfen ist. Was Sie hier an diesem Tisch darüber wissen dürfen, wird Ihnen gleich der Leiter dieser Abteilung mit der Abkürzung DP, Constantin Fröhlich, erläutern. Sie wird vollkommen unabhängig von allen anderen Abteilungen sein und verwaltet werden. Lediglich eine Information geht indirekt auch Sie an.“ Freud wandte sich an Gomez. „Colin Fox hat sich bereit erklärt, der Abteilung beizutreten und wird Ihnen demnach ab sofort nicht mehr zu Verfügung stehen. Sollte es Möglichkeiten und Notwendigkeiten geben, Ihre Abteilung mit dem DP zu verknüpfen, werden Sie das zu gegebenem Zeitpunkt mit Herrn Fröhlich besprechen.“ Gomez nickte skeptisch. Etwas in seinem Blick gefiel Freud nicht, aber es war zu früh darüber zu urteilen. Bis zu diesem Punkt verlief alles zu seiner Zufriedenheit. Niemand stellte unnötige Fragen, und das, obwohl er selbst so wenige Informationen wie möglich über die neue Abteilung gegeben hatte. „Die Informationen zu den weiteren neuen Abteilungen, die durch die Anweisungen aus Brüssel und Straßburg eingesetzt wurden, entnehmen Sie bitte den Dossiers. Ich habe mir erlaubt, diese neuen Posten mit meinen eigenen Leuten zu besetzen, statt sie hier heute wählen zu lassen. Im Gegenzug wird vorerst jeder Einzelne von Ihnen seinen bisherigen Posten behalten.“ Mache Zugeständnisse und konfrontiere sie dann erst mit Neuem – so kannst du nur gewinnen. Wie es aussah, ging seine Taktik auf. Niemand wandte etwas ein. „So konnte ich auch gleich die nächste Auflage der EU erfüllen und die neuen Führungsplätze so mit Frauen besetzen, dass wir die Quote erfüllen. Wo wir gerade bei Frauen sind: Man hat mir bislang keine feste Sekretärin zugeteilt. Mit den bisherigen war ich nicht wirklich zufrieden. Ich denke, es wäre Ihre Aufgabe, Lecout, mir jemanden vorzuschlagen.“

      Rene Lecout schaute etwas pikiert auf das Dossier vor ihm, das er bereits zu lesen begonnen hatte, und wandte sich dann seinem neuen Chef zu.

      -„Da Sie uns gerade mitgeteilt haben, dass Colin Fox von seinem bisherigen Posten zurückgetreten ist, gehe ich davon aus, dass wir ihn in anderen Abteilungen nicht mehr einplanen müssen?“

      -„Davon können Sie ausgehen. Allerdings ist mir zu Ohren gekommen, dass Sie alle ihre Einsatzagenten nach eingehender Besprechung nun mit einer Kennung versehen wollen. Wie lautet die für Colin Fox?“

      -„Wir hätten ihm die Bezeichnung Omega 5 zugewiesen. Es wäre rein aus verwaltungstechnischen Gründen passiert.“

      -„Die Idee finde ich trotzdem durchaus gut. Er wird diese Kennung auch in neuer Funktion behalten, berücksichtigen Sie das bitte. Aber zurück zu meiner Sekretärin...“

      -„Fox hatte bislang eine Privatsekretärin, ich denke, die benötigt er in der neuen Funktion nicht mehr, wenn die Verwaltung der Abteilung ohnehin unabhängig organisiert ist. Also schlage ich vor, dass Sie Lisa Maytree übernehmen. Sie war zuvor schon Sekretärin Ihrer Vorgängerin.“

      -„In Ordnung. Ich übernehme sie.“ Freud blickte auf seine Uhr. Das alles hier dauerte länger, als er geplant hatte. „Ich denke, ich werde Sie gleich allein lassen müssen. Ich habe noch zu tun.“

      -„Eine Sache, der Sie zustimmen müssen, gäbe es da noch“, wandte Lecout ein. „Es existiert ein Rahmenvertrag mit der Firma Centrotherm und der Würth-Gruppe...“

      -„Über diese Sache bin ich bereits informiert. Wir übernehmen das Centrotherm-Gebäude für unsere Zwecke, es wird der Abteilung Delta zugewiesen. Und was die Würth-Gruppe angeht, so brauchen Sie sich darum nicht weiter zu kümmern. Also, Gentlemen, bevor ich gehe:“, Freud hob herrschaftlich die Hand, „auf eine gute Zusammenarbeit.“ Dann verschwand er aus dem Konferenzraum und ließ einige sehr verunsicherte Gesichter zurück.

      Joachim Bergmann und Orlando Gomez trafen sich zufällig zwei Stunden nach der Konferenz am Kaffeeautomaten im Aufenthaltsraum. Beide schwiegen erst eine ganze Weile, bis Bergmann etwas sagte.

      -„Und was halten Sie vom neuen Opal Alpha?“

      -„Ich weiß nicht.“ Gomez nahm die Tasse mit dem heißen Kaffee entgegen. „Irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Schlimm genug, dass er alles umkrempeln will, aber seine Herangehensweise wirkt so... bedrohlich.“

      -„Vielleicht sind wir ja auch einfach nur ein bisschen eingerostet und nicht mehr so flexibel.“

      -„Möglich, dass Sie recht haben. Gerade wo wir doch eigentlich besonders flexibel sein sollten.“

      -„Eben.“ Bergmann schüttete sich einen halben Becher Zucker in den Kaffee.

      -„Das ist aber nicht gerade gesund, was Sie da machen“, bemerkte Gomez lachend.

      -„Ich beuge nur vor, falls Ihr Gefühl Sie doch nicht trügt. Zyankalikapseln haben wir ja leider keine hier.“

      Beide mussten lachen.

      -„Aber Spaß beiseite“, Gomez wurde wieder ernst. „Mir gefällt diese Sache mit der neuen Abteilung außerhalb des inneren Verwaltungsapparats nicht. Schlimm genug, dass Freud sich nicht näher zu den Veränderungen und neuen Abteilungen geäußert hat. Zumindest konnte er uns seine neuen Leute nicht vorstellen, weil die Neuerungen erst zum Jahreswechsel greifen. Aber was dieser Fröhlich über das Death Panel angedeutet hat, klingt sehr nach den alten Methoden, die wir als unabhängiger Geheimdienst gerade nicht mehr unterstützen wollten.“

      -„Zumindest hat er uns ja ziemlich im Unklaren gelassen. Vielleicht sehen wir auch einfach nur Gespenster, weil wir eine so fantastische Chefin hatten.“

      -„Mag sein...“ Gomez trank einen Schluck Kaffee und stellte dann fest, dass es Bergmanns Kaffee war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schluckte er den Kaffee herunter.

      -„Gut, nicht?“, witzelte Bergmann.

      -„Süße Plörre!“ Er wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. „Wir sollten die Sache zumindest im Auge behalten. Dass er uns alle auf unseren Posten belassen hat, könnte durchaus Taktik sein. Wiege sie ihn Sicherheit, damit sie nicht merken, wie um sie herum alles zusammenbricht. Ein unheimliches Szenario.“

      -„Wir werden sehen.“

      Währenddessen hatten Constantin Fröhlich und Ronald Freud in dessen Büro gerade ein Gespräch beendet.

      -„Gehen Sie also davon aus, dass der Komplex in Rorschach mitsamt dem riesigen Keller-Areal weiterhin für Sie nutzbar ist“, schloss Freud. „Die Würth-Gruppe wird keine Probleme machen. Wenn auch die Gründe und die Art unserer Nutzung nicht bekannt sind, so läuft trotzdem alles vertragliche über die EU. Ich denke, es wird uns einige Vorteile verschaffen, dass die Würth-Gruppe so vielfältige Unternehmungen betreibt. So können wir die Absolventen des Death-Panels mit sehr unterschiedlichen Legenden ausstatten. Aber das besprechen wir zu gegebenem