Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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Schreibtisch von Freud im Raum stehen und warf einen abschätzigen Blick auf Constantin Fröhlich, der sie interessiert ansah.

      -„Ah, Sie sind also Miss Maytree.“ Freud blickte gar nicht erst von seinen Unterlagen auf. „Ich denke, man hat Sie bereits informiert und eingewiesen. Ich habe auch sofort eine spezielle Aufgabe für Sie.“ Er reichte Fröhlich eine dicke Aktenmappe und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sie an die blonde Frau weiterzuleiten. „Es geht um eine Recherche, die den aktuellen Informationsstand der Öffentlichkeit über unseren Geheimdienst aufzeigen soll. Suchen Sie nach Medienberichten, Blogeinträgen, Forumsdiskussionen. Alles, was Sie über den European Secret Service finden. Mir reicht eine einfache Zusammenstellung mit inhaltlichen Überblicken. Im zweiten Schritt recherchieren Sie dann bitte noch eine Auswahl an Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Institutionen aus unserer Branche. Ich denke, dass dürfte innerhalb dieser Woche zu schaffen sein. Mehr brauche ich vorerst nicht.“

      Ohne ein Wort zu sagen verschwand Lisa Maytree aus dem Büro. Fröhlich warf ihr einen lüsternen Blick hinterher.

      -„Nettes Ding.“

      -„Warten wir es ab.“ Freud suchte bereits eine weitere Aktenmappe auf seinem ungeordneten Schreibtisch. „Wenn Sie nicht herausragend gut ist, werde ich noch eine zweite Sekretärin brauchen.“

      -„Ach, ich wäre mit ihr schon völlig zufrieden.“

      Freud warf ihm einen bösen Blick zu.

      -„Um so was geht es mir hier aber nicht, Sie Idiot. Und jetzt lassen Sie mich allein, ich habe noch einige Dinge zu klären. Viel Erfolg in Rorschach.“

      Fröhlich verließ eingeschüchtert das Büro und ging in Richtung der Aufzüge.

      Ronald Freud lehnte sich in seinem Sessel zurück und überlegte kurz. Dann griff er zum Hörer seines Telefons und tippte eine Nummer auf der Konsole ein. Sekunden später meldete sich Filip Ekholm. Freud wies ihn an, in sein Büro zu kommen und legte auf. So langsam kam alles ins Rollen. Schritt zwei war nun auch planmäßig verlaufen. Zwar würde sich zeigen, inwiefern es in naher Zukunft zu Komplikationen käme, aber er hatte zusammen mit seinen Vertrauten, unter ihnen auch Constantin Fröhlich, eine gute Vorarbeit geleistet und so setzten sich die Projekte in Gang.

      Für einen Geheimdienst war der ESS wirklich gut organisiert, soweit Freud das nach seiner bisher kurzen Amtszeit beurteilen konnte. Wenn seine Prioritäten nun auch noch geachtet würden, sollte ihnen eine rosige Zukunft bevorstehen. Er fragte sich zwar, wo genau er sich zu gegebenem Zeitpunkt die Lorbeeren abholen sollte, aber das würde sich dann schon einrichten.

      Ekholm erschien vor der Tür und Freud winkte ihn herein.

      -„Läuft mit dem neuen Gebäudetrakt alles nach Plan?“

      -„Ja, ich denke, der Umzug wird reibungslos verlaufen. Sollte alles kein Problem darstellen.“

      -„Freut mich, das zu hören. Nachdem Sie meine Vorstellungen von der Ausrichtung des ESS gerade erst kennen gelernt haben, gibt es bereits den ersten Auftrag für Sie.“

      -„Stress sind hier alle gewohnt...“ Ekholm unterbrach sich, als er den Blick seines neuen Chefs bemerkte. Seine Miene zu deuten war schwierig, aber irgendwas sagte ihm, dass es besser war, zu schweigen.

      -„Es geht um Zusammenhänge zwischen hiesigen Finanzgeschäften und dem Drogenhandel in Südamerika. Unsere amerikanischen Freunde sind dem schon lange nicht mehr gewachsen. Auch unser Partnerdienst traut sich nicht, tiefer in die Todeskette einzudringen, die sich von Mexiko bis Kolumbien zieht. Nun sollen Sie dort nicht sofort einen Kampf gegen die Kartelle starten. Im Grunde wäre das ja auch gar nicht unsere Aufgabe. Aber es gibt Verknüpfungen nach Europa. Geldwäsche, Finanzmarktgeschäfte, Unternehmungen, mit denen die Kartelle ihre Gewinne verwalten und vervielfachen – alles das spielt sich auf dem Kontinent ab und niemandem ist das bislang so wirklich klar geworden. Drogen sind nicht unser Problem und die hiesigen Mafia-Clans versperren den nationalen Behörden die Sicht auf das Offensichtliche. Wir müssen da ansetzen. Vorerst geht es darum, Informationen zu sammeln. Wer ist beteiligt? Was wird getan? Kümmern Sie sich darum. Wir haben keine Namen, nur lose Anhaltspunkte. Die verfügbaren Informationen befinden sich in diesem Dossier.“ Freud reichte dem Schweden eine weitere Aktenmappe. „Durchforsten Sie alle Kanäle. Zeigen Sie mir, wie gut die Informationsbeschaffungsabteilung arbeitet. Vielleicht können wir schon zu Jahresbeginn daraus einige Einsätze aufbauen, die einen Schlag gegen die Kartelle und ihre Machenschaften bedeuten.“

      -„Alles klar. Ich setze sofort einige Mitarbeiter darauf an.“

      -„Denken Sie dran: Das hier hat für mich oberste Priorität. Ziehen Sie nicht gleich alle verfügbaren Leute ab, aber was nicht akut ist, muss warten. Verstanden?“

      -„Ich denke schon.“ Ekholm runzelte die Stirn. Nicht gleich am ersten Tag des neuen Chefs bei ihm unbeliebt machen! Einfach Befehle befolgen! Es würde schon einen Sinn ergeben.

      -„Gut. Das war es bis hierhin.“ Ohne noch einmal aufzusehen, widmete sich Freud wieder seinen Unterlagen. Ekholm wandte sich mit leichtem Unwohlsein zur Tür. Ging es nur ihm so, oder verursachte dieser Neue bei allen ein schlechtes Gefühl?

      2

      Ein Gedanke

      

      Colin Fox schob sich hektisch durch die Menge in der völlig überfüllten Bahnhofshalle des Madrider Fernbahnhofs Atocha, die mit ihren übertriebenen Grünanlagen eher an das Tropenhaus eines Botanischen Gartens erinnerte, als an den Aufenthaltsbereich eines Verkehrsknotenpunkts. Vor der Halle angekommen nahm er sofort ein Taxi in die Stadtmitte. Nahe der Plaza Mayor stieg er aus und betrat ein heruntergekommenes Hotel in der Calle de Esparteros. Ein gelangweilter Portier händigte ihm die Schlüssel aus, nachdem er bar bezahlt und eine Tageszeitung gekauft hatte. Es hätte ihn zwar verwundert, aber vielleicht stand ja schon etwas zu seiner gestrigen Aktivität in Barcelona im Innenteil. Er wollte jetzt auf Nummer sicher gehen, nachdem gestern so einiges schief gelaufen war. Deshalb hatte er auch den Zug genommen, anstatt zu fliegen. Die Eisenbahn war immer noch deutlich anonymer als die übertrieben kontrollierten Flieger. Ein Grund, warum er auch diese billige Absteige gewählt hatte. Hier würde man sich nicht an ihn erinnern und wenn er am nächsten Morgen die iberische Halbinsel wieder verließ, deutete nichts darauf hin, dass er Madrid zwischenzeitlich überhaupt verlassen hatte.

      Als er die Tür zu seinem Zimmer aufgeschlossen hatte, warf er seinen Koffer ohne ihn auszupacken auf das Bett und setzte sich in einen schäbigen Sessel am Fenster. Von draußen drangen leise Verkehrsgeräusche und einige Stimmen herein, aber im Vergleich zur sonstigen Atmosphäre im Madrider Stadtzentrum war es beinahe ruhig. Der erste Weihnachtsfeiertag schien die Menschen trotz des guten Wetters Zuhause zu halten.

      Lustlos blätterte Fox in der Zeitung. Nichts Interessantes. Kein Hinweis auf ein Verbrechen in Barcelona. Da erst fiel ihm das Datum der Zeitung auf. 23/12. Natürlich, wieso sollte es auch ausgerechnet an einem Feiertag die neuesten Nachrichten geben? Verärgert warf er das Papier zu Boden und starrte missmutig aus dem Fenster. Er blickte auf eine typisch kastilische Häuserfassade. Plötzlich ergriff ihn ein Gefühl der Enge und Verzweiflung. Er musste raus hier, musste sich bewegen. Fox streifte sein Jackett über und verließ das Hotel. Vor dem Gebäude wandte er sich nach links, an der nächsten Abzweigung nach rechts. Hektisch blickte er sich um, ohne zu wissen, wo er sich eigentlich befand. An der Puerta del Sol lief er vorbei ohne zu registrieren, dass er am zentralen Platz der Stadt angekommen war. Fox ging immer weiter und weiter, kreuz und quer durch das Straßengewirr der Altstadt. Er wurde immer schneller, rannte bereits, als er die Paseo del Prado überquerte. Menschen starrten ihm verwundert hinterher, Hunde bellten ihn an, Autofahrer bremsten abrupt ab, wenn er vor ihnen die Straße überquerte. Er war wie in Trance.

      Als Fox völlig außer Atem war, hielt er an. Einen Moment ging er in die Knie und holte tief Luft. Ihm wurde schwindelig, er merkte, wie sein Kreislauf rebellierte. Eine Sekunde war alles schwarz, dann richtete er sich auf und wankte zu einer Bank in seiner Nähe. Fox setzte sich und versuchte, wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Langsam suchte er seine Umgebung ab.