Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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in den Raum dahinter. Es war das Badezimmer, ähnlich unaufgeräumt wie die Suite selbst. Fox nahm seine Waffe aus dem Hosenbund und bahnte sich durch mehrere Koffer, Bettlaken und Jacken einen Weg zum Fenster. Draußen erblickte er den eindrucksvollen Bau des Museo del Prado unter einem düsteren Himmel. Ein paar Tropfen klatschten an das Fenster und auf der Straße unter ihm spannten die wenigen Passanten ihre Regenschirme auf.

      Ein Geräusch ließ ihn herum fahren. Niemand war ins Zimmer gekommen, aber er entdeckte einen weiteren Fehler: Die Zimmertür war nur angelehnt, was nicht zuletzt die echten Hotelangestellten misstrauisch machen konnte. Schnell schlich er zurück und schloss lautlos die Tür, durch die er hereingekommen war.

       Warum so unkonzentriert?

      Das Geräusch war wieder da. Fox meinte eine Männerstimme erkannt zu haben. Sein Verdacht bestätigte sich, als er an der zweiten Tür lauschte. Auf der anderen Seite musste sich der eigentliche Wohnbereich der Suite befinden. Es war immer die gleiche Stimme, in unregelmäßigen Abständen erklang sie verärgert und gedämpft durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen. Zwei mögliche Vorgehensweisen schossen ihm durch den Kopf und er entschied sich schnell für die aus seiner Sicht weniger riskante.

      Fox wiederholte die Prozedur, die er auf dem Hotelflur schon einmal durchgegangen war: Er klopfte zweimal kurz hintereinander und fügte sein „Servicio de habitaciones“ hinzu. Es dauerte einen kurzen Moment, dann hörte er die Stimme des Mannes noch etwas lauter als zuvor. Ein lautes Scheppern folgte, dann wurde die Tür aufgerissen.

      -„Seid ihr bescheuerten Spanier nicht in der Lage, mich in Ruhe zu lassen?“, brüllte ein großer, aber leicht dicklicher Mann mit hellem Teint in amerikanischem Englisch, während er bereits vor Schreck die Augen aufriss. „Ich habe doch gesagt…“, seine Lippen bewegten sich noch, dann verstummte er, als er die Pistole an seinem Hals bemerkte.

      -„So und jetzt solltest du deine Lautstärke mal etwas drosseln und mir zuhören.“ Fox Stimme durchschnitt die plötzliche Stille, obwohl er ganz leise sprach. „Ich bin zwar nicht der Zimmerservice, aber ich habe nicht vor, dir etwas zu tun.“

      -„Wozu dann die Waffe?“, blaffte der Amerikaner.

      Fox drückte die Walther noch tiefer in seinen Hals.

      -„Sprechen nur wenn ich das erlaube, alles klar?“

      Der Amerikaner nickte widerwillig.

      Fox lockerte den Druck seiner Waffe ein wenig. Dann schob er den Mann langsam zu einem Sessel in der hinteren Ecke des Raumes.

      -„Zuerst einmal will ich wissen, wer du bist.“

      -„Willst du mich verarschen, Alter? Wenn du das nicht wüsstest, wärst du hier ja sicherlich nicht mit einer Waffe im Anschlag reingekommen.“

      Fox versetzte ihm einen Schlag mit der freien Hand.

      -„Tu besser nichts, das mich aus der Fassung bringt, okay?“

      Fox schubste sein Gegenüber in den Sessel und entfernt sich selbst einen Schritt, um sich ihm gegenüber zu setzen. In diesem Moment machte er zwei weitere verhängnisvolle Fehler: Der erste bestand in der Tatsache, dass er den Amerikaner aufgrund einer ersten optischen Musterung falsch einschätzte. Was seine körperliche Konstitution anging, und ebenso seine Handlungsschnelligkeit. Der zweite wurde ihm zum Verhängnis, denn in einem weiteren Moment der Unkonzentriertheit ließ er seinen Gegner für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen, um sich nicht neben den Sessel zu setzen. In diesem Moment schnellte das Bein des Amerikaners nach oben und trat Fox die Waffe aus der Hand. Gerade als er seinen Fehler bemerkte, schwang sich der andere aus dem Sessel und setzte einen gekonnten Tritt, um Fox aus dem Gleichgewicht und zu Fall zu bringen. Er stürzte und rappelte sich sofort auf. Fox wollte aufstehen, doch der Mann war plötzlich über ihm und zog ein Messer von irgendwoher. Dem ersten Hieb konnte Fox ausweichen, dem zweiten auch. Der dritte aber drang schräg oberhalb seiner Hüfte ins Fleisch ein. Nicht tief, aber es reichte, um sein Hemd rot zu färben. Fox schnappte nach Luft. Es sah nicht gut aus. Irgendwie musste er wieder die Kontrolle über die Situation gewinnen. Blitzschnell drehte er sich um die eigene Achse, verpasste seinem Gegner einen gekonnten Schlag ins Gesicht und verschaffte sich damit die nötigen Sekunden, um einen Blick durch das Zimmer zu werfen. Seine Waffe lag nicht weit entfernt auf dem Teppichboden. Aus dem Augenwinkel bemerkte Fox, dass der Amerikaner sich wieder berappelte und nun ebenfalls ein Auge auf seine Walther geworfen hatte. Fox machte einen Satz und erreichte die Waffe gerade in dem Moment, als der andere mit einem lauten Schrei aufsprang und mit dem Messer in einer weit ausholenden Bewegung auf ihn zusteuerte. Das Gesicht war von Hass gezeichnet. Fox drehte sich gekonnt zur Seite, zielte und schoss.

      Der Amerikaner wurde in der Bewegung zurückgerissen und knallte zu Boden. Das Messer fiel ihm aus der Hand, er war sofort tot.

      Fox atmete tief durch. Alles war anders gelaufen, als er geplant hatte. Und das nur wegen einer einzigen Unkonzentriertheit. Was war nur mit ihm los? Von draußen hörte er laute Stimmen. Natürlich! Man hatte den Schuss offensichtlich gehört. Er musste schleunigst von hier verschwinden. Er blickte sich im Zimmer um. Es gab keinen Ausweg, vom Flur drangen bereits aufgeregte Stimmen herein und einen anderen Ausgang gab es nicht. Nur das Fenster.

      Hektisch tastete er seine unmittelbare Umgebung ab. Irgendwo hier musste das Handy liegen, mit dem der Mann vor seinem Auftauchen telefoniert hatte. Fox steckte seine Pistole zurück ins Halfter und stand auf. Wo war dieses verdammte Gerät? Er drehte die Leiche des Mannes zur Seite, aber auch unter ihm lag es nicht. Mit dem Fuß stocherte er in den Kleidungsstücken, die auch in diesem Zimmer auf dem Boden verstreut waren. Da fiel sein Blick auf einige Glassplitter in einer Ecke des Raumes. Unter ihnen erkannte er auch ein älteres Modell aus der Sony-Ericsson-Familie. Er hob es auf und steckte es in eine Jacketttasche. Etwas schnitt ihm in die Hand. Als er die Handfläche öffnete, erkannte er, dass es einer der Splitter war, den er versehentlich mit aufgehoben hatte. Die Splitter allerdings stammten nicht von einer Flasche oder einem Glas, sondern aus einem zerbrochenen Spiegel. Bringt also doch Unglück, dachte er mit einem beinahe mitleidigen Blick auf die Leiche des Amerikaners. Dann hechtete er zum Fenster, öffnete es und blickte nach unten. Auf der Straße war niemand zu sehen, lediglich ein Reisebus fuhr auf der Calle Felipe IV an der Rückseite des Hotel Ritz vorbei. Jemand hämmerte von außen gegen die Zimmertür. Fox überlegte kurz und schwang sich dann aus dem Fenster. Draußen hing er an der Fassade, seine Finger krampften sich um die Fensterbank. Unter sich erkannte er den Sims einer Balustrade. Er ließ sich fallen und landete auf der weißen Stuckverzierung. Plötzlich brach das Gestein und Fox krachte durch eine Glasplatte, die brach und seinen Fall nach unten freigab. Er spürte die Fliehkraft und ruderte mit den Armen. Bevor er auf den Boden aufschlagen konnte, verfing er sich im Stoff des gespannten Baldachins über dem Lieferanteneingang und knallte dann auf den Bürgersteig. Durch den Stoff wurde sein Fall etwas abgebremst, aber seine Knochen schmerzten trotzdem höllisch, als er sich aus dem zerknüllten Baldachin befreite und aufstand. In einiger Entfernung hörte er bereits das Heulen von Polizeisirenen. Es wurde Zeit, dass er hier wegkam. Leicht humpelnd lief er über die Straße und in den kleinen Park des Museo del Prado.

      Wenig später saß Fox nachdenklich auf derselben Bank im Parque del Buen Retiro, auf der er am Tag zuvor wieder zu Bewusstsein gekommen war. Er hatte das Gesicht in den Händen vergraben und warf nur hin und wieder einen Blick durch die gespreizten Finger, um Veränderungen in seiner Umgebung zu registrieren. Nach der Aktion im Hotel Ritz konnte es gut sein, dass die Stadt von der örtlichen Polizei bereits nach ihm durchsucht wurde und er wollte unter allen Umständen vermeiden, dass es zu einer Festnahme kam. Allerdings schien es, als wären die Beamten vorläufig mehr mit der Untersuchung des Tatorts befasst, denn noch hatte sich nichts Auffälliges getan.

      Was Fox aktuell viel mehr beschäftigte, war die Tatsache, dass er sein Ziel klar verfehlt hatte. Anstatt etwas aus dem Amerikaner herauszubekommen und zu erfahren, warum er überhaupt liquidiert werden sollte, hatte er nur einen weiteren Mord begangen. Wieder ein toter Mensch, den er auf dem Gewissen hatte; wieder ein Kreuz mehr auf seinem Konto. Auch der Umstand, dass es in diesem Fall vielmehr Notwehr als Mord war, konnte ihn nicht beruhigen. Warum nur schien sich ein Todeskreis um ihn zu ziehen, der alles ins Verderben riss? Allmählich