Leben ist kälter als der Tod. Callum M. Conan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Callum M. Conan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741835629
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es etwas gab, das man als „das Böse“ bezeichnen konnte, dann war es für ihn in einem Menschen zusammengeführt. William St.John-Smith war nicht nur ein skrupelloser Unternehmer und Verbrecher, sondern auch sein Intimfeind. Das wurde ihm in diesem Moment klar. Ohne den Neuseeländer wäre er nie so direkt ins kalte Wasser der globalen Nachrichtendienste geworfen worden, er hätte nicht seinen ersten Mord begangen und er wäre vielleicht auch aus Mangel an Möglichkeiten, sich in besonderer Weise auszuzeichnen, wieder in sein altes Leben zurückgekehrt. Stattdessen lebte er nun seit über zwei Jahren ein Leben im Schatten, in einem steten Kampf ums Überleben, der durch etwas, an das er sich nicht erinnern konnte, vor einem guten Jahr noch um einiges schlimmer geworden war. Aber auch dafür war St.John-Smith irgendwie mitverantwortlich. Das spürte er insgeheim, und diese vage Erinnerung an den einen Satz von seinem Intimfeind bestätigte ihn noch zusätzlich. Die Frage, wie man ihn zu diesem gefühllosen Killer gemacht hatte, interessierte ihn momentan jedoch immer weniger. Es konnte warten; es war ohnehin nicht zu ändern. Aber er wollte den Mann finden, den er dafür verantwortlich machte. Er wollte ihn finden und ein für alle Mal beseitigen. Egal wie. Egal, welche Folgen das haben würde. Es musste passieren.

      Das Problem war nur, St.John-Smith zu finden. Dass seine Internetrecherche nach dem Neuseeländer keine großen Ergebnisse liefern würde, war Fox vorab bereits klar gewesen. Aber es musste doch eine Möglichkeit geben, an ihn heranzukommen, ohne seinen Arbeitgeber in die Sache mit einzubeziehen. Inwiefern er dem ESS und seinen Vertretern noch trauen konnte, war ihm zu diesem Zeitpunkt unklarer denn je. Auch darüber würde er sich zu gegebenem Zeitpunkt Gedanken machen müssen, aber nun war sein einziger Anhaltspunkt der tote Amerikaner. Niemand würde die Nummer eines Verbrechergenies einfach auf seinem Handy speichern, wenn er nicht nah an ihm dran war. Natürlich konnte es auch sein, dass der Mann in der Kontaktliste des Amerikaners gar nicht DER William St.John-Smith war. Der Name war zwar spezieller als einfach John Smith, trotzdem würde es sicherlich mehr als einen auf der Welt geben. Allerdings schien die Vermutung abwegig, gerade in diesem Kontext, wo der Amerikaner doch offensichtlich selbst ein Verbrecher gewesen sein musste.

      Es hieß also, über ihn an das Ziel heranzukommen. Nur wie? Fox hatte weder einen Namen, noch irgendwelche Hinweise auf die Art der Verbindung zwischen den beiden. Ziemlich sicher war nur, dass der Mann aus den Vereinigten Staaten stammte. Aus einem südwestlichen Bundesstaat, dem Akzent nach zu urteilen. Aber ohne einen Namen brachte jede weitere Mutmaßung nichts.

      Fox durchforstete das Internet nach Berichten über den Vorfall, der sich heute Morgen im Madrider Hotel Ritz ereignet hatte. Die örtlichen Zeitungen hatten alle etwas darüber in ihren Web-Auftritten, aber kein Artikel beinhaltete einen Namen. Es war immer nur von dem „Hotelgast“ die Rede. Er suchte noch in den offiziellen Polizeiberichten, aber auch dort fand sich nichts. Wie sollte er es anstellen? Wie konnte er weiterkommen? Fox hatte einfach keine Ahnung und allein diese Tatsache machte ihm zu schaffen. Natürlich konnte er an den Tatort zurückkehren und nach Hinweisen suchen. Er konnte in der Lobby die Bücher am Empfang überprüfen, in der Hoffnung, dass der Mann unter seinem richtigen Namen eingecheckt hatte. Aber all das war riskant. Zu riskant in seiner aktuellen Situation. Man hatte ihn beim Betreten des Hotels gesehen und niemand würde ihn beim Verlassen erkannt haben. Also war er der Hauptverdächtige. Keine gute Ausgangslage für weitere Nachforschungen vor Ort.

      Allmählich gingen ihm die Ideen aus. Die Verbindung zu St.John-Smith war ohnehin nur vage und so wie sich die Situation darstellte, konnte er nicht einmal auf weitere Informationen über den Amerikaner im Ritz hoffen. Nüchtern betrachtet hatte er keine Chance, seinen Plan weiter zu verfolgen. In Gedanken ging Fox ein letztes Mal die Anhaltspunkte durch, die sich ihm boten. Er hatte den Auftrag vom ESS, der ihn überhaupt erst auf diesen Mann angesetzt und zu ihm geführt hatte. Aber von dort konnte er keine Hilfe erwarten, wenn er vorerst auf eigene Faust handeln wollte. Er war dem Mann im Hotel Ritz begegnet, aber dorthin konnte er nicht zurück und demnach keine weiteren Hinweise sammeln. Er wusste – abgesehen von einer Vermutung über dessen Herkunft – nichts über den Mann. Lediglich die offensichtliche Verbindung zu seinem großen Widersacher schien weitere Hinweise zu geben. Aber diese Information hatte er aus dem Handy des Toten, dem einzigen Gegenstand, der irgendwelche Angaben über den Amerikaner liefern konnte. Und ausgerechnet dieses Handy war nun genauso nutzlos wie alles andere, weil es zu früh den Geist aufgegeben hatte…

      Fox schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Wie konnte er nur so blöd sein? Er zog das sperrige Handy aus der Jackettasche und ging zu dem kleinen Tresen, der wie eine Durchreiche das Internetcafé mit dem Büro des Inhabers verband. Da sich nichts tat, drückte er den Knopf der kleinen Klingel auf dem Tresen. Ein dicklicher Spanier kam in sein Blickfeld.

      -„Sí?“, brummte der Mann.

      -„Tiene un cargador para este teléfono?“ Haben Sie ein Ladegerät für dieses Handy?

      Fox reichte dem Spanier das klobige Telefon. Der Mann betrachtete es kurz, legte es auf den Tresen und verschwand dann wortlos. Als Fox sich gerade fragte, ob das Schweigen vielleicht gleichbedeutend mit einem „nein“ gewesen war, kam der Spanier zurück. Er reichte Fox ein ebenso altmodisches Ladegerät wie das Handy.

      -„Diez!“, fügte er gelangweilt hinzu.

      Fox reichte ihm einen zehn-Euro-Schein. Der Spanier nickte bestätigend und verschwand wieder in seinem Büro. Eine Weile stand er noch so da und betrachtete das Gerät, dann ging Fox zurück zu seinem gemieteten Computer. Er verband das Ladegerät mit dem Handy und steckte den Stecker in eine Steckdose. Sein Puls beschleunigte sich, als das Handy vibrierte und auf dem Bildschirm ein Lade-Symbol erschien.

      Nach wenigen Minuten schon trennte er das Ladekabel wieder vom Handy. Er öffnete das Menü Letzte Anrufe und scrollte die Liste hinunter. Bei der Eintragung mit St.John-Smiths Namen blieb er stehen und betätigte die Wahltaste. Ein endlos langer Moment verstrich, dann zeigte die Anzeige den Verbindungsaufbau an. Fox hielt sich das Handy ans Ohr. Ein Dreiklang ertönte, dann eine weibliche Computerstimme: „Number unobtainable!“ Die Prozedur wiederholte sich und Fox beendete resigniert die Verbindung. Was war passiert, dass es diese Nummer nicht mehr gab? War das bereits eine Reaktion auf die Ermordung des Amerikaners? Fox versuchte sein Glück noch auf einem anderen Weg: Er tippte die angezeigte Nummer in das Feld zur GPS-Ortung in seinem iPhone. Es dauerte mehrere Suchdurchläufe, aber auch diese Aktion ergab nichts.

      Verärgert stieß Fox die Luft aus. So nah dran und doch kein Ziel in Sicht. So allmählich wurde es schwierig. Gelangweilt klickte er sich weiter durch die Anrufliste. Er erinnerte sich an das Telefonat, das der Amerikaner kurz vor ihrer Begegnung geführt hatte. Die Nummer des Teilnehmers hatte Fox sogar abfotografiert. Zumindest noch eine weitere Spur.

      Diesmal dauerte der Verbindungsaufbau noch erheblich länger. Nach einer quälend langen Minute meldete sich ein Anrufbeantworter, der jedoch keinerlei Information über den Besitzer des Anschlusses preisgab. Fox versuchte auch hier die GPS-Ortung. Und tatsächlich: Sie klappte. Das Handy war zuletzt irgendwo in Mexiko eingeschaltet gewesen. Fox speicherte diese Information. Im Moment brachte sie ihm recht wenig, aber sobald er mehr wusste, konnte sie noch nützlich werden.

      Beim Durchforsten der Anrufliste war er währenddessen bei dem Frauennamen angekommen. Marcy. Klang amerikanisch, vermutlich die Freundin des Toten. Eigentlich sollte man über sie doch einige Informationen rausfinden können, die halfen. Aber es war sicher besser, nicht vom Handy des Amerikaners aus anzurufen. Die Wahrscheinlichkeit, etwas herauszubekommen, wenn er sich als Kollege ausgab, erschien ihm weitaus größer. Also nahm Fox sein iPhone und wählte die in dem anderen Handy unter Marcy gespeicherte Nummer.

      Bereits nach dem ersten Freizeichen meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Fox wurde erst nach einigen Sekunden klar, dass es sich dabei um einen automatischen Anrufbeantworter handelte.

      -„Bienvenido a Banco B. Esta es la conexión con nuestro gestor del fondo Alex Nogales. Desafortunadamente, nadie en el departamento está disponible actualmente. Deje un mensaje, por favor.” Ein Piep-Ton folgte und Fox beendete die Verbindung.

      Es handelte sich also keineswegs um die Nummer einer Frau. Der Anschluss gehörte einem Àlex Nogales, einem Fondsmanager bei der Banco B. Leicht irritiert betrachtete Fox sein iPhone. Wie passte