Rayan - Im Auge des Sturms. Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738038460
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Sie Miriam – ich darf Sie doch Miriam nennen? – es tut mir wirklich leid! Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, dass ich normalerweise keiner dieser Männer bin, die Frauen unterdrücken?“

      Er klang so aufrichtig, dass Miriams Blick bereits ein wenig sanfter wurde. Sie seufzte: „Also gut, ich glaube Ihnen.“

      „Miriam, erlauben Sie mir als Wiedergutmachung, Sie zum Essen einzuladen! Das Restaurant im Hotel am Flughafen ist wirklich gut.“

      Zweifelnd sah Miriam zu ihm hinüber – meinte er das ernst? Womit wollte er sie einladen? Wenn sie ihn so ansah, sah er derangiert aus und außerdem hatte er keinerlei Papiere, geschweige denn Geld oder Kreditkarten bei sich. Das wusste sie von Weber, der Rayan höchstpersönlich durchsucht hatte.

      Als Rayan ihren zweifelnden Blick über seine Person gleiten sah, lachte er leise.

      „Sie glauben doch nicht, dass ich so nach Hause reise? Und außerdem – wie sollte ich ohne jegliche Papiere fliegen?“, er lachte wieder, jetzt tatsächlich amüsiert. „Keine Angst. Ich habe alles durchdacht. Das ist alles im Hotel hinterlegt – Papiere, Kreditkarten, Kleidung.“

      Nun musste auch Miriam lachen – dieser Mann schien ständig die Kontrolle zu haben und auf alles vorbereitet zu sein. Sie spürte, dass sie begann, sich für ihn zu interessieren. Und noch dazu sah er blendend aus. Was sprach also dagegen, dass sie mit ihm essen ging? Immerhin hatte sie sich das nach diesem bescheidenen Tag verdient. Sie würde sich auf seine Kosten so richtig kulinarisch verwöhnen lassen! Nachdem was sie über ihn erfahren hatte, würde es keinen Falschen treffen. Und wenn er darauf bestand, sein Verhalten auf diese Weise wieder gut zu machen? An ihr sollte es nicht liegen.

      „Also gut. Ich komme mit. Aber wenn Sie mir noch mit einem einzigen sexistischen Wort kommen, gehe ich auf der Stelle“, willigte Miriam schließlich ein.

      Rayan lächelte zufrieden: „Keine Angst – ganz fest versprochen, dass ich Sie gut behandeln werde. Es wird nur passieren, was Sie auch wollen.“

      Einen Moment lang hatte Miriam wieder Zweifel. Hatte sie einen Unterton gehört? Was meinte er mit dieser Aussage? War das etwa zweideutig gemeint? Aber dann sagte sie sich, dass sie müde war und nur Gespenster hörte.

      2005 - Zurück in Alessia - Späte Erkenntnis

      Das Wiedersehen zwischen Raschid Aziz und Taib verlief herzlich. Beide Männer hatten bereits die Hoffnung aufgegeben, sich jemals wiederzusehen. Mit einem zunehmenden Maß an Verlegenheit hörte der frisch Gerettete die Geschichte des plötzlichen Erscheinens des Scheichs in der Kanzlei und seine spontane Hilfsbereitschaft. Dann gab Raschid noch einige andere erstaunliche Erzählungen über Rayan zum Besten und je mehr Taib hörte, desto mehr begann er, sich bezüglich seines Verhaltens zu schämen.

      Einen Tag später tauchte Leila dann unvermittelt bei ihnen auf. Sie wollte unbedingt die Geschichte von Sara hören. Sie konnte keinen Frieden finden, solange sie nicht im Detail erfuhr, wie es ihrer Freundin ergangen war. Vergeblich hatte sie Rayan bekniet, mit ihr zu kommen, und sie hatten sich fast gestritten, weil sie ihm vorwarf, sich nicht mehr für Sara zu interessieren. Doch der Scheich hatte genug von dem undankbaren Anwaltsgehilfen.

      Und so erzählte Taib im Beisein von Raschid und Leila seine Geschichte:

      Wie sie bereits vom Vater gehört hatten, war Sara schwanger. Für Taib die schönste Nachricht seines Lebens. Er wollte entsprechend ihre Pläne zu heiraten beschleunigen. Eigentlich hatten sie warten wollen, bis Sara mit dem Studium fertig war und einen Beruf gefunden hatte.

      Sie waren so sehr in ihrem Glück gefangen, dass ihnen die geschockte Reaktion von Saras Vater entging. Beziehungsweise hatten sie unterschätzt, wie sehr dieser seinen Ruf bedroht sehen könnte. Als dann Sara eines Tages plötzlich verschwunden war, begab sich Taib sofort auf die Suche nach ihr. Der Vater sah die Chance, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und ließ die Information durchsickern, wo Sara hingebracht worden war. Im Lager Mahmouds kam es zur Auseinandersetzung. Es war der Banditenanführer selbst, der schließlich sein Messer zog, um Taib zu töten. Im letzten Moment warf sich Sara in seinen Arm, um ihren Geliebten zu retten. Die Klinge drang in ihren Körper ein und tötete sie auf der Stelle. Wutentbrannt über den Verlust seiner neuen Ehefrau, für die er schließlich bezahlt hatte, beschloss Mahmoud Taib als Sklaven abzurichten und auf dem nächsten Markt zu verkaufen. Dessen Sturheit hatte ihm aber das Leben zur Hölle gemacht, bis Rayan ihn befreit hatte.

      Eine Weile schwiegen alle drei.

      Dann sagte Taib etwas verlegen: „Und ich habe es Rayan gedankt, indem ich ihn auch noch beleidigt habe.“

      Sowohl Leila als auch Raschid sahen ihn mit großen Augen an. Als Taib dann kleinlaut gestand, was er ihm an den Kopf geworfen hatte, wurde Leila wütend: „Du bist der dümmste Esel, der hier herumläuft. Hätte ich das gewusst, hätten wir dich in der Wüste verrotten lassen! Und ich streite mich fast mit Rayan, weil er keine Lust hatte, mit hierher zu kommen. Jetzt weiß ich wieso. Was hat Sara eigentlich an dir gefunden!“

      Tränen blitzten in Leilas Augen und Taib verstand die Welt nicht mehr. Sicherlich, er hatte sich schlecht benommen, aber das war es doch nicht wert, deswegen so ein Theater zu machen?

      Als Leila schließlich aufsprang, um zu gehen, hielt Taib sie zurück: „Leila bitte. Was hab ich denn falsch gemacht? Bitte sag es mir!“

      „Weißt du Taib, eines Tages erzähle ich dir vielleicht MEINE Geschichte. Dann wirst du sehen, dass auch ich mein Leben Rayan verdanke. Und in der Zwischenzeit kann ich dir nur empfehlen, dich über den Mann, den du da so schnell abgeurteilt hast, besser zu informieren.“

      Als sie schon fast zur Tür hinaus war, wendete sie sich noch einmal um: „Ich habe gehört, du könntest ein guter Anwalt sein – jetzt weiß ich: Das bist du NICHT! Denn du lebst keineswegs nach dem Grundsatz: ‚unschuldig, bis das Gegenteil erwiesen ist‘. Und jetzt leb wohl!“

      Taib starrte noch eine ganze Weile auf die geschlossene Tür.

      02.02.2015 - München: Flughafenhotel - Eine weitere Einladung

      Miriam konnte es nicht fassen. Das ganze Ausmaß des abgekarteten Spiels, dessen Teilnehmerin sie unfreiwillig heute Nachmittag geworden war, hatte sie nun nach und nach erst durchschaut.

      Kaum am Flughafen angekommen, waren sie direkt dort zum Hotel gegangen, wo der Scheich an der Lobby seelenruhig einen Umschlag in Empfang nahm, der seine Wertsachen wie seine Breguet-Uhr, Papiere, Handy, Kreditkarten und Bargeld enthielt.

      In ihrem Beisein rief er mit diesem Mobiltelefon seine Männer an und informierte sie, dass „alles wie geplant gelaufen sei“.

      Dann ließ er sie durch einen Angestellten des Hotels hinauf ins Restaurant geleiten. Er selbst wolle sich kurz frischmachen, schließlich trug er noch immer seine vom Niederknien durchweichte und wieder getrocknete Hose. Also suchte er zuerst ein ebenfalls vorreserviertes Zimmer auf.

      Als sie alleine am Tisch saß, kamen ihre Zweifel wieder. Dieser ihr vollkommen unbekannte Mann hatte heute Nachmittag eine unglaubliche Show abgezogen – teilweise auf ihre Kosten! Wollte sie wirklich nun hier mit ihm sitzen? Würde er überhaupt wiederkommen, oder war das womöglich auch noch Teil seines Spiels?

      Sie nutzte die Zeit, um in ihrem Handy via Internet einige Informationen über Scheich Rayan Suekran herauszufinden. Was sie fand, ließ in ihr den Wunsch wachsen, sie hätte diesem Abendessen niemals zugestimmt. Mit einem Schlag wurde ihr klar, dass sie es mit einem der einflussreichsten Männer ihrer Heimat zu tun hatte. Und nicht nur dort, auch hier in München schienen durchaus wichtige Persönlichkeiten nach seiner Pfeife zu tanzen. Gerade wollte sie aufstehen, um ganz schnell das Hotel zu verlassen, da stand Rayan plötzlich wie aus dem Nichts neben ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören.

      Er lächelte sie so strahlend an, dass sie völlig vergaß, was sie gerade hatte tun wollen.

      Und wie sehr hatte er sich verändert!