Rayan - Im Auge des Sturms. Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738038460
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Hatte er alles richtig gemacht?

      Jassim, der ausnahmsweise nicht die Rolle des Copiloten einnahm, denn Rayan war ja ohne ihn mit einer Zwei-Mann-Besatzung in München angekommen, zuckte die Achseln, lehnte sich entspannt zurück und schloss die Augen, um zu schlafen. Sie hatten alles genau nach Plan durchgeführt, wie Rayan es ihnen aufgetragen hatte, mehr konnten sie nicht tun. Es lag nicht in seinem Charakter, sich jetzt noch weitere Gedanken zu machen. Sie würden schon sehen, was weiter passierte.

      Tahsin dagegen fragte ungeduldig: „Und was machen wir jetzt?“ Hanif lächelte ihm beruhigend zu: „Jetzt warten wir. Mehr können wir nicht mehr für ihn tun. Dein Vater hat uns ja versichert, dass er uns anrufen wird, sobald er im Hotel ist und sein Telefon wieder hat.“ Er sagte es mit mehr Zuversicht, als er selbst verspürte, denn auch in ihm blieb ein Restzweifel bestehen.

      Er sah auf die Uhr und begann zu rechnen. Etwa um 12 Uhr 20 waren sie am Seehaus aufgebrochen. Das war auch die Zeit, als die Polizei dort eingetroffen war. Jetzt war es 15 Uhr.

      Also zweieinhalb Stunden plus die Zeit, die der mysteriöse Kontaktmann noch benötigen würde, um Rayan herauszuholen. Hanif schätzte, dass sie noch mindestens eine Stunde auf Rayans Anruf warten mussten, trotzdem starrten sie zu dritt – mit Ausnahme von Jassim - in diesem Moment wie gebannt das Telefon an der Wand des Learjet an, als könnten sie den Anruf herbeizaubern.

      Hanif grübelte, wie es ihrem Herrn in dieser Zeit wohl ergangen sein mochte. In einem arabischen Gefängnis konnte diese Zeit sehr lang und durchaus unangenehm werden. Aber er wusste, dass in Deutschland wohl eher moderatere Befragungsmethoden zu erwarten waren. Vermutlich machte sich Rayan gerade ein Spaß aus seiner Situation – das hoffte Hanif zumindest.

      2005 - In der Wüste weit vor Alessia - Ein gebrochenes Wort

      Am nächsten Tag im Morgengrauen griffen die Männer Mahmouds an. Entgegen ihren Versprechungen waren sie nicht bereit, den Tod ihres Anführers hinzunehmen.

      Etwa fünfzehn Mann näherten sich, als es noch fast dunkel war. Wie Schatten glitten sie geduckt heran. Sie hofften, die Tarmanen einkesseln und vom Rand der Senke aus abschießen zu können.

      Doch die Wachposten waren auf der Hut. Rayans Männer gelang es, den Spieß umzudrehen: Flach auf dem Rand der Kuppe liegend, nahmen sie ihrerseits die herannahenden Banditen ins Visier.

      Es war Ibrahim, der das Zeichen zum Angriff gab. Mit ihren hochmodernen, gut gepflegten Waffen hatten sie auf Mahmouds Männer angelegt und eröffneten nun zeitgleich das Feuer.

      Fast die Hälfte überlebte die erste Salve nicht. Als vier weitere Banditen ihr Leben aushauchten, flohen die anderen in panischer Unordnung.

      Auf Seiten der Tarmanen dagegen gab es lediglich zwei Verletzte. Einer hatte einen glatten Durchschuss in die Schulter eingefangen, ein weiterer einen Streifschuss am Kopf.

      Ismael versorgte die Verwundeten, während sich der Rest der Männer darum kümmerte, die Leichen der Feinde zu begraben.

      Drei von Mahmouds Männern waren verwundet zurückgeblieben, doch sie konnten nun mit keiner Gnade mehr rechnen. Ihnen war einmal das Leben geschenkt worden, jetzt wurden sie bedenkenlos mit einem Kopfschuss ins Jenseits befördert.

      Taib hatte in seinem Zelt bereits das Schlimmste befürchtet. Er hatte um eine Waffe gebeten, um sich im Zweifelsfalle verteidigen zu können. Doch in seinem Zustand war ihm auch noch ein anderer Punkt durch den Kopf gegangen: Er wollte keinesfalls nochmals in die Hände der Angreifer fallen. Lieber hätte er sich selbst hingerichtet, als noch einmal Ähnliches durchmachen zu müssen.

      Rayan hatte seiner Bitte entsprochen und ihm eine Pistole zukommen lassen. Er ahnte, was in ihm vorging.

      Entsprechend erleichtert war Taib über den reibungslosen Verlauf des Kampfes. Die Tarmanen hatten ihm somit zum zweiten Mal das Leben gerettet. Auch begriff er nun, dass diese, nur um ihm zu helfen und seinem angeschlagenen Zustand Rechnung zu tragen, ihrer aller Leben riskiert hatten.

      02.02.2015 - München: Polizeirevier - Das Verhör

      Es war bereits 14 Uhr 15, als sie endlich ankamen. Man verfrachtete Rayan in einen Vernehmungsraum und ließ ihn warten. Der Kommissar nannte das „schmoren lassen“, Rayan nannte es zufrieden „Zeitgewinn“.

      Er überlegte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis Hanif endlich bei seinem Freund vom Innenministerium anrufen würde. Langsam verging ihm die Lust an diesem Spiel, aber er zwang sich zur Ruhe.

      Erst eine halbe Stunde später trat die Beamtin Miriam in das kleine Zimmer.

      „Ist es wirklich so furchtbar, mit mir zu sprechen?“, versuchte sie es erneut. „Ich will Ihnen doch nur helfen.“

      Weber kam in den Raum mit einem Becher Kaffee, doch anstatt ihn Rayan anzubieten, trank er ihn selber. „Wie albern“, dachte sich Rayan und diesmal machte er sich keine Mühe, sein Grinsen zu unterdrücken. Er war inzwischen gelangweilt und wollte sich die Zeit verkürzen, indem er den Mann ein wenig provozierte.

      Und prompt funktionierte dies besser als erhofft, denn der polterte an die Frau gewendet los: „Fragen Sie ihn, warum er auf einmal so blöd grinst!“

      Als Miriam etwas höflicher die Frage in Arabisch wiederholte, lächelte Rayan erneut. Trotzdem gab er keine Antwort. Das Versteckspiel machte ihm mittlerweile Spaß.

      Als er gerade wieder darüber nachgedacht hatte, wie weit er es wohl noch treiben musste, bis endlich der erlösende Anruf kam, riss endgültig der Geduldsfaden des Kommissars. Offenbar hatte sich Rayan sein Vergnügen zu sehr anmerken lassen.

      Auf einmal fast knurrend fragte er den Scheich: „Ach so, du findest das alles amüsant, ja? Warte nur, ich bringe dich für Jahre in den Knast wegen dreifachen Mordes - mal schauen, ob du dann immer noch grinsen kannst.“ Mit einer Geschwindigkeit, die Rayan dem Kommissar nicht zugetraut hätte, haute dieser mit der Faust vor ihm auf den Tisch. Einen Moment lang dachte Rayan wirklich, er würde ihn schlagen, doch der Kriminalbeamte hatte sich im Griff.

      Als er dann jedoch erneut nur herablassend grinste, stützte Weber sich mit beiden flachen Händen vor ihm auf die Tischplatte. Er kam mit seinem Gesicht ganz nahe an Rayan heran und zischte bedrohlich: „Dich arroganten Kerl kriege ich auch noch klein!“ Dabei war seine Aussprache so feucht, dass es sich nicht vermeiden ließ, dass einige Tröpfchen seines Speichels in Rayans Gesicht landeten. Der Kommissar, der lediglich hoffte, seinen Verdächtigen zu beeindrucken, bemerkte nicht, welche Grenze er damit, eigentlich aus Versehen, überschritt.

      Rayan spürte verblüfft den Speichel auf seiner Wange. Schlagartig war für ihn der spaßige Teil vorbei und er empfand diese Behandlung als Demütigung, was seinen Stolz regte.

      Er fühlte, wie heiße Wut in ihm hochstieg, die er nur mit Mühe bezwingen konnte. Doch bevor er sich wieder beruhigen konnte, traf ihn ein weiterer Redeschwall, inklusiver feuchter Aussprache. Diesmal hatte Rayan es zwar kommen sehen, doch verhindern konnte er ihn aufgrund seiner am Tisch befestigten Handschellen nicht.

      Seine Augen verengten sich. Wie üblich, wenn er wütend wurde, wurde das Blau in ihnen eine ganze Nuance dunkler. „Vorsicht Kommissar - Sie haben keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen! Der letzte Mann, der es gewagt hat, mir zu drohen, fand sich mit herausgeschnittener Zuge mitten in der Wüste wieder …“, sagte er hasserfüllt auf Arabisch. Obwohl der Kommissar seine Worte nicht verstanden haben konnte, zuckte er zurück. Rayans Körperhaltung strahlte nun unbändigen Stolz aus. Auch ohne weitere Erklärung war ihm klar geworden, dass dieser Mann Macht hatte. Hier saß jemand, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Und der wenig Spaß verstand, wenn diese missachtet wurden.

      Einen Moment lang war der Kommissar über die Veränderung in seinem Verdächtigen überrascht. Wen hatte er da nur vor sich? Und vor allem: War er zu weit gegangen?

      Miriam war blass geworden. Leise und mit zitternder Stimme übersetzte sie die Worte des Scheichs. Auch ihr war spätestens jetzt klar, dass hier kein gewöhnlicher