Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
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hatten.“

      Die Blaks und die Scorpios hassten einander. Es war nicht zu überhören, dass sie einander schlimmster Feind waren, wenn man mal von der Feindschaft zu den Thanatanen absah, die zumindest die Scorpios hegten. Angeblich hatten sich die Blaks also mit den Thanatanen verbündet, nachdem sie gemeinsam mit den Scorpios gegen diese gekämpft hatten. Die Geschichte wirkte so dermaßen mystisch, fast schon unglaubwürdig. Wieso gab es allem Anschein nach nur diese beiden mit Vernunft begabten Völker auf diesem nicht gerade kleinen Kontinent? Zwei Völker, beide ihres Zeichens nahezu unbesiegbare Krieger, beide von ähnlicher Stärke. Und sie standen im Krieg miteinander. Sie aßen einander …

      „Wann war das?“, versuchte sie noch einmal alle neuen Daten in eine verständliche Ordnung zu bringen. „Wann haben die Blaks euer Volk verraten und sich mit den Tisssahnen verbündet?“

      „Vor fünfhundert und einem Erinnerungssszssyklen und sssiebzssehn Sssonnenläufen…“

      Und ein Erinnerungszyklus umfasst 100 Sonnenläufe, erinnerte sie sich an das letzte Gespräch. Chara rechnete nach. Und fühlte, wie es unter ihrer Haut zu kribbeln begann.

      „Wieso habt ihr euch damals mit den Blaks verbündet?“

      „Sssie teilten dasss gleiche Ssschicksssal.“

      Schendru blieb stehen und sah sie an. Und zum ersten Mal sah sie etwas wie Betroffenheit in den groben Zügen seines Gesichts. „Die Tisssahnen haben unsssere beiden Völker unterdrückt und zssu Sssklaven ihresss Willensss gemacht.“

      Chara hielt den Atem an. Schendru setzte seinen Weg schweigend fort. Für’s Erste hatte sie genug gehört.

      Auch in den folgenden Tagen blieb Schendru ihr Mittler und Chara an ihm dran. Nachdem zwei andere der roten Scorpios, offensichtlich ein Paar aus Männlein und Weiblein, den Scorpios zu einer Entscheidung bezüglich ihrer Gefangenen verholfen hatten, erklärte er ihnen, dass es eine neue Vereinbarung zwischen den Scorpios und der Allianz geben sollte.

      Die Scorpios wollten, dass „die Fremden aus dem Norden“ zwischen ihnen und den Blaks einen Friedensvertrag aushandelten. Denn genau das war es, was die Scorpios tatsächlich erreichen wollten: endlich Frieden. Sollten sie diesen Pakt wider Erwarten herstellen, würden die Scorpios ihrerseits wenigstens fünfzigtausend ihrer Krieger als Verstärkung für die Allianz stellen. Allerdings gab es dafür ein paar Bedingungen:

      Erstens, die Blaks müssten ein ebenso großes Heer nach Amalea schicken. Zweitens, die Tisssahnen mussten garantieren, dass sie nie mehr einen Fuß auf diesen Kontinent setzen würden. Drittens, der Friede zwischen den Blaks und den Scorpios musste für immer gelten.

      „Nichts leichter als das“, hätte Chara am liebsten gesagt. Sie zögerte auf jeden Fall keinen Augenblick mit ihrer Zustimmung, was Siralen heftige Kopfschmerzen verursachte.

      „Wir haben keinerlei Garantie, dass wir auch nur eine der Bedingungen erfüllen können“, wandte sie leidenschaftlich ein, nachdem die Verhandlungen längst vorbei waren. Diplomatin, die sie nun mal war, hatte sie während des Gesprächs kein Wort über ihre Bedenken verloren. Es hätte ja auch sehr wahrscheinlich ihrer aller Tod bedeutet. Doch ihre Liebe zur Wahrheit wehrte sich vehement gegen die Tatsache, dass sie etwas versprachen, das sie sehr wahrscheinlich nicht einhalten konnten. Chara sah wiederum nur den Sieg des Augenblicks. „Jetzt und hier brauchen und haben wir eine Lösung“, warf sie zurück. „Den Rest überlegen wir uns später.“

      Schließlich hatte ihnen Schendru den Weg zu den Blaks erklärt, und sie vereinbarten einen Treffpunkt. Der Scorpio wollte sie wiedersehen – an der Grenze zwischen den Gebieten der beiden verfeindeten Völker.

      „Diessse Grenzsse zssieht sssich durch die Mitte desss Kontinentsss“, erklärte er. „Sssie trennt die Wüssste vom Dssschungelgebiet, das die Blaksss bewohnen. Die Grenzsse issst ein Gebirgssskamm. Ein weitesss, flachesss Tal ssspaltet den Gebirgssszssug in zsswei Teile. In diesssem Tal liegt der Ort Kuir.“

      „Was ist das für ein Ort?“, wollte Chara wissen.

      „Wir nennen ihn auch den Ort der Qualen.“

      Und da war sie wieder, diese Betroffenheit in seinen Kriegeraugen. Er sagte, dass die Scorpios alle einhundert Sonnenläufe dort hinwanderten, um sich „zu erinnern“. Woran sie sich erinnerten, und warum sie ihn den Ort der Qualen nannten, erläuterte er nicht weiter. Er behauptete nur, dort auf sie zu warten, nachdem sie mit den Blaks Kontakt aufgenommen und über ihr Friedensangebot verhandelt hatten.

      Am zehnten Tag nach der Schlacht im Wüstenkessel erreichten sie endlich die Küste. Sie verabschiedeten sich von Schendru und traten den Weg zum Strand an, wo sie zum Hauptstützpunkt zurückkehrten.

      Vor über fünfzigtausend Sonnenläufen … Solange war es also her, dass sich die Scorpios und Blaks verbündet hatten – gegen die Thanatanen, wohlgemerkt, die sie versklavt hatten.

      Fünfzigtausend. Diese Zahl hatte sich in Charas Verstand gebrannt. Diese Zahl war mittlerweile legendär. Vor ungefähr fünfzigtausend Jahren gab es eine Einwanderungswelle nach Amalea – aus dem Osten, wo es laut Al’Jebal noch eine unentdeckte Landmasse geben soll. Vor ungefähr fünfzigtausend Jahren sollten Landbewohner, „Zweibeiner“ wie die Menschen, laut Großkönig der Fischmenschen, den schwarzen Fluss im Meer erschaffen haben, der sich wie ein Gürtel um die angeblich runde Welt schloss. Und zwar nach einem Krieg auf einem Kontinent, der, man höre und staune, im Osten lag. Diese Welt war tatsächlich gewaltig. Und dann auch wieder nicht. Denn es sah fast danach aus, als wären die Thanatanen überall gewesen.

      „Endlich zurück zur Meerjungfrau“, schnaufte Irwin, als er mit den Expeditionskommandanten den Militärstützpunkt durch das Haupttor verließ. Der halbtägige Marsch durch die Wüste war erwartungsgemäß viel strapaziöser gewesen, als es einem Barden guttat. Die Hitze hatte Irwin MacOsborn den letzten Rest Muße aus dem Leib gebrannt. Er war also ganz und gar darauf angewiesen, von der Muse geküsst zu werden, und zwar buchstäblich.

      Bepackt mit seinem Rucksack schlurfte Irwin träge über den Strand auf das Drachenboot zu. Siralen neben ihm war da schon von erheblich flotterer Sohle. Die Elfe flog förmlich Richtung Strand. Wahrscheinlich hatte sie Sehnsucht nach ihrem Admiral. Chara ließ sich wiederum Zeit. Und das, obwohl ihr Betthäschen ebenfalls auf dem Kommandoschiff war und sich wahrscheinlich nach ein bisschen Flok-Sex sehnte.

      Oje, oje … bei dem Gedanken wurde ihm ganz anders. Seltsam eigentlich, wo er doch so überhaupt kein Angsthase war, wenn’s um’s andere Geschlecht ging. Aber die Flok? Die war schon noch mal ein anderer Brocken.

      Irwin bremste sich ein und ließ sich zu Chara und Kerrim zurückfallen. Der Blutsbruder war freilich auch mit von der Partie.

      „… werde mit Telos sprechen müssen. Seine Beliebtheit unter den Priestern könnte hilfreich sein.“

      Vorsichtshalber nahm Irwin wieder etwas an Geschwindigkeit auf. Die zwei Assassinen mussten ihn ja nicht unbedingt gleich bemerken. Abgesehen von seinen Pflichten als Barde hatte er nämlich auch noch eine Verpflichtung dem Brigadier gegenüber. Oder auch nicht …

      Ein Stich im Herzen erinnerte ihn daran, dass der Brigadier nicht länger unter den Lebenden weilte. Und der neue war weder sein Freund, noch war er ihm verpflichtet. Andererseits konnte es nicht schaden … Es war nur rechtens, dass er einen Einblick hatte. Der, der das Expeditionskommando in Sachen Ansehen und hin und wieder auch in militärischer Angelegenheit beriet, sollte auch alles wissen, was das Kommando wusste. Wie sollte er als Berater sonst effizient arbeiten?

      „Du waißt aber schon, dass Laurin MacArgyll ist derjenige, der sprechet für die Priesterschaften, Chara. Telos ist mittlerwaile die Nummer Żwai.“

      Ein scharfer Blick und ein anschließend breites Grinsen in seine Richtung, und Irwin zuckte zusammen. Mist, Ben Yussef hatte seine Augen und Ohren aber auch überall.

      Andererseits, er hatte genug gehört. Chara hatte wieder mal Ärger mit den Priestern, insbesondere mit dem Obersten von ihnen. Wenn er sich recht erinnerte, hatte MacArgyll die Flok kürzlich sogar besucht. Genau. Als er Charas Kajüte verlassen hatte, hatte Laurin