Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
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denn bloß? Sinn der Sache war doch, dass die Scorpios ihn verstanden. Und das würden sie bestimmt nicht, wenn er so leise redete.

      „Ssschangra war rot“, wandte sich Chara an den Roten beim Zelteingang und beantwortete damit die erste Frage der Scorpios, wobei sie den Namen genauso aussprach wie Al’Jebal, der ihn wiederum exakt so aussprach wie die Scorpios.

      „Er kämpfte an der Seite meiner Leute aus Freundschaft“, fuhr Chara fort und wiederholte damit wortwörtlich, was Al’Jebal sagte. „Dann wurde er schwach, krank und starb. Seine Lebensdauer war kurz.“

      „Wasss war er?“, hakte der Rote nach.

      „Er war ein Krieger. Er war einer eurer Anführer. Alle roten Scorpios sind Anführer. Ssschangra war stärker als die meisten von euch.“

      Von Kerrim war nichts zu hören.

      „Wasss ssseid Ihr?“

      Irwin beugte sich vor. Er hörte gerade noch, wie Chara fragte, ob Al’Jebal die Frage verstanden hatte. Die Antwort des Allianz-Sprechers hörte er nicht.

      „Ich bin ein Thanatane. In eurer Sprache, ein Tisssahne.“

      Ach sooo.

      Irwin spähte zu Siralen. Ein fassungsloser Blick seitens der Elfe. Sie wusste genauso wenig wie er. Und sie war genauso verwirrt wie er, als sie Al’Jebals Antwort hörte.

      „Doch ich bin ein Ausgestoßener. Ich habe mich von allen Thanatanen Amaleas abgewandt. Ich habe mein eigenes Gebiet, meine eigene Allianz.“ Chara sah dem Scorpio unverfroren in die Augen. Fast, als wäre sie es, die die Antworten lieferte.

      „Wir wollen Eure Leute hier nicht“, beharrte der Rote, und Chara sah wieder auf das Ding zu ihren und Kerrims Knien.

      Der arrogante Ton, den der Rote ihnen gegenüber angeschlagen hatte, hatte sich verflüchtigt. Seine Stimme war respektvoll, jedenfalls ein bisschen. Allerdings hatte sich auch so etwas wie Zorn eingeschlichen. Oder war es Verachtung? Irwin war sich nicht sicher.

      „Dann tötet sie“, kam Al’Jebals Antwort aus Charas Mund. „Doch beenden werdet ihr damit nichts. Es werden mehr von ihnen kommen. Aber das haben euch meine Leute ja bereits gesagt.“

      Chara blickte auf, direkt in das Gesicht des Scorpios. „Lasst ihr sie am Leben, garantiere ich euch hingegen Sicherheit. Niemand meiner Allianz wird Fuß auf euren Boden setzen. Wir lassen euch in Ruhe.“

      Der Braune und der Rote schossen Blicke hin und her. Draußen heulte der heiße Wüstenwind.

      „Und die anderen? Die, die gegen euch kämpfen?“, nahm der Rote die Fragerei wieder auf.

      „Mein Angebot gilt nur für die Allianz“, gab Chara Al’Jebals Worte weiter. „Für unseren Feind kann ich nicht sprechen.“

      Der Rote rümpfte die Nase, und kurz sah es aus, als würde er sich über sich selbst ärgern. „Mit euren Feinden werden wir fertig.“

      Das sagte er, sein Gesicht erzählte etwas anderes. Er wirkte aufgewühlt. Genauso wie sein brauner Freund. Die beiden tuschelten zischelnd miteinander. Irwin stieß ein verzweifeltes Seufzen aus. Wieso gaben sie nicht einfach nach? Was hatten sie denn davon, wenn sie ihre Gefangenen töteten?

      „Weshalb hast du mich da hineingezogen, Chara?“

      Chara stierte in die metallischen Augen, die ihren Blick einmal mehr in einen Sog zwangen. Wieso wusste Al’Jebal, was sie mit den Scorpios gesprochen hatten? Er hatte alle Antworten parat gehabt, als wäre er dabei gewesen, als sie und Siralen dem Verhör unterzogen worden waren.

      „Wenn ich dich nicht miteinbezogen hätte, wäre ich jetzt tot.“

      „Du hättest auch ohne meine Hilfe überlebt.“

      „Dieses Mal nicht.“

      Chara griff sich an die Phiole, die sie an einem Lederband um den Hals trug. Der „Lauschangriff“ ihres ehemaligen Namai musste damit zu tun haben. Das mächtige Artefakt, das er in einem unterirdischen Raum Tamangs versteckte, konnte es jedenfalls nicht sein. Seine Ausdehnung beschränkte sich, soweit sie wusste, auf Amalea.

      Al’Jebal sah aus, wie sie ihn seit ihrem letzten Gespräch in Erinnerung hatte. Nur die schreckliche Narbe an seinem Hals war verschwunden. Al’Jebal … Nalsa La’Labej … Der Richter, wie ihn seine ehemaligen Freunde von Chaosseite nannten, heute der Alte vom Berg, Sprecher der Allianz und Anführer aller, die der Ordnung huldigten … Chara fragte sich, ob ihr ehemaliger Meister auch eine Chaostätowierung hatte, so wie Hakkinen Dragati, Garon Kostolem, der Magier in Cair Urd und verblüffenderweise sogar der konfuse Fusulos Konfusius, Zauberkundiger und Sprengstoffexperte in Al’Jebals Elite, offensichtlich ehemaliger Anhänger des Chaos. Und falls Al’Jebal keine mehr hatte … Wie hatte er sie wegbekommen?

      Ein leises Rasseln riss sie aus ihren Gedanken.

      „Lasst meine Leute gehen“, reagierte Al’Jebal. Chara wiederholte seine Forderung. „Ihr gewinnt damit Sicherheit.“

      Der Rote schloss die Augen. Der Braune musterte ihn. Klar, nach allem, was Al’Jebal gesagt hatte, hatte der Rote das Sagen.

      Chara war, als würde die Luft im Zeltinneren an Dichte gewinnen. Eine Schweißperle trat ihr auf die Stirn. Sie sah Al’Jebal an. Er sah zurück. Sein Blick sprach zu ihr. Sie verstand nur nicht, was er ihr sagen wollte. Doch es fühlte sich an, als läge darin etwas Versöhnliches. Immerhin war ihr letztes Gespräch nicht ihr bestes gewesen. Sie hatte aufbegehrt, er hatte sie freigesprochen. Danach, „Ende der Durchsage“. Doch jetzt, jetzt sah es aus, als würde ihr Al’Jebal erneut ein Versprechen abnehmen.

      Komm zu mir zurück.

      Chara atmete tief ein, und kurz war ihr, als würde sie seinen unverwechselbaren Geruch wahrnehmen. Das werde ich.

      Der Rote nickte und hob seine gewaltigen Hände, als wollte er ein Angebot unterbreiten. Was er dann genaugenommen auch tat. „Wir lasssen Eure Leute gehen.“

      Al’Jebal sagte nichts. Wahrscheinlich, weil er wusste, dass der Scorpio noch nicht fertig war.

      „Aber sssie müsssen sssofort unssser Land verlasssen. Sssie bekommen fünf Sonnenhälften Zssseit. Dann müsssen ihre Ssschiffe verssschwunden sssein.“

      „Danke“, erwiderte Al’Jebal schnörkellos, und Chara wiederholte für den Rest. „Dafür … und dafür, dass ihr unseren Feind bekämpfen werdet, wenn er zu euch kommt.“

      Aha …

      „Im Gegenzug habt ihr mein Wort, dass die Allianz euch in Ruhe lassen wird. Für immer.“

      Erneut wirkten die Scorpios beunruhigt. Aber das war ja auch Sinn und Zweck der Übung. Damit waren die Verhandlungen zu Ende. Chara fokussierte ihren ehemaligen Namai.

      „Es liegt nun an dir. Finde einen Weg, sie zu Verbündeten zu machen.“ Al’Jebal sah sie an, als gäbe es nur noch sie beide in dem riesigen Zelt. „Beobachte sie. Erkenne sie. Lerne von ihnen.“

      „In fünf Tagen?“

      „In fünf Tagen.“

      Chara nickte. Das Bild über der Kugel flackerte. Dann zog Kerrim die Hand zurück und der Kontakt riss ab.

      „Verdammet!“, knirschte er. „Ich kħrieg jedes Mal ain staifes Genick, wenn ich soll wieder mal straichelen diese Kħugel aine ħalbe Ewigkait.“

      Chara ignorierte ihn. Sie hatte Siralens Blick aufgefangen und sah das Fragezeichen zwischen den schmalen Augen der Elfe.

      „Ihr könnt jetzssst gehen und euren Leuten sssagen, dasss sssie auch gehen sssollen“, wandte sich der Rote an Kerrim. „Die hier bleiben alsss Geissseln vorläufig hier.“ Er wollte sich gerade aufmachen, dem Braunen aus dem Zelt zu folgen, da tastete sich zögernd etwas an Charas Gehirnwänden entlang. Sie spürte, wie ihr Verstand danach fischte, den Gedanken aber nicht richtig zu fassen bekam. Er wurde drängender, zupfte und zerrte an ihren Nerven. Dann rastete er ein.

      „Wartet!“