Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
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      Über Darceans Nase bildete sich eine strenge Falte und seine schöne Stimme wurde beschwörend. „Chara?“

      Fast hatte Siralen es erwartet – dieses schiefe Lächeln. Chara hatte die Neigung, in den unpassendsten Momenten zu lächeln.

      „Weil ich mit einem ihrer Informanten geredet habe“, folgte die befürchtete Antwort.

      „Geredet oder verhandelt?“ Darcean wollte es ganz genau wissen. Zu recht.

      „Verhandelt.“

      Jetzt konnte Siralen nicht länger an sich halten. „Worüber?“ Sie steuerte direkt auf Chara zu, ignorierte die beiden Leibwachen, die drohend ihre Stabkeulen hoben. „Was genau hast du mit ihnen verhandelt? Welches Angebot hast du ihnen gemacht, Chara?“

      Die Antwort kam ohne Zögern. „Sicherheit innerhalb der Flotte. Möglicherweise eine Aufnahme in die Allianz.“

      „Helolilejen!“ Siralen schlug sich die Hand vor den Mund. „Wofür, bei allen Weisen des Alleinen?“

      Das halbe Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch. „L’Incartos Aufenthaltsort … zum Beispiel.“

      „Dann hatte Lindawen also recht, als er sagte, einer von euch beiden würde lügen. Dann kam die Spur nicht von den Assassinen …“

      „Was?“ Chara sah aus, als hätte ihr jemand die Drogenpfeife aus dem Mund gerissen. „Was hat Lindawen gesagt?“

      Siralen ließ resigniert die Schultern sinken. „Du oder Kerrim … Er sagte, einer von euch beiden würde lügen, als ihr behauptet habt, die Assassinen hätten Lucretias Aufenthaltsort gefunden.“

      Zwischen Charas Augen tauchten selten gesehene Fältchen auf.

      „Dann hast du also tatsächlich mit diesem Arkan Buruschaskij verhandelt, bevor er starb?“, hakte Siralen nach.

      „Er starb, bevor ich den Handel abschließen konnte.“ Sie wandte sich ab. „Frag doch Lindawen, wie er starb. Ich bin sicher, er kann dir diesbezüglich genauestens Auskunft geben.“

      Siralen spürte, wie die Last auf ihren Schultern von Augenblick zu Augenblick schwerer wurde. „Denkst du etwa, Lindawen hätte den Dragatisten Arkan Buruschaskij ermordet?“

      „Ich kann’s nicht beweisen …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber es liegt auf der Hand.“

      „Nachdem der Dragatist Arkan Buruschaskij nun tot ist, mit wem verhandelst du jetzt?“, mischte sich Darcean erneut ein.

      Chara bedachte ihn mit einem fast schon mitleidigen Blick.

      „Ich verstehe. Deinen Informanten gibst du nicht preis. Aber du erwartest von deinen Mitstreitern, dass sie dir und …“ Er brachte doch tatsächlich etwas zustande, das nach einem Schnauben klang … „Vergib mir meinen Zynismus … deinen Verbündeten, allesamt nichts Harmloseres als die fanatischen Anhänger eines Chaosgottes, vertrauen. Du willst von uns, dass wir in diesen hanebüchenen Handel einwilligen, uns einverstanden erklären, dass sich Dragatis sehr wahrscheinlich geistesgestörte Anhängerschaft offen und uneingeschränkt in unserem Flottenverband aufhalten und bewegen darf. Hab ich das richtig verstanden?“

      „Ja“, lautete die einsilbige Antwort. „Nur so werden wir den verdeckt agierenden Chaosbündnis-Mitgliedern habhaft werden, die diese Mission jederzeit sabotieren können.“

      Darcean nickte langsam. „Ich bin gar nicht so sehr geneigt, diesen Handel für blanken Irrsinn zu halten, wenn dieser das auch ist. Vielmehr sehe ich in ihm einen unverzeihlichen Vertrauensbruch dem restlichen Kommando gegenüber, und die Gefahr, dass du dir selbst eine Vormachtstellung in betreffendem Kommando einräumst. Du hast diese brand­gefährliche Entscheidung getroffen, ohne Siralen oder ein anderes Kommandomitglied ins Vertrauen zu ziehen.“

      Chara erwiderte nichts. Stattdessen machte sie sich, ihre Leibwachen im Schlepptau, auf den Weg zur Tür. Bevor sie wie ein Nachtschatten verschwand, hielt sie allerdings inne.

      „Ich will, dass ihr beide in Ruhe über meinen Vorschlag nachdenkt. Am Ende spielt es nämlich keine Rolle, ob ich euch hintergangen habe oder nicht. Es zählt nur eines. Diese Mission wird unmöglich zu erfüllen sein, wenn wir Verräter unter uns haben, die sie jederzeit zum Scheitern bringen könnten. Und wir haben keine Alternative, um diese Verräter zu finden und unschädlich zu machen.“

      Damit flog die Tür auf, und die Assassinin blieb ein weiteres Mal stehen. „Ach ja. Ich glaube, ich hab eine Möglichkeit gefunden, wie wir den Slarpon von deiner Schulter entfernen können, Darcean. Es ist allerdings eine, die voraussetzt, dass du andernfalls ohne jeden Zweifel draufgehst.“

      „Kurz, es ist eine Möglichkeit, die tödlich enden könnte“, erwiderte Darcean.

      „Nein, es ist eine, die tödlich enden wird. Jedenfalls vorübergehend.“ Der schwarze Mantel flatterte durch die Tür, diese fiel ins Schloss und Stille kehrte ein.

      Siralen holte bebend Luft. Sie hatte ihre Entscheidung bereits getroffen. Es würde nicht einfach werden, aber es war an der Zeit, dass jemand Chara in ihre Schranken wies.

      „Darcean …“ Sie setzte sich zurück auf ihren Stuhl und dämpfte ihre Stimme zu einem Murmeln.

      Auf dem Weg zu ihrer Kajüte traf Chara Irwin MacOsborn, der gerade die Treppe von der Steuermannskajüte ins erste Unterdeck gehopst kam. Als er sie von den Mannschaftsunterkünften aus den Korridor betreten sah, blieb er abrupt stehen. Dann setzte er seinen Weg pfeifend fort. Er wollte gerade in seiner Kajüte abtauchen, da pfiff Chara ihn zurück.

      „Na, MacOsborn? Was gibt’s Neues?“ Es war so offensichtlich, dass es sie förmlich ansprang. Irwin hatte mitbekommen, worüber in der Messe geredet worden war. Wahrscheinlich hatte er am Poopdeck rumgelungert.

      „N… nichts“, stammelte er. Chara trat so nahe an ihn heran, dass ihrer beider Nasen fast einander berührten.

      „Ich verrate nichts, versprochen!“, brach es aus Irwin hervor. „Ich werde den Mund halten, gaaanz sicher!“

      „Worüber denn?“

      „Über das, was Ihr über die Draga…“

      Charas Hand glitt wie selbstverständlich an seine Kehle. „Ich sagte, wo-rü-ber, MacOsborn?“

      „NICHTS! Über gar nichts!“

      Chara lächelte und zog ihre Hand zurück. „Na dann …“ Freundschaftlich klopfte sie ihm auf die Schulter. „Bis bald, MacOsborn.“

      Sie ließ den Propagandaspezialisten und Militärberater im Korridor stehen und verschwand in ihrer Kajüte. Ein Blick zum Bett, und sie fühlte die altbekannte Hilflosigkeit. Wieso konnte sie ihn nicht einfach vor die Tür setzen? Es würde alles einfacher machen.

      Da saß er. Auf ihrem …, falsch, ihrer beider Bett. Sie bewohnten ja seit geraumer Zeit dieselbe Kajüte. Und bis heute hatte ihr dieses Arrangement gefallen. Wenn es im vergangenen Mond auch still zwischen ihnen beiden geworden war. Aber jetzt, da sie wusste, dass er Siralen gewarnt hatte … gewarnt vor ihr, Chara, und Kerrim. Andererseits, Lindawen hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er ihr nicht traute. Er hatte es ihr gegenüber sogar eingestanden. Und sie hatte ihn angelogen und beteuert, sie hätte ihre Informationen von den Assassinen. Eigentlich war er es, der zornig auf sie sein müsste. Doch stattdessen hatte er sie, als er ihrer geheimen Identität auf die Schliche gekommen war, gedeckt. Und, was noch absurder gewesen war, ihr seine Liebe gestanden.

      Chara seufzte, öffnete ihren Waffengürtel und ließ ihn samt Dolchscheiden und Peitsche in die Ecke neben der Tür fallen.

      „Ich nehme an, du warst in privater Angelegenheit in der Flotte unterwegs.“

      Lindawen brachte ein unfertiges Lächeln zustande. „Ja.“

      „Ging es dabei um mich oder um Elfenangelegenheiten?“

      „Um dich.“

      Chara