Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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und du bist so weit weg in Frankreich. Aber sag, was führt dich her? Bist du zu Besuch, willst du bleiben, was machst denn du mit dem Ebereschenhof?«

      Die Fragen prasselten nur so auf die junge Frau ein, die von Minute zu Minute erschöpfter aussah. Endlich gelang es ihr, auch zu Wort zu kommen. »Lisa, ich freu mich auch, dich zu sehen, aber lass uns ein anderes Mal weiterreden. Ich bin gerade erst angekommen und will jetzt zum Hof hinauf. Ich ruf dich an, ja?«

      »Sehr vernünftig!«, mischte sich jetzt Sebastian ins Gespräch. »Wenn Sie schon keine ärztliche Untersuchung wünschen, dann werde ich wenigstens dafür sorgen, dass Sie sicher nach Hause kommen und sich ausruhen. Ich fahre Sie, und ich untersage Ihnen jegliche Widerrede! Das ist eine ärztliche Anordnung!«

      »Und sogar rezeptfrei«, antwortete Marie. Sie hatte ihre Fassung wiedergewonnen und auch ihren Humor, aber trotzdem wollte sie jetzt nichts wie weg hier. Die Ankunft in ihrem Heimatort hatte sie sich wesentlich ruhiger und unauffälliger vorgestellt! So schnell wie möglich bezahlte sie ihre Einkäufe und verließ in Begleitung des Doktors das Geschäft.

      Lisa schaute ihr mit einem seltsamen Gesichtsausdruck hinterher. Das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden, und auch der Ausdruck ihrer blauen Strahleaugen hatte sich merklich verändert.

      So, so, die Marie Höfer, verheiratete Madame Legrand, war also wieder im Ort.

      Und auffallend allein, ohne ihren Ehemann, einen gewissen Franzosen namens Fabian Legrand. Und wenn man’s recht bedachte, war Marie auch schon zu den Beerdigungen ihrer Eltern ohne Begleitung erschienen. Tat man so etwas, wenn man glücklich verheiratet war? Mit einem hinreißenden Mann, charmant, reich, großzügig … der es zwar mit der Treue nicht so genau nahm, aber schließlich konnte man nicht alles haben, nicht wahr?

      »Marie, du schaust so aus, als ob deine glücklichen Tage ziemlich rar geworden sind«, murmelte Lisa, und endlich kehrte das Lächeln auf ihre roten Lippen zurück. Es war ein Lächeln, das einem aufmerksamen Beobachter einen Schauer über den Rücken hätte rieseln lassen.

      »Hast was gesagt?« Eine weitere junge Frau tauchte neben der Blondine auf. Es war Fanny Lechner, die Besitzerin des Lebensmittelgeschäfts. Sie, Marie und Lisa waren gemeinsam hier zur Schule gegangen, und Fanny war Kundin in Lisas Schönheits- und Friseursalon Glamour. »Anstatt herumzustehen und Löcher in die Luft zu starren, könntest du schon helfen, die Dosen wieder einzusammeln!«, meinte sie resolut.

      Ungläubig schaute Lisa zu ihr hinunter, die bereits am Boden kniete. »Etwa mit diesen Fingernägeln?«, fragte sie. Ihre Hände mit den sorgsam geformten Gelnägeln und den glitzernden Verzierungen wedelten vor Fannys Gesicht herum. »Wohl eher nicht! Tschau, tschau, Fanny.« Damit stöckelte Lisa aus dem Laden.

      »Pfiat di, Lisa«, grummelte Fanny und widmete sich dem Wiederaufbau ihrer Konservendosen.

      *

      Inzwischen hatten Sebastian Seefeld und die junge Frau den Ebereschenhof erreicht. Er lag außerhalb des Ortes auf einem sanften Hügel und bot einen herrlichen Ausblick auf die Sternwolkenseen. Seinen Namen hatte der Hof von zwei mächtigen Ebereschen, die sich rechts und links des Wohnhauses in den Himmel reckten. Im Herbst, wenn die roten Beeren reiften, musste es ein beindruckendes Bild sein. Der Hof selbst war ein kleineres Anwesen, nicht modern, aber gut in Schuss gehalten. Nur vereinzelt zeigten sich Spuren davon, dass hier in den letzten Jahren Menschen gelebt hatten, die nicht mehr zu anstrengender körperlicher Arbeit in der Lage gewesen waren.

      Sebastian hatte auf der kurzen Autofahrt geschwiegen, um der jungen Frau Gelegenheit zu geben, etwas zur Ruhe zu kommen. Als er den Korb mit den Lebensmitteln auf die alte Hausbank gestellt hatte, meinte er entschuldigend: »Ich glaube, inmitten des Durcheinanders habe ich mich gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Sebastian Seefeld.«

      »Und Sie sind Arzt. Dann müssen Sie der Sohn vom alten Doktor sein«, antwortete Marie. »Ich habe schon gehört, dass er seine Praxis abgegeben hat. Es freut mich, Sie kennenzulernen.«

      »Ganz meinerseits«, lächelte Sebastian, »obwohl mir eine weniger schmerzhafte Art besser gefallen hätte. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als ob ich so für neue Patienten sorgen wolle!«

      »Kein Problem, das denke ich nicht von Ihnen«, entgegnete Marie. »Und nun vergessen Sie’s endlich, es sind nur ein paar blaue Flecken.«

      »Nun gut, dann bin ich fürs erste beruhigt. Aber wenn noch irgendetwas sein sollte, dann melden Sie sich sofort, versprochen, Frau Legrand?«

      Marie nickte zerstreut. Sie nestelte ein Schlüsselbund aus ihrer Tasche und öffnete umständlich die Haustür, die alt und verzogen war.

      »Gut, wenn ich im Augenblick nichts mehr für Sie tun kann, dann fahre ich jetzt zurück. Auf Wiedersehen, Frau Legrand.«

      »Auf Wiedersehen!«, grüßte Marie zurück. Sie wich dem Blick des Doktors aus und fuhr stattdessen gedankenverloren mit der Hand über die verzogene Haustür. Plötzlich hob sie den Kopf und rief zum Auto hinüber. »Vielleicht können Sie doch noch etwas für mich tun? Sie kennen doch hier jedermann, ich bin gestern erst nach über zehnjähriger Abwesenheit nach Hause gekommen. Ich suche einen guten Zimmermann, hier gibt es allerhand Holzarbeiten zu verrichten. Können Sie mir jemanden empfehlen?«

      »Das kann ich«, antwortete Sebastian prompt und ging zum Haus zurück. Aus der Brieftasche holte er seine Visitenkarte und notierte auf der Rückseite einen Namen und eine Telefonnummer. »Benjamin Lauterbach«, sagte er. »Bei uns drüben im Doktorhaus hat er einige Umbauten vorgenommen, als meine Tochter und ich zum Vater gezogen sind. Dieser Lauterbach arbeitet gut und zuverlässig, ich kann ihn wirklich wärmstens empfehlen.«

      »So, Benjamin Lauterbach«, wiederholte Marie. »Einen fähigen Handwerker kann ich hier wirklich gut gebrauchen.« Zum ersten Mal schien etwas von ihrer Anspannung abzufallen.

      »Den bekommen Sie in ihm!«, versicherte Sebastian. »Also dann, bis demnächst unter anderen Umständen.«

      »Danke«, sagte Marie, »sowohl fürs Heimbringen als auch für den Tipp mit dem Zimmermann.« Sie winkte leicht mit der Visitenkarte. Dann holte sie tief Luft und fügte hinzu: »Und übrigens, ich heiße nicht mehr Legrand. Ich trage wieder meinen Mädchennamen, Marie Höfer.«

      Sebastian wirkte weder besonders erstaunt noch besonders interessiert wegen dieser Information. Er winkte kurz zum Abschied und fuhr vom Hof.

      Marie Höfer, geschiedene Legrand, setzte sich auf die ausgetretene Türschwelle und schaute hinüber in den Ort. Dir mag es ja egal sein, wie mein Name lautet und was das bedeutet, dachte sie. Aber ich kenne einige Leute hier, für die diese Nachricht der reinste Leckerbissen sein wird. Mir werden die Ohren klingen von all dem Gerede! Das wird kein leichter Neubeginn. Wie gut, dass es ein paar Menschen gibt, auf die ich zählen kann. Da sind zum Beispiel die Leute aus dem Doktorhaus, die Fanny kenne ich auch noch von früher und natürlich meine stürmische Lisa. Sie ist zwar manchmal ziemlich laut und vielleicht auch etwas aufdringlich, aber das macht nichts, es ist halt ihre Art. Ich freue mich, dass ich hier noch eine alte Freundin habe!

      Von diesem Gedanken getröstet, sammelte Marie ihre Sachen zusammen und betrat ihr stummes Elternhaus.

      *

      »Grüß Gott!«

      Im Friseursalon Glamour drehten sich ausnahmslos alle Köpfe um, als diese Worte von einer unglaublich tiefen und volltönenden männlichen Stimme ausgesprochen wurden. Begonnen bei der alten Frau Ederer mit ihrem schlohweißen Haar bis hin zu Jeanette, der neuen Auszubildenden, erschien strahlendes Lächeln auf allen Gesichtern. Der Mann, der diese gebündelte weibliche Aufmerksamkeit auf sich zog, war in der Tat eine Augenweide!

      An die zwei Meter groß, breitschultrig, mit einem kräftigen Körperbau und dennoch schlank. Man sah diesem Mann an, dass er harte, körperliche Arbeit gewohnt war, und dennoch wirkte er nicht schwerfällig. Seine Art, sich zu bewegen, erinnerte an die kraftvolle Anmut eines schreitenden Löwen. Seine Haarpracht war dicht und üppig und leuchtete in einem satten Dunkelblond, durchzogen von einigen braunen Strähnen. Ein gepflegter Bart bedeckte Wangen und Kinn. Seine Augen unter den dichten Brauen leuchteten