Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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es war eine Mischung aus Bergamotte und Lavendel, sommerwarmen Zypressen und Kreidefarben. Sie trug eine schmale, schwarze Leinenhose und eine Seidentunika in den Farben eines verblassenden Sonnenuntergangs, und sie leuchtete.

      Sophia war nicht sehr erfreut, dem Orgelbauer hier zu begegnen. Über seinen Auftritt in der Kirche hatte sie sich geärgert, aber sie bemühte sich, das jetzt nicht zu zeigen. Sie unterhielt sich mit der Familie und stellte fest, dass sowohl Sebastian als auch sein Vater nicht nur interessante Gesprächspartner, sondern auch sehr charmant waren.

      Leander bemerkte, dass es für ihn nicht so einfach war, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Seine Unfreundlichkeit gegenüber der italienischen Malerin tat ihm leid, aber das mochte er hier nicht ansprechen. Jetzt locker mit ihr zu plaudern, als wäre nichts gewesen, empfand er auch als nicht richtig. Also schwieg er meistens und begnügte sich mit der Rolle des Zuhörers.

      »Erlauben Sie mir eine Frage?«, wandte sich Benedikt Seefeld an die Künstlerin. »Wie kommt es, dass Sie so gut Deutsch sprechen? Selbst wenn ich Italienisch lernte, würde ich es auch nach vielen Jahren nicht so perfekt sprechen können.«

      Sophia Corelli lächelte. »Das ist eine Vorliebe, die von den Frauen in meiner Verwandtschaft weitergegeben wird«, antwortete sie. »In unserer Familie flüstert man einander etwas von einer heimlichen Liebesgeschichte zwischen meiner Ur-Urgroßmutter und einem deutschen Kunstmaler zu. Niemand weiß, ob diese Geschichte stimmt. Tatsache ist, dass Grande-Bisnonna Francesca ein kleines Mädchen mit bemerkenswert blauen Augen und einem ebenso bemerkenswerten Talent zum Malen zur Welt gebracht und eine deutliche Vorliebe für die deutsche Sprache entwickelt hat.«

      »Dann fühlen Sie sich hier vielleicht nicht so fremd, und falls doch, dann kommen Sie uns besuchen«, bot Sebastian mit einem charmanten Lächeln an. »Abends allein in einem Hotelzimmer zu sitzen ist nicht immer angenehm.«

      »Das ist schön, danke! Ich werde sicherlich darauf zurückkommen«, antwortete Sophia.

      Inzwischen hatte sich das Abendrot hinter die Wälder verzogen, und der Himmel wurde unmerklich dunkler. Man entzündete Kerzen in den Windlichtern, und als die Sprache auf Musik und die Orgel kam, wurde Leander gebeten, etwas auf dem Flügel zu spielen. Die Fenster vom Wohnzimmer öffneten sich in die warme Sommernacht, und Kerzenschimmer fiel auf die Rosen, welche die Terrasse säumten. Die Gespräche wurden von den leisen Klängen herrlicher Musik begleitet, die Leander zum Leben erweckte.

      Sophia erzählte aus ihrer toskanischen Heimat, und Sebastian und Emilia aus der Zeit, als die Familie noch in Kanada gelebt hatte. Irgendwann wurde die Tafel aufgehoben, und die Gäste verabschiedeten sich. Während Traudel und Benedikt die Spülmaschine einräumten und die restlichen Lebensmittel verstauten, löschten Sebastian und seine Tochter die Kerzen, brachten Kissen und Decken ins Haus und verriegelten die Türen.

      »Diese beiden Künstler sind wirklich interessante Menschen«, meinte Sebastian. »Ich hoffe, Leander geht noch ein wenig aus sich heraus und erzählt mehr von seinem Beruf. Ich weiß zwar in ganz groben Zügen, wie eine Orgel gebaut wird, trotzdem grenzt es für mich an Zauberei, diese Klänge damit erzeugen zu können.«

      »Ja, dieses Können bewundere ich auch sehr!«, antwortete Benedikt. Dann verabschiedete er sich von den anderen und ging in sein Schlafzimmer hinauf. Auch Traudel zog sich in ihre eigene kleine Wohnung zurück.

      Sebastian und Emilia trödelten zwischen dem Bad und ihren Zimmern hin und her und unterhielten sich über den Abend. Das junge Mädchen wirkte sehr locker, fast ein wenig aufgekratzt, und ihr Vater meinte liebevoll: »Na, dir scheint der Abend ja besonders gut gefallen zu haben, Emilia.«

      »Hat er auch!«, bestätigte Emilia. »Und vor allen Dingen finde ich diese Sophia so richtig, richtig nett. Irgendwie erinnert sie mich an Mama.«

      »Tatsächlich?« Sebastian war überrascht. »Aber sie sieht Mama doch gar nicht ähnlich.« Seiner goldenen Helen mit den strahlend grauen Augen, die sie ihrer Tochter vererbt hatte. »Mama sah ganz anders aus als Sophia Corelli«, sagte er weich.

      »So meinte ich das nicht«, antwortete seine Tochter. »Sie ähneln sich nicht im Aussehen, sondern irgendwie anders. Beide sind doch Malerinnen, so der künstlerische Typ. Mama hätte sich bestimmt auch prima mit ihr verstanden. Und ist dir aufgefallen, dass sie das gleiche Parfum benutzt, das Mama auch hatte?«

      Sebastian verspürte einen Stich. Helens Duft – begann er ihn zu vergessen?

      Emilia, mit den Gedanken noch in der Vergangenheit, kicherte plötzlich. »Ich meinte das Parfum, das du ihr mal zu eurem Kennenlerntag geschenkt hast. Es muss ziemlich teuer gewesen sein, und es roch so toll. Ich wollte es auch benutzen, und dann ist es mir im Bad auf die Fliesen gefallen, und der Flakon ist zerbrochen. Mama war so sauer auf mich! Sie hat mit mir geschimpft, weil ich ohne zu fragen an ihre Sachen gegangen bin. Ich hab furchtbar geheult, und dann tat Mama alles leid, und wir sind in die Stadt gefahren, um ein riesiges Versöhnungseis zu essen.«

      »Und ich habe ihr am nächsten Tag einen neuen Flakon mitgebracht und dir etwas Fruchtig-Frisches, ganz allein für große kleine Mädchen«, erinnerte Sebastian sich.

      »Bist eben ein toller Papa, du – Genie!«, grinste seine Tochter und gab ihm einen dicken Gutenachtkuss, ehe sie in ihrem Zimmer verschwand.

      Sebastian blieb noch für einen Augenblick in Gedanken versunken im Flur stehen. Diese Sophia Corelli – war es nur die unbewusste Erinnerung an das Glück mit Helen, das diesen Abend auch für ihn so besonders schön gemacht hatte?

      *

      Währenddessen waren Sophia und Leander zum Hotel Sonnenhof hinüber gegangen, in dem ihre Zimmer auf sie warteten. Kurz vor dem erleuchteten Eingang blieb der Mann plötzlich stehen. »Hören Sie, Signora Corelli«, begann er.

      »Sophia, bitte!«, unterbrach ihn die Frau.

      »Also, Sophia, ich möchte mich entschuldigen! Es tut mir leid, dass ich heute Morgen so unfreundlich war und Sie quasi aus der Kirche hinauswerfen wollte. Ich hatte ja keine Ahnung, wer Sie sind, und dass Sie selbst dort arbeiten wollen. Hoffentlich hat dieser blöde Anfang unsere Zusammenarbeit nicht gefährdet.«

      »Wir werden sehen!«, antwortete sie und ging weiter. Nach zwei Schritten blieb sie stehen und schaute über die Schulter zu ihm zurück. »Danke für Ihre Entschuldigung, die war nötig.«

      Lachten ihre dunklen Augen ihn aus? Er konnte es in dieser Beleuchtung nicht genau erkennen.

      Im Hotel saß eine sehr junge Frau, offensichtlich eine Aushilfe, am Tresen und blätterte in einer Zeitschrift. Auf ihrem Namensschild prangte der Name Shakira Plaschke. Sie war müde, schlecht gelaunt und gelangweilt, als die beiden Restauratoren das Hotel betraten und um die Schlüssel baten. Mit einem mürrischen: »Hier, bitte, Zimmer Nr.4!«, legte sie einen Schlüssel auf den Tresen.

      »Entschuldigung?«, versuchte es Leander, nachdem Shakiras Aufmerksamkeit gleich wieder der Zeitschrift galt. »Ist das nun der Schlüssel für Signora Corelli oder für mich?«

      »Wie!«, raunzte Shakira. »Das ist Ihr Schlüssel!«

      Leander und Sophia schauten sich an. »Aha«, meinte die junge Frau. »Wenn dieses der Zimmerschlüssel von Herrn Florentin ist, wo bleibt dann meiner?«

      Shakira knallte die Zeitschrift zu. Sie war gerade bei den Fotos einer Promihochzeit angekommen und hatte absolut keine Lust, sich davon weiter ablenken zu lassen. »Wieso Ihr Schlüssel? Sie haben ein Doppelzimmer!«

      »Nein, haben wir nicht!«, antworteten Sophia und Leander wie aus einem Mund und sehr entschieden.

      »Sie werden jetzt die Buchung überprüfen«, sagte Sophia kühl, »und feststellen, dass ich ein Einzelzimmer gebucht und bestätigt bekommen habe!«

      »Dasselbe gilt für mich!«, erklärte Leander.

      Alles andere als freundlich und entgegenkommend, schaute Shakira in die Unterlagen und zog einen Flunsch. Seitens der Hotelleitung war alles ordnungsgemäß gebucht, aber die junge Aushilfe hatte sich nur flüchtig die Anreise zweier Restauratoren gemerkt und ihnen ein Doppelzimmer gegeben.