Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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jetzt nicht mehr testen lassen?«

      »Doch, natürlich, ich werde auch weiterhin kräftig die Werbetrommel rühren. Es geht doch nicht um meine Befindlichkeiten, es geht darum, dass Kerstin gesund wird, und alles, was ich dafür tun kann, werde ich auch tun.«

      »Verzeih, dass ich dir diese Frage überhaupt gestellt habe«, entschuldigte sich Sebastian. Matthias hatte nichts mit diesem Egoisten Arndt Weißmüller zu tun, er war ausschließlich an Kerstins Wohl interessiert. »Wir sehen uns, bis dann«, verabschiedete er sich von Matthias und stieg in seinen Wagen. Sie gibt dem Falschen den Vorzug, dachte er, als er losfuhr und im Rückspiegel sah, mit welch sehnsuchtsvollem Blick Matthias zu Kerstins Fenster hinaufschaute.

      *

      Die Bergmoosbacher hatten Kerstin auf dem Fußballplatz gesehen, und Sebastian hatte damit gerechnet, dass sie zahlreich ins Gemeindehaus kommen würden, um sich testen zu lassen, aber mit diesem Andrang hatte er nicht gerechnet. Auch in den Nachbarorten sprachen die Leute über das Schicksal der jungen Trainerin, und viele wollten helfen.

      Im großen Saal des Gemeindehauses, einem schönen alten Fachwerkbau gleich hinter dem Rathaus gelegen, kümmerten sich Sebastian, Benedikt, Gerti und Anna um die Proben. Sie trugen weiße Kittel und Handschuhe und wussten genau, was zu tun war. Alles ging reibungslos vonstatten. An beiden Enden des Raumes war ein langer Tisch aufgebaut, an dem einen standen Sebastian und Anna, an dem anderen Benedikt und Gerti. Emilia und Traudel hatten die Aufgabe, darauf zu achten, dass nicht vor einem Tisch zu großer Andrang herrschte, während an dem anderen Leerlauf war.

      Anstrengend wurde es für die beiden gegen Mittag, als das Sonnenlicht durch die südlichen Fenster hereinfiel, den Raum aufheizte und nun jeder an den Tisch von Sebastian und Anna drängte, der an der Nordseite des Saales im Schatten lag.

      »Glück gehabt«, sagte Traudel, als bald darauf Wolken aufzogen und die Sonne sich hinter ihnen versteckte. Sie zupfte die Puffärmel der weißen Bluse zurecht, die sie unter ihrem Dirndlmieder trug, und wandte sich wieder der Eingangstür zu, durch die die nächsten Freiwilligen hereinströmten.

      »Heute Abend falle ich todmüde ins Bett, dieses ewige Stehen ist total nervig«, seufzte Emilia und lehnte sich an einen der Holzpfeiler, die in der Mitte des Raumes bis zur Decke reichten.

      »Schön, dass auch ihr euch für eine rege Teilnahme eingesetzt habt«, wandte sich Traudel an Elvira Draxler, die mit einigen Damen des Landfrauenvereins im Gefolge gleich darauf in den Saal hereinmarschierte.

      »Das ist doch selbstverständlich, so einem netten Madl helfen wir gern«, erklärte Elvira.

      »Du kannst dorthin«, sagte Traudel und machte Elvira eine große Freude, als sie auf den Tisch deutete, an dem Benedikt Seefeld stand, den sie wie viele Damen ihres Alters anhimmelte.

      Matthias, der zu den ersten am Morgen gehört hatte, die sich als Spender zur Verfügung stellen wollten, blieb den ganzen Tag im Gemeindehaus. Er sammelte die verschlossenen Glasröhrchen mit den Abstrichen an den Tischen ein und lagerte sie in den Kartons, die sie in einem kühlen Nebenraum aufbewahrten.

      Bis zum späten Nachmittag kamen die Menschen aus Bergmoosbach und den umliegenden Dörfern, um sich an der Aktion für Kerstin zu beteiligen. Am frühen Abend holte ein Kleintransporter des Labors, das mit der Klinik zusammenarbeitete, die gepackten Kartons ab. Der Inhaber des Labors war Mitglied im Bergmoosbacher Golfclub und mit Benedikt befreundet. Er hatte versprochen, die Auswertung zu beschleunigen.

      Sebastian telefonierte nun jeden Tag mit Moritz, um sich nach Kerstins Gesundheitszustand zu erkundigen, und Moritz versicherte ihm, dass sie stabil sei und dass einer Übertragung nichts im Wege stand, sollte sich ein Spender finden.

      Anna fuhr, so oft es ihr möglich war, zu Kerstin ins Krankenhaus, und sie telefonierte jeden Tag mit Matthias, der sich große Sorgen um Kerstin machte. Ein paar Tage nach dem Test im Gemeindehaus traf sie sich mit ihm im Café auf dem Marktplatz, und sie bestärkten sich gegenseitig, dass alles gut werden würde. Sie hatten einen der Tische erobert, die unter der dichtbelaubten Kastanie standen, was bei der spätsommerlichen Hitze sehr angenehm war.

      »Ich begreife es immer noch nicht, dass sie mir erst Hoffnungen macht und mich dann zurückstößt«, sagte Matthias, nachdem er von der kühlen Zitronenlimonade getrunken hatte, die Anna und er sich bestellt hatten.

      »Sie wollte sich auf einen Traum einlassen, aber es war ein Traum, den sie nicht leben kann, hat sie heute zu mir gesagt.«

      »Sie hätte es wenigstens versuchen können. Das ist Sebastian, vielleicht gibt es Neuigkeiten. Hallo, Sebastian«, meldete er sich sofort, als sein Handy läutete und die Nummer der Praxis Seefeld aufleuchtete.

      »Matthias, könntest du gleich in die Praxis kommen?«, fragte Sebastian.

      »Ich bin schon unterwegs. Ich muss los, Sebastian möchte etwas mit mir besprechen. Vielleicht hat er noch eine andere Idee, wie wir Kerstin helfen können.«

      »Du bist eingeladen«, sagte Anna lächelnd, als Matthias sein Portemonnaie zückte.

      »Das nächste Mal zahle ich«, entgegnete Matthias und eilte davon. Er war sicher, dass Sebastian ihn nicht zu sich bestellt hätte, wenn es nicht wichtig wäre. »Tut mir leid, ich habe nicht aufgepasst«, entschuldigte er sich, als er beinahe mit Emilia zusammenstieß, die mit einem Paket Druckerpapier aus dem Schreibwarenladen kam.

      »Nichts passiert«, erwiderte das Mädchen, die ihren Trainer kurz zuvor noch zusammen mit Anna im Café gesehen hatte und jetzt auf dem Weg zu den beiden gewesen war. »Hallo, Anna, was ist denn mit Matthias los?«, wollte Emilia wissen und blieb neben dem Brunnen stehen, als ihr gleich darauf auch die junge Hebamme entgegenkam.

      »Er hat einen Termin mit deinem Vater.«

      »Schade, dass er schon fort ist, ich wollte euch beiden etwas zeigen.«

      »Und was?«, fragte Anna.

      »Sieh dir das an.« Emilia legte das Druckerpapier auf den Brunnenrand und zog ihr Smartphone aus der Tasche ihrer Jeans. »Lizzy hat mich auf einen interessanten Zeitungsartikel aufmerksam gemacht.« Sie rief die Internetseite einer Münchner Zeitung auf und gab Anna das Telefon.

      »Der Mann ist wohl gar nicht von sich eingenommen.« Anna konnte kaum glauben, was sie da sah.

      »Arndt Weißmüller, ein Mann mit Anstand und Herz«, lautete die Schlagzeile über dem Artikel.

      Darunter waren zwei Fotos abgebildet. Das eine zeigte Arndt zusammen mit Kerstin auf ihrem Krankenbett, auf dem anderen stand er mit einem Koffer in der Hand vor dem Schrank neben ihrem Bett.

      »Trotz der schweren Krankheit von Kerstin R. hält Arndt Weißmüller zu ihr und wird auch die geplante Verlobung nicht absagen.« Das war der erste Satz in dem nachfolgenden Bericht, den jemand verfasst hatte, der beeindruckt von Arndt Weißmüllers Großherzigkeit in den höchsten Tönen über ihn schrieb.

      »Lizzy meint, der Kerl benutzt Kerstins Krankheit als Werbung für sich und seinen Laden.«

      »Womit sie recht hat. Tu mir einen Gefallen, Emilia, zeige das Matthias lieber nicht«, bat Anna das Mädchen.

      »Stimmt, es würde ihm nur wehtun. Schade, dass aus den beiden nichts geworden ist. Die Schwabinger finden, dass dieser Arndt überhaupt nicht zu Kerstin passt. Ich würde zu gern wissen, ob er sich auch als möglicher Spender für sie hat testen lassen. Bei uns in Bergmoosbach habe ich ihn jedenfalls nicht gesehen. Du?«

      »Nein, ich habe ihn auch nicht gesehen.«

      »Ich denke, ich werde mal Papa und Opa fragen, ob sie sich an ihn erinnern. Bis bald, Anna, ich habe es ein bisschen eilig, ich muss noch ein Referat ausdrucken.«

      »Über was hast du denn geschrieben?«

      »Weiße Blutkörperchen. Unsere Klasse wollte mehr über Kerstins Krankheit wissen, deshalb besprechen wir jetzt dieses Thema.«

      »Ich wünsche dir viel Erfolg, grüße deine Familie.«

      »Auf bald«, sagte Emilia uns sauste davon.