Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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war es nicht.«

      »Traudel möchte, dass du heute mit uns zu Abend isst.«

      »Nur Traudel?«

      »Nein, wir alle«, antwortete Sebastian und betrachtete sie mit einem liebevollen Lächeln.

      Noch bevor sie das Haus der Seefelds erreichten, erhielt Anna einen Anruf von Kerstin, die ihr von Matthias‘ Heiratsantrag erzählte und dass er es war, der sie gerettet hatte. Jetzt war es offiziell, und jeder durfte es wissen.

      An diesem Abend brannte noch lange Licht in der Küche der Seefelds, und da es ein Freitag und am nächsten Tag keine Schule war, durfte auch Emilia länger aufbleiben.

      »Es gibt noch ein Happy End, das auch Papa zu verdanken ist«, erzählte Emilia, als sie in diesem Moment eine SMS von Lizzy erhielt.

      »Was ist ihm denn noch gelungen?«, fragte Anna und streifte Sebastian mit einem zärtlichen Blick.

      »Lizzy hat sich gewünscht, dass ihre Eltern ein bisschen mehr Zeit mit ihr verbringen, so wie Papa mit mir. Ich habe ihr geraten, dass sie ihnen das so lange sagen muss, bis sie es begreifen. Das hat sie wohl gemacht. Sie ist gerade mit ihnen in Wien und sie ist super happy, weil sie sich schon mit ihrem Freund treffen durfte, der dort wohnt.«

      »Und das ist mein Verdienst?«, fragte Sebastian.

      »Wuff«, machte Nolan, der langausgestreckt neben Emilias Stuhl lag.

      »Da hast du die Antwort, mein Sohn«, sagte Benedikt, und dann mussten alle über Nolans passenden Kommentar herzlich lachen.

Cover Künstler unter sich

      »Ja, habt ihr denn schon diesen eigenartigen Wagen bemerkt, der seit Stunden drüben beim Herrn Pfarrer steht?« Die alte Ederin wies auf den gegenüberliegenden Parkplatz, und die Damen in Fanny Lechners Lebensmittelgeschäft reckten interessiert die Hälse. »Hat man hier so was schon gesehen!«

      »Hübsch, nicht wahr?« Traudel, die gute Seele des Doktorhauses, guckte ganz unschuldig zwischen den Packungen mit verschiedenen Müslis hervor. »Bissl altmodisch und gemütlich. Ist halt mal etwas anderes, gell?«

      »Na, ich weiß nicht recht.« Frau Eder rückte ihre Brille zurecht und musterte unschlüssig die gegenüber liegende Straßenseite. »Schaut so ein Auto aus?«

      Das Gefährt, über das man sich angeregt unterhielt, unterschied sich wirklich sehr von den anderen Wagen, die auf dem Parkplatz standen. Es ließ sich nicht genau sagen, ob es ein Wohnwagen, ein Wohnmobil oder einer dieser wunderschönen, alten Wagen war, mit denen früher die Landfahrer unterwegs gewesen waren. Irgendwie schien es eine Mischung aus allem zu sein.

      Seine hölzernen Außenwände waren zu silbrigem Grau verwittert, die unterteilten Fenster und die hübsche alte Tür in einem warmen, dunklen Grün gestrichen und soweit man es mit prüfenden Blicken durch die Fenster beurteilen konnte, verfügte er über einen sehr individuell gestalteten Innenraum.

      Dieser Wagen schien als Werkstatt und gleichzeitig auch als Wohnung zu dienen. Derjenige, der ihn so gestaltet hatte, musste nicht nur einen guten Geschmack haben, sondern auch das Bedürfnis, sich bei der Arbeit in einer angenehmen Atmosphäre aufzuhalten.

      »Wem der wohl gehören mag?«, fragte Afra in die Runde.

      »Einem Bekannten vom jungen Doktor«, antwortete Traudel beiläufig. »Fanny, wann bekommst du denn die nächste Lieferung? Wir warten noch auf das Müsli mit den getrockneten roten Früchten und den …«

      »Nun lass mal das langweilige Müsli!«, fiel Afra ihr ins Wort. »Ein Bekannter vom jungen Doktor? Vom Sebastian Seefeld? Der kennt jemanden mit so einem Wagen? Nun erzähl schon!«

      Traudel unterdrückte einen leisen Seufzer. Alles, was mit dem Doktorhaus zu tun hatte, war in der dörflichen Gemeinschaft von Interesse, und sie als Haushälterin wurde gern als Informationsquelle angezapft. Dabei fiel niemandem auf, dass Traudel niemals irgendetwas wirklich Wichtiges oder gar Persönliches von der Familie Seefeld preisgab, sondern immer nur von Offensichtlichem oder Belanglosem sprach.

      »Na, wie man sich halt so kennt«, antwortete sie unverbindlich. »Er wird für einige Zeit hier in Bergmoosbach bleiben. Ihr wisst doch, dass in unserer Kirche die Orgel dringend restauriert werden muss. Doktor Seefelds Bekannter wird sich darum kümmern, er ist Orgelbauer. Sein Name ist Leander Florentin.«

      »Leander Florentin!«, meinte Hannerl schwärmerisch. Sie war Fannys kleine Schwester und dreizehn Jahre alt. »Wenn er so hübsch ist wie sein Name …«

      »Was dann! Dann ist die Welt mal wieder ein bissl schöner geworden, gell? Aber bis es so weit ist, räum‘ bitte weiter die Regale mit den Waschmitteln und dem Toilettenpapier ein! Du bist hier, um zu helfen und dein Taschengeld aufzubessern«, antwortete Fanny resolut.

      »Manno!« Hannerl verzog sich grollend zwischen die Regale. Wenn man schon so uralt war wie die große Schwester, Ende Zwanzig, dann hatte man wohl überhaupt kein Verständnis mehr für Romantik. Ein Orgelbauer namens Leander Florentin, der als Auto eine Art altmodischen Zirkuswagen fuhr, der konnte doch nur total romantisch sein! Aber wahrscheinlich verlor man jenseits der Zwanzig dafür jedes Gespür. Hannerl beschloss, dass ihr das niemals passieren würde!

      *

      Hätte das Mädchen den Mann gesehen, der jetzt an der Seite des Herrn Pfarrer und des Gemeinderats die Kirche besichtigte, wäre sie sicher wieder ins Schwärmen geraten. Leander Florentin sah in der Tat sehr gut aus. Er war groß und breitschultrig, mit dichten, dunklen Haaren und dunklen Augen. Der lässige Drei-Tage-Bart passte zu seinen markanten Gesichtszügen. Der Blick seiner braun-goldenen Augen war zurückhaltend und gleichzeitig voller Wärme. Bekleidet war er mit einer gut geschnittenen, schwarzen Jeans, weißem T-Shirt und einem leichten, anthrazitfarbenen Wollpullover mit V-Ausschnitt. Der Mann verfügte über eine männliche, angenehm ruhige Ausstrahlung. Er war ein stiller, in sich gekehrter Mensch, dem oberflächlicher Kontakt zu anderen nicht leicht fiel. Warum viele Worte machen, wenn man eigentlich nichts zu sagen hatte? Er schwieg lieber, hörte Musik und lauschte den Erzählungen, die darin verborgen waren.

      Nun schaute er sich in der schönen Kirche Bergmoosbachs um und hörte seiner Begleitung aufmerksam zu. Die Kirche war seit geraumer Zeit in aller Munde. Endlich waren Gelder zu einer längst fälligen Renovierung bewilligt worden. Man dachte an eine Überholung der Orgel, Erneuerung einiger Vergoldungen und das Auffrischen der weißen Wandfarbe. Dabei hatte man eine Entdeckung gemacht, die für Aufsehen sorgte: an einer Seitenwand war unter dem Weiß eine alte Wandmalerei verborgen.

      Bergmoosbachs Kirche war an die dreihundertfünfzig Jahre alt, und das übertünchte Fresko ließ sich weit zurück datieren. Es stammte von keinem bekannten Künstler und war also kein sensationeller Fund, aber wichtig genug, dass man es erhalten wollte. Es hatte viele und hitzige Diskussionen darüber gegeben, welcher Fachmann in der Lage und bezahlbar sei, um diese großflächige Malerei wieder zum Leben zu erwecken. Aber schließlich hatte man sich auch in diesem Punkt einigen und die Arbeit in Auftrag geben können.

      Bisher hatte Leander allen Ausführungen interessiert zugehört, aber allmählich wünschte er sich, dass seine Auftraggeber und der Pulk von wichtigen Amtsträgern, die sie umgaben, endlich gehen würden. Er wollte in dem Gebäude allein sein und es in aller Ruhe auf sich wirken lassen. Jede Kirche und jede Orgel waren anders, jede hatte ihre eigenen Klangfarben. Leander wollte durch den Raum gehen, dem Hall seiner Schritte lauschen und das Gestühl und die Stoffe begutachten, die zum Schmuck der Kirche gehörten. All das und noch so viel mehr beeinflusste die Klänge mit, welche die Orgel erzeugte.

      Endlich schienen sich alle darüber einig zu sein, dass jetzt nichts Bedeutendes mehr zu sagen war, und verabschiedeten sich. Erholsame Stille füllte den Kirchenraum. Leander Florentin ging zur Treppe, welche zur Orgelempore hinauf führte, und machte sich ans Werk.

      Der Mann wusste nicht, ob Minuten oder Stunden vergangen waren, als er in dem Spiegel, der ihm den Kirchenraum in seinem Rücken