Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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bei Matthias, dem sie half, die Partybänke um die Feuerstelle aufzustellen, die er mit Margots Erlaubnis aus dem Keller geholt hatte.

      »Sie müsste eigentlich auch längst wieder da sein.«

      »Soll ich mal nachsehen, was los ist?«

      »Ja, bitte, tu das«, stimmte Matthias Anna sofort zu.

      »Alles in Ordnung?«, fragte Sebastian, der sich kurz umschaute und sah, dass Anna in die Jugendherberge hineinging.

      »Ich hoffe es«, antwortete Matthias und baute die nächste Bank auf.

      »Kerstin!«, rief Anna, nachdem sie an die Tür geklopft hatte und keine Antwort bekam. »Kerstin, was ist los?!« Als sie immer noch nichts hörte, öffnete sie vorsichtig die Tür. »Du meine Güte, was ist denn mit dir?«, fragte sie erschrocken.

      Kerstin saß in ein großes weißes Badehandtuch eingehüllt auf dem Bett und starrte sie mit verweinten Augen an. Sie zögerte nicht länger und betrat das Zimmer. Leise schloss sie die Tür hinter sich und setzte sich neben Kerstin aufs Bett. »Sag mir, was passiert ist«, bat sie und streichelte ihr über das Haar.

      »Das ist passiert.« Kerstin deutete auf die blauen Flecken an ihren Beinen.

      »Oh nein.« Anna musste erst einmal schlucken, als sie die gleichen Flecken auch an Kerstins Rücken entdeckte. Es waren kleine Blutergüsse, die so typisch für eine Leukämieerkrankung waren.

      »Ich dachte, ich hätte die Krankheit besiegt«, sagte Kerstin, während sie leise aufschluchzte.

      »Wann war das?«, fragte Anna und nahm sie tröstend in die Arme.

      »Vor zwei Jahren.«

      »Was hast du damals unternommen?«, wollte Anna wissen, und dann hörte sie genau zu, was Kerstin ihr erzählte.

      Dass sie nach der Diagnose niemandem etwas erzählt hatte, auch nicht ihrer Familie, dass sie eine längere Studienreise vorgeschoben hatte, die sie nie antrat, und stattdessen zu einer Freundin in die Schweiz gereist war.

      »Sie ist Ärztin in einer großen Klinik in Zürich, sie wollte damals, dass ich zu ihr komme. Es war eine gute Entscheidung, ich wurde wunderbar versorgt, und ich wurde gesund.«

      »Du kannst diese Krankheit wieder besiegen«, sagte Anna, als Kerstin die Tränen über das Gesicht liefen.

      »Wenn es mich noch einmal erwischt, dann brauche ich einen Spender, das haben mir die Ärzte schon prophezeit.«

      »Noch steht die Diagnose nicht fest.«

      »Lass es gut sein, Anna, ich will mir nicht länger etwas vormachen. Ich habe die Anzeichen lange genug ignoriert«, sagte Kerstin und schluckte die Tränen erst einmal hinunter. »Ich will auf jeden Fall noch bis nach dem Spiel durchhalten. Ich möchte den Mädchen dieses Ereignis nicht verderben, und ich will wenigstens noch ein paar Stunden mit Matthias verbringen, ehe ich mich der Wahrheit stelle.«

      »Du hast dich in ihn verliebt.«

      »Ja, das habe ich. Ich glaube, ich bin überhaupt zum ersten Mal wirklich verliebt. Leider ist es aber kein guter Zeitpunkt für die Liebe.«

      »Es ist sogar ein sehr guter Zeitpunkt, weil die Liebe unendlich stark macht. Und jetzt hole ich Sebastian.«

      »Warum?«

      »Weil er wissen sollte, was mit dir los ist, damit er dir helfen kann, solltest du Hilfe brauchen.«

      »Ich will aber nicht, dass die Mädchen oder Matthias etwas davon mitbekommen.«

      »Matthias hat mich gebeten, nach dir zu sehen. Was soll ich ihm sagen?«

      »Ich hatte einige Gespräche zu führen, was ja auch stimmt.«

      »Gut, dann werde ich ihm das so ausrichten.«

      »Ich habe Angst, Anna.«

      »Ich weiß, Kleines. Es tut mir unendlich leid.« Nun musste auch Anna mit den Tränen kämpfen. »Bitte, sprich mit Sebastian, Kerstin.«

      »Gut, einverstanden, schicke ihn zu mir.«

      »Das mache ich, bis nachher.«

      »Warum wieder ich?«, flüsterte Kerstin, nachdem Anna gegangen war. Sie fühlte sich so hilflos. Am liebsten hätte sie sich in Matthias‘ Arme geflüchtet, aber genau das konnte sie nicht tun. Diese Liebe, von der sie geträumt hatte, würde es nicht geben. Matthias wollte die Welt bereisen, die Liebe zu einer kranken Frau würde ihm diesen Traum zerstören. Das würde sie niemals zulassen.

      *

      Matthias stand am Fenster des Aufenthaltsraumes und reichte den Mädchen Getränke nach draußen, als Anna wieder zum Grillplatz kam. Die Sonne war schon beinahe hinter den Bergen verschwunden und Sebastian hatte das Feuer bereits angezündet. Er saß im Schneidersitz davor, hatte die Ärmel seines grauen Hemdes hochgeschoben, die Ellbogen auf seinen Knien abgestützt und den Kopf in seine Hände sinken lassen. Er beobachtete die Flammen und lauschte dem Knistern des Holzes, das in der Glut zerfiel, und schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein.

      Anna war wie gebannt von seinem Anblick, sah nur noch ihn vor sich, wie das Feuer vor ihm aufloderte und ihn in goldenes Licht tauchte. Doch dann dachte sie wieder an Kerstin, und ihr wurde ganz elend zumute.

      »Sebastian.« Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und wartete, bis er sich umwandte.

      »Was kann ich für dich tun, Anna?«

      Sie zuckte zusammen, als sich das Feuer in seinen hellen grauen Augen wiederspiegelte. »Kerstin ist auf ihrem Zimmer, erster Stock, gleich neben der Treppe. Würdest du bitte nach ihr sehen?«, bat sie ihn.

      »Schlimm?«

      »Ja, ich denke schon. Pass auf, dass es niemand mitbekommt.«

      »Alles klar. Legst du bitte Holz nach?«

      »Sicher, ich kümmere mich darum«, sagte Anna und steckte die weiße Leinenbluse in den Bund ihrer Jeans, bevor sie sich auf den sandigen Boden setzte.

      Sebastian war froh, dass er sein Auto direkt vor dem Eingang der Jugendherberge geparkt hatte. Da alle anderen sich jetzt neben dem Haus aufhielten, konnte er seine Arzttasche unbeobachtet aus dem Wagen holen.

      Kerstin zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte.

      »Frau Richter, darf ich reinkommen?«, hörte sie Sebastian leise fragen.

      »Ja, bitte«, antwortete sie und umklammerte die Bettkante mit ihren Händen. Egal, was er ihr raten würde, sie würde jetzt auf keinen Fall in ein Krankenhaus gehen. »Hat Anna Ihnen schon etwas gesagt, Doktor Seefeld?«, wollte sie wissen, als er das Zimmer betrat.

      »Nein, aber ich denke, ich weiß, warum ich hier bin«, sagte er, als er die vielen kleinen Blutergüsse an ihrem Rücken und ihren Beinen sah.

      »Es ist nicht das erste Mal, wissen Sie.«

      »Wann war das erste Mal?« Sebastian zog sich einen Stuhl zum Bett hin, holte das Blutdruckmessgerät aus seiner Tasche und legte ihr die Manschette an.

      Kerstin zögerte nicht, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Sebastian Seefeld war ihr von Anfang an sympathisch gewesen und als Arzt weckte er sofort ihr Vertrauen. Sie war Anna dankbar, dass sie ihn zu ihr geschickt hatte.

      »Bin ich wirklich auf einen Spender angewiesen?«, fragte sie ihn, nachdem sie ihm alles gesagt hatte und er sie, soweit es ihm in diesem Moment möglich war, untersucht hatte.

      »Ohne eine genaue Analyse Ihres Blutes möchte ich mich ungern festlegen.«

      »Ich werde mich nächste Woche untersuchen lassen, bis dahin muss ich durchhalten.«

      »Es geht Ihnen aber im Moment nicht wirklich gut, Frau Richter, sonst wäre ich nicht hier.«

      »Ich werde bis nach dem Spiel durchhalten, das schaffe ich«, versicherte sie ihm und versuchte ein Lächeln.

      »Gut, aber wenn irgendetwas