Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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das Wasser«, sagte sie und schaute auf den in der Sonne glitzernden See. »Was machst du?«, fragte sie verblüfft, als Matthias sie losließ, ein paar Schritte in den See hineinlief und seine Hände ins Wasser tauchte.

      »Ich schenke dir so viele Sterne, wie ich tragen kann«, sagte er, richtete sich wieder auf und kam zu ihr zurück. »Willst du dieses Geschenk annehmen?«

      »Ja, das will ich«, antwortete Kerstin und fing das Wasser, das er aus dem See geschöpft hatte, in ihren Händen auf. »Leider kann ich sie nicht festhalten«, seufzte sie und sah zu, wie das Wasser allmählich wieder zwischen ihren Fingern hindurch zurück in den See tropfte.

      »Das ist doch nur das Wasser, das Licht der Sterne bleibt bei dir, und wenn du dich später an mich erinnerst, dann wirst du es sehen können. Zumindest hoffe ich das.«

      »Danke, Matthias.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.

      »Mehr habe ich nicht zu bieten, was die Sterne betrifft. Die vom Himmel kann ich dir leider nicht holen.«

      »Diese Sterne sind ebenso besonders, ich kenne nämlich niemanden, der solche Sterne besitzt, wie du sie mir gerade geschenkt hast.«

      »Ein besonderes Geschenk für eine außergewöhnliche Frau.«

      »Ich bin nicht außergewöhnlich.«

      »Doch, das bist du«, sagte er und nahm sie an die Hand.

      Sie verbrachten den ganzen Nachmittag am See, liefen durchs Wasser oder saßen am Ufer im Gras. Und plötzlich war die Vergangenheit wieder da, und sie erinnerten sich an so viele Dinge aus ihrer gemeinsamen Studienzeit, die sie schon längst vergessen glaubten.

      »Manchmal ist es nur die Vergangenheit, die zwei Menschen verbindet, und wenn sie die miteinander aufgearbeitet haben, dann begreifen sie, dass sie sich in der Gegenwart fremd geworden sind«, stellte Kerstin fest, als sie irgendwann nebeneinander auf einem umgestürzten Baumstamm saßen.

      »Denkst du, dass es bei uns so sein wird?«

      »Nein, Matthias, ich glaube, dass uns die Gegenwart bereits mehr verbindet als unsere gemeinsamen Erinnerungen.«

      »Das empfinde ich genauso.«

      »Ich glaube, es wird Zeit, sonst kommen wir noch zu spät zu unserem Grillabend.« Kerstin machte ihn auf die Kirchenglocken aufmerksam, die aus dem Dorf bis zu ihnen herüberschallten.

      »Schon fünf?«, wunderte sich Matthias. Er wäre gern noch länger mit Kerstin allein geblieben. Sie anzusehen, ihre Stimme zu hören, das machte ihn unendlich glücklich. »Was ist mit dir?«, fragte er erschrocken, als sie aufstand, sich aber gleich wieder fallen ließ und sich an die Stirn fasste.

      »Ich bin nur zu schnell aufgestanden, es geht schon wieder«, versicherte sie ihm, als er ihr die Hand reichte, um ihr aufzuhelfen.

      »Wirklich?«

      »Es ist alles in Ordnung, wir können gehen«, beteuerte sie erneut und schob die Zweifel, dass dieser Schwindel mehr zu bedeuten hatte, erst einmal von sich. »Wo holen wir die Getränke?«, wollte sie wissen.

      »In der Brauerei Schwartz. Sie versorgt Bergmoosbach schon seit Generationen nicht nur mit Bier, sondern auch mit Wasser und Limonade. Wir kaufen gern vor Ort ein, bei den Menschen, die wir persönlich kennen.«

      »Das klingt, als gehörten alle, die in Bergmoosbach leben, zu einer großen Familie.«

      »So ähnlich könnte man es sagen, was aber nicht bedeutet, dass wir immer alle einer Meinung sind. Natürlich gibt es auch hin und wieder Ärger, aber wenn es darauf ankommt, dann halten wir zusammen.«

      »Und doch planst du fortzugehen.«

      »Ich werde irgendwann zurückkehren.«

      »Das kann ich gut verstehen«, entgegnete Kerstin und ließ ihren Blick über die weiten Rapsfelder wandern.

      Matthias hatte seinen schon recht betagten Volvo auf dem Parkplatz der Brauerei abgestellt und musste jetzt nur noch die Getränkekästen einladen, die sie zur Jugendherberge mitnehmen wollten.

      »Du kannst ruhig schon einsteigen«, sagte er und hielt Kerstin die Beifahrertür auf.

      »Danke, das nehme ich gern an.«

      »Ich dachte, ich hole je zwei Kästen Wasser, Malzbier, Zitronen- und Himbeerlimonade. Meinst du, das reicht?«

      »Aber ja, außerdem gibt es in der Jugendherberge auch Getränke zu kaufen. Wir werden auf keinen Fall verdursten müssen«, versicherte sie ihm.

      »Gut, dann bis gleich«, sagte er, schloss die Wagentür, nachdem Kerstin eingestiegen war und lief über den Hof zum Getränkeverkauf.

      Es ist ihm wirklich ernst mit seiner Weltreise, dachte sie, als sie den Stapel Hochglanzprospekte auf dem Rücksitz des Volvos liegen sah. Sie bewarben ausschließlich Schiffsreisen, angefangen von einer Fahrt entlang der Fjorde Norwegens bis zu einer Reise an Bord eines Luxusschiffes von Southampton nach Sydney. Als sie Matthias mit einem Rollwagen zurückkommen sah, auf den er die Getränkekästen geladen hatte, schaute sie schnell nach vorn. Er sollte nicht denken, dass sie neugierig war.

      Matthias hatte die Kästen schnell eingeladen. Ein junger Mann im dunkelroten Overall mit dem aufgedruckten Namenszug der Brauerei übernahm den Getränkewagen, und Matthias stieg zu ihr ins Auto.

      »Ist dir nicht gut, du bist ganz blass«, fragte er, als er kurz zu ihr herüberschaute, bevor er den Motor des Volvos anließ.

      »Ich bin immer blass, das ist normal bei mir.«

      »Habe ich etwas Falsches gesagt, Kerstin?«, fragte Matthias, als sie dann auf dem Weg zur Jugendherberge kaum ein Wort mit ihm sprach.

      »Nein, du hast nichts Falsches gesagt, und du hast auch nichts Falsches getan, ich bin nur ein wenig müde, das ist alles.«

      »Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit du wieder munter wirst. Die Mädchen möchten den Abend bestimmt nicht ohne dich verbringen, und Anna freut sich auch schon auf deine Gesellschaft.«

      »Und was ist mit dir?«

      »Ich wäre traurig, wenn du heute Abend nicht dabei wärst.«

      »Das kann ich nicht zulassen«, antwortete sie lächelnd.

      Die Mädchen waren noch nicht da, als sie kurz darauf die Jugendherberge erreichten. Während Matthias die Getränke auslud und in den Aufenthaltsraum trug, damit sie nicht in der Sonne standen, ging Kerstin auf ihr Zimmer. Sie wollte sich kurz unter die kalte Dusche stellen, das würde ihre Lebensgeister sicher wieder wecken.

      »Oh Gott«, stöhnte sie laut auf, als sie sich nach dem Duschen abtrocknete und die blauen Flecken an ihren Beinen entdeckte. Einen Augenblick lang versuchte sie sich einzureden, dass sie sich irgendwo gestoßen hatte, aber sie wusste gleich, dass sie sich dabei nur etwas vormachte. Als ihr wieder schwindlig wurde, hüllte sie sich in das große weiße Handtuch, das auf dem Waschbecken lag, verließ das Badezimmer und legte sich auf ihr Bett. »Es darf nicht sein«, flüsterte sie, und dann schossen ihr die Tränen in die Augen.

      *

      Eine halbe Stunde nach Matthias und Kerstin traf Anna mit den Mädchen an der Jugendherberge ein. Sie hatten unterwegs schon fleißig Holz gesammelt und legte es auf dem Grillplatz ab. Kurz darauf kam Sebastian. Im Kofferraum seines Geländewagens standen Körbe mit Würstchen, Weißbrot und den Kartoffeln, die sie im Feuer backen wollten. Sofort waren Mädchen von beiden Mannschaften zur Stelle, die ihm halfen, die Körbe zum Grillplatz zu tragen, der inzwischen im Schatten des angrenzenden Tannenwaldes lag.

      »Dann können wir ja gleich anfangen«, sagte er, als er die Äste und Zweige sah, die neben der Feuerstelle, einem von weißen Steinen eingefassten Kreis in der Mitte des Grillplatzes, ordentlich aufeinandergestapelt waren. »Würdet ihr mir bitte zuerst ein paar dickere Äste heraussuchen und mir danach die Zweige anreichen«, bat er die Mädchen, die sich alle um ihn versammelten.

      »Sehr gern, Doktor