Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
und betrachtete Kerstin voller Zuneigung.

      Auch als sie gleich darauf den Biergarten betraten, der zur Brauerei Schwartz gehörte, folgten ihnen die Blicke der Einheimischen, die neben den Touristen dort zu Mittag aßen.

      »Da drüben wär’s doch recht schön für euch«, sagte die Kellnerin in dem weinroten Dirndl, die vollgepackt mit Maßkrügen über den Hof lief. Sie lächelte freundlich und schaute zu den kleinen Tischen, die mit viel Abstand zueinander direkt am Bachufer standen.

      »Danke, Irmgard!«, rief Matthias. »Offensichtlich sind wir in den Augen der Bergmoosbacher ein Paar«, flüsterte er Kerstin zu, als sie sich für den Tisch entschieden, der am Ende der Reihe neben einer dichten Lorbeerhecke stand.

      »Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie verblüfft.

      »Im Gegensatz zu den meisten Besuchern eines Biergartens, die gegen Gesellschaft nichts einzuwenden haben und die langen Tische bevorzugen, sitzen junge Paare lieber hier am Bach. Irmgard hat uns geradewegs hierher geschickt.«

      »Macht es dir etwas aus, dass sie uns für ein Paar halten?«, wollte Kerstin wissen, nachdem sie das Essen bei Irmgard bestellt und die freundliche Frau sie eingehend gemustert hatte.

      »Nein, es macht mir nichts aus. Dir?«

      »Nein, mir auch nicht.«

      »Dort gewinnen Sie den Honig, mit dem sie ihr Honigbier brauen«, sagte Matthias, als Kerstin ihren Blick zur Seite wandte und auf das weiße Gebäude mit der hübschen Lüftlmalerei schaute, das in dem Rapsfeld auf der anderen Seite des Baches stand.

      »Bergmoosbach ist wirklich ein idyllisches Fleckchen Erde, ein Ort, der dich für eine Weile deine Sorgen vergessen lässt.«

      »Hast du denn Sorgen, Kerstin?«

      »Nein, im Moment habe ich keine«, antwortete sie und wandte sich ihm wieder zu. Sein Lächeln, seine zärtlichen Blicke, es war alles gut. »Ziemlich große Portion«, sagte sie, als Irmgard kurz darauf die beiden Teller mit den dampfenden Knödeln und dem knusprigen Braten brachte.

      »Mei, Herzl, das können Sie schon vertragen«, sagte sie und klopfte Kerstin sanft auf den Rücken.

      »Nach unserem letzten Heimspiel habe ich meine Fußballmannschaft hier zum Essen eingeladen. Die Mädchen meinten, die Portionen könnten ruhig größer sein«, erzählte Matthias, nachdem Irmgard wieder gegangen war.

      »Ich weiß, nach einem Spiel sind sie wie kleine ausgehungerte Löwen. So, und nun möchte ich ein bisschen mehr über dich erfahren. Ich meine, deine Zukunftspläne kenne ich ja bereits, aber wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen?« Sie mochte seine sanfte Stimme, sie wollte ihm einfach nur ein wenig zuhören.

      »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Nach meinem Studium habe ich zwei Jahre als Bergführer gearbeitet, und als hier an der Schule ein Sportlehrer gesucht wurde, habe ich mich beworben und die Stelle bekommen.«

      »Bergführer klingt interessant. Da hast du doch sicher einiges erlebt.«

      »Allerdings.«

      »Zum Beispiel?«, fragte sie, während sie einen Knödel vorsichtig mit der Gabel zerteilte.

      »Lass mich mal überlegen.« Er kramte eine Weile in seinen Erinnerungen, und dann erzählte er ihr von den kleinen Abenteuern mit seinen oft unerfahrenen Kunden, ihren Panikanfällen und ihren Eingeständnissen, sich selbst überschätzt zu haben.

      Kerstin hörte ihm aufmerksam zu und zwang sich, dabei etwas zu essen. Irgendwann hatte sie einen Knödel und ein wenig Braten geschafft. Nachdem Matthias seinen Teller geleert hatte, quälte sie sich nicht länger und schob auch ihren zur Seite.

      »Wie wäre es mit einem Spaziergang?«, fragte Matthias, nachdem er das Essen bezahlt und Irmgard ein ordentliches Trinkgeld obendrauf gelegt hatte.

      »Liebend gern«, willigte Kerstin sofort ein, als sie plötzlich wieder die merkwürdige Müdigkeit überfiel, die ihr dieses kleine Glück stehlen wollte, an dem sie sich gerade festzuhalten versuchte.

      »Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte sich Matthias, als sie wenig später am Bach entlangliefen, weil er Kerstin einen Spaziergang zum Sternwolkensee vorgeschlagen hatte.

      »Mir geht es gut«, versicherte sie ihm.

      »Wirklich?«

      »Ganz bestimmt. Wo geht es denn nun zum See?«

      »Hier entlang«, sagte er und legte seinen Arm behutsam um ihre Schultern.

      Der See, den die Bergmoosbacher schon seit Urzeiten Sternwolkensee nannten, weil sich in klaren Nächten die Milchstraße in ihm spiegelte, war in hüglige Wiesen eingebettet. Kleine Buchten, von Birken und Ahornbäumen beschattet, luden zu verschwiegenen Begegnungen ein. Im Westen zogen sich dunkle Tannenwälder die Höhen hinauf, bis sie an die Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln stießen.

      »Lass uns ein paar Minuten hierbleiben«, bat Kerstin, nachdem sie eine Weile um den See herumgegangen waren.

      Sie setzte sich auf einen abgesägten Baumstamm in der Nähe des Ufers und bedeutete Matthias, neben ihr Platz zu nehmen. Ich muss jeden Moment des Glücks bewahren, solange ich das noch kann. Irgendwann, wenn es kein neues Glück mehr für mich gibt, dann werden diese Erinnerungen mein größter Schatz sein, dachte sie.

      Kinder plantschten im flachen Wasser, beobachtet von ihren Eltern, die ihre Decken auf der Wiese mit den gelb leuchtenden Trollblumen ausgebreitet hatten. Kerstin schaute dem kleinen Jungen zu, der mit einem roten Sonnenhütchen auf dem Kopf und einem Sandeimerchen voll Wasser aus dem See kam, sie anlächelte und ihr im Vorbeilaufen aus Versehen Wasser auf die Füße kippte.

      »Tschuldigung«, sagte er und sauste zu der jungen Frau im Bikini, die bäuchlings auf einer Decke lag und in einem Buch las.

      »Mama, hab Wasser verschüttet«, erzählte er aufgeregt und setzte sich neben seine Mutter.

      »Alles gut, nichts passiert«, sagte Kerstin, als die Frau aufschaute und sie ansah.

      »Nichts passiert«, wiederholte der Junge lachend, während seine Mutter ihn in ein Badetuch einhüllte.

      »Willst du irgendwann Kinder haben?«, fragte Matthias.

      »Ich habe immer von einer Familie geträumt«, sagte Kerstin.

      »Hast du diesen Traum inzwischen aufgegeben?«

      »Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken über die Zukunft.«

      »Das sagst ausgerechnet du?«, wunderte sich Matthias. »Nur wer weiß, was er will, kann es auch erreichen. Eine gute Planung ist schon der halbe Weg zum Ziel. Das waren deine Wahlsprüche während unseres Studiums.«

      »Daran erinnerst du dich noch?«, fragte Kerstin erstaunt.

      »Ich erinnere mich daran, weil du es gesagt hast. Du warst damals die Sonne, um die ich mich bewegt habe.«

      »Du machst mich verlegen, Matthias.«

      »Das macht nichts, ein bisschen leiden darfst du auch. Ich habe damals sehr darunter gelitten, dass du mich nicht wirklich wahrgenommen hast.«

      »Du hast es gut überstanden, glaube ich.«

      »Es geht so«, antwortete er lächelnd. »Was hast du vor?«, fragte er, als Kerstin die weißen Turnschuhe auszog und ihre Hosenbeine hochkrempelte.

      »Ich möchte das Wasser spüren«, sagte sie und lief zum See. Sie wollte nicht an Vergangenes denken, sie wollte einfach nur den Augenblick genießen. »Komm, es ist gar nicht kalt!«, rief sie und wandte sich zu Matthias um.

      »Du möchtest also durchs Wasser spazieren?«, fragte er, als er gleich darauf bei ihr war.

      »Ja, unbedingt«, erwiderte sie und legte ihre zarte kleine Hand in seine. Auf einmal fühlte sich das Leben wieder ganz leicht an. Sie spürte den feinen Sand unter ihren Füßen, die sanften Wellen streichelten ihre Haut, Matthias hielt sie fest und die eisigen Berggipfel am Horizont