Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
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muss man aber etwas riskieren.«

      »Aber nicht zu viel. Nein, bitte nicht!«, rief Ela, als Florian sie auf seine Arme nahm und in einen schmalen Pfad einbog, der durch eine Wiese führte.

      »Hast du Angst?«

      »Wir sind von Mooren umgeben.«

      »Ich weiß«, sagte Florian und ging weiter.

      »Ein falscher Schritt, Florian, und wir sind verloren.«

      »Dann sollten wir uns eben keinen falschen Schritt erlauben«, entgegnete er und stellte sie ganz behutsam wieder auf ihre eigenen Füße.

      »Das Moor würde ihn auch nicht verzeihen.«

      »Ich bin in einem Dorf in der Nähe von Pinneberg groß geworden, dort gibt es ein riesiges Moor. Glaube mir, ich bin mir der Gefahren dieser Landschaft bewusst, aber auch ihrer Schönheit. Wenn am Morgen der Nebel über der feuchten Erde aufsteigt, die ersten Sonnenstrahlen ihn durchbrechen und das Licht sich im Wasser spiegelte, dann ist es, als könntest du in eine verborgene unterirdische Welt schauen.«

      »Was passiert, wenn die Sonne untergeht?«

      »Ich glaube, das könnte schaurig werden.«

      »Wieso?«

      »Sehen wir es uns an, es dauert nicht mehr lange, dann ist es soweit«, sagte Florian. Er nahm sie wieder an die Hand und führte sie weiter in die Moorlandschaft hinein. Als der Weg nach Westen abbog, setzte er sich auf einen flachen Felsen, der dort aus dem Boden herausragte, und zog Ela auf seinen Schoss.

      Welch eine unvermutete Wendung in meinem Leben, dachte Ela und schmiegte sich an ihn. Offensichtlich hatte sie sich in ihm getäuscht. Er meinte es doch ernst mit ihr, und wenn es so war, dann konnte es ihr egal sein, was Sibylle davon hielt.

      »Jetzt beginnt der Spuk«, flüsterte Florian und riss sie aus ihren Gedanken.

      »Das ist wirklich unheimlich«, sagte sie leise.

      Zwischen den Bäumen, die den Pfad durch das Moor säumten, schimmerte ein violetter Himmel und direkt vor ihnen leuchtete die Sonne wie ein roter Lampion, der ihnen den Weg weisen wollte. Schatten strichen über die feuchten Wiesen und ganz allmählich bildete sich Nebel, der sich über der Landschaft ausbreitete.

      »Das ist der Atem der Lebewesen, die im Moor umgekommen sind, zumindest hat mein Großvater mir den Nebel früher so erklärt«, sagte Florian.

      »Lass uns gehen«, bat Ela, als der Nebel dichter wurde.

      »Alles ist gut«, beruhigte Florian sie.

      »Mag sein, aber es fühlt sich nicht so an.«

      »Und wie fühlt sich das an?«

      »Das fühlt sich gut an«, sagte sie leise, als er ihr Gesicht zärtlich streichelte. Alles fühlt sich so lebendig an, dachte sie, als er ihre Lippen mit seinem Mund berührte und sie sich seinem Kuss hingab.

      Erst als sie die fröhlichen Stimmen von Emilias und Markus‘ Freunden hörten und die Lichter ihrer Fahrräder durch das hohe Gras schienen, gingen Ela und Florian zurück auf den Weg, der den Mittnerhof mit dem Dorf verband.

      Als sie nach ihrem langen Spaziergang durch die Dunkelheit die Hotellobby betraten, wollte Ela ihm schon sagen, dass sie etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen habe, so zuversichtlich war sie auf einmal, dass aus ihnen etwas werden könnte. Aber dann sah sie Sibylle, die in einem Sessel neben dem Eingang saß und sie mit einem Blick musterte, der sie frösteln ließ. Ich muss dieses Gespräch wohl erst einmal aufschieben, dachte sie, als Sibylle sich erhob und auf sie zukam.

      »Schön, dass ihr auch mal wieder auftaucht. Hatte ich dich nicht gebeten, es mich wissen zu lassen, falls du herausfindest, wo Florian sich aufhält?«, fuhr sie Ela an.

      »Ich hatte dir gesagt, dass ich für die nächsten Stunden nicht erreichbar sein würde. Es gab keinen Grund, dich anzurufen«, sagte Florian.

      »Dass ich mir Sorgen mache, das ist kein Grund? Ich meine, du hast mir nicht gesagt, wo du hin wolltest.«

      »Ich wollte meine Ruhe, ist das so schwer zu verstehen?«

      »Offensichtlich hast du diese Ruhe mit ihr geteilt, aber meinetwegen, ihr seid wohlbehalten wieder hier, vergessen wir die Angelegenheit«, schlug Sibylle einen versöhnlichen Ton an. »Darf ich wenigstens fragen, wo ihr wart?«

      »Wir haben ein Konzert besucht«, antwortete Florian.

      »Interessant, wo denn?«

      »Auf einem Hof.«

      »Ein Scheunenkonzert oder was?«

      »Richtig, wir waren in einer Scheune.«

      »Du liebe Güte, was erwartet mich denn hier auf dem Land noch alles? Du kannst dich doch nicht einfach in einer Scheune herumtreiben, was sollen die Leute denn denken, wenn sie dich statt in deiner Glitzerwelt im Stroh liegen sehen?« Es kostete Sibylle sichtlich Mühe, die Fassung zu bewahren.

      »Keine Sorge, die Leute, die mich gesehen haben, denen ist es völlig egal, wo und mit wem ich mich ins Stroh lege.«

      »Stopp, erspare mir weitere Einzelheiten. Habt ihr schon zu Abend gegessen?«

      »Nein, noch nicht«, sagte Florian.

      »Dann treffen wir uns in einer halben Stunde im Restaurant. Vorher haben wir beide aber noch etwas zu besprechen. Begleite mich bitte«, wandte sie sich an Ela.

      »Wohin?«

      »In meine Suite, nicht aufs Schafott«, antwortete Sibylle, als Ela sie erschrocken ansah.

      »Bis nachher«, sagte Florian und ließ die beiden allein. Er hatte seine Musiker in der Hotelbar entdeckt und wollte sich kurz bei ihnen sehen lassen.

      »Möchtest du, dass ich dir deinen Vertrag vorlese?« Sibylle lief vor der riesigen Fensterfront ihrer Suite auf und ab, während Ela wie angewurzelt zwischen Sitzgruppe und Schreibtisch stand, auf die Feuerstelle im Kamin starrte und Sibylles Donnerwetter über sich hinwegrollen ließ. »Kein privater Kontakt zu Florian, zumindest keiner, der auf eine Beziehung hinsteuert. Willst du nicht begreifen, wie sehr du ihm mit solchen Annäherungen schadest?«

      »Warum überlässt du das nicht ihm?«

      »Weil ihm der große Überblick fehlt. Jemand wie er lebt in einer Scheinwelt, das muss dir doch klar sein. In der Welt der Stars herrschen andere Gesetze, bricht man sie, bricht auch diese äußerst fragile Welt auseinander, die Sterne verlieren ihre Leuchtkraft, und dann fallen sie ins Bodenlose. Glaube mir, ich habe das schon oft genug erlebt. Willst du Florian das wirklich antun?«

      »Entschuldige mich«, bat Ela, als ihr Telefon läutete. »Diesen Anruf kann ich nicht ablehnen«, sagte sie, als sie es aus ihrer Handtasche nahm und das Foto ihrer Mutter auf dem Display aufleuchtete. »Hallo, Mama, wie geht es dir?«, fragte sie leise. Sie stellte ihre Handtasche auf das Sofa und ging ans andere Ende des Zimmers. Dass ihre Handtasche auf dem Sofa umfiel und der Mutterpass, den Anna ihr ausgestellt hatte, herausfiel, konnte sie nicht sehen.

      »Alles wie immer, mein Schatz«, hörte sie ihre Mutter sagen.

      »Du wolltest doch deine Werte kontrollieren lassen.«

      »Ja, schon.«

      »Und?«

      »Es geht so.«

      »Mama, bitte, die Wahrheit.«

      »Sie haben sich ein bisschen verschlechtert.«

      »Ein bisschen?«

      »Ach, Kind, nun lass es doch gut sein, ich komme schon zurecht.«

      »Das alte Lied? Eine Kur wäre schon gut, aber die bekommen wir nicht genehmigt, Frau Wiesner. Das hat dein Arzt gesagt, richtig?«

      »Es ist ja auch eine teure Angelegenheit.«

      »Wir bekommen das hin, Mama, das verspreche ich dir. Nächste Woche bin ich für ein paar