Mörderisches Sachsen. Eveline Schulze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eveline Schulze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783360501752
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am Sonntag, dem 05. Juni 1949, in der Zeit von 00.40 bis 01.30 Uhr.

      Bei den erbetenen meteorologischen Angaben interessieren u.a. insbesondere Temperatur, Windrichtung und -stärke, Bewölkungsart und -dichte, Sichtverhältnisse, Niederschlag (Dauer, Art und Menge), Mondaufgangs- und -untergangs­zeit, Mondphase.«

      Drei Tage später kommt die Antwort: Am 5. Juni 1949 war es in der fraglichen Zeit mit elf Grad vergleichsweise frisch und der Himmel leicht bewölkt. Der Mond befand sich im ersten Viertel. Es war trocken, der letzte Regen am Tag zuvor am Morgen gefallen.

      Am 28. Juli 1950 maß man in Zittau ebenfalls nur elf Grad, es war windstill und wolkenlos, ein Tag vor Vollmond und also hell. Geregnet hatte es letztmalig am Nachmittag des Vortages.

      Dienstag, 18. Juli

      Die Kriminalpolizei durchsucht Morches Wohnung. Dabei werden unter anderem eine schwarze Damenlederhand­tasche, ein Taschenspiegel und ein leeres Parfümfläschchen beschlagnahmt.

      Das »Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll«, unterzeichnet von Staatsanwalt Pollack, Oberleutnant der K Strengeld und Leutnant der K Täsche umfasst elf Positionen, darunter sechzehn »Zettel mit unverständlichen Aufzeichnungen«.

      Die Kriminalisten vermuten, dass es sich bei der Tasche, dem Spiegel und dem Flakon um persönliche Gegenstände der Ermordeten handeln könnte. Sie legen später diese Handtasche und drei weitere Taschen verschiedenen Zeugen vor.

      Donnerstag, 20. Juli

      Hauptmann der K Niebel bittet schriftlich bei der Deutschen Post in Dresden (Fernmeldeamt/Fernsprechbuchstelle) um die leihweise Überlassung Zittauer Telefonbücher. Sie ermittelten in einer Raubmordsache, schreibt er. »Die Ermordete hatte damals vor dem Verbrechen von ihrer Arbeitsstelle ein Ferngespräch (Stadtgespräch) geführt. Bei den jetzt notwendig werdenden Überprüfungen wird ein Fernsprechverzeichnis der Stadt Zittau aus dem Jahre 1950 und ein solches aus dem Jahre 1952 benötigt.«

      Was man sich davon verspricht, wissen allein die Kriminalisten.

      Am 17. August gehen die Bücher in Görlitz ein.

      Mittwoch, 26. Juli

      Gegen die Hausdurchsuchung und die Beschlagnahme führt Karl Morche Beschwerde, insbesondere protestiert er gegen die Konfiszierung der Handtasche, die für ihn ein Andenken an seine verstorbene Mutter sei.

      Oberleutnant Strengeld reagiert nach einer telefonischen Information durch die Kreisstaatsanwaltschaft Zittau mit einem Schreiben an Staatsanwalt Pollack. Er beantragt, den Einspruch abzuweisen. Als Untersuchungsorgan habe die Kriminalpolizei »zu prüfen, ob der Beschuldigte oder eine andere Person Täter ist. Der ermordeten HO-Verkäuferin Hölzel hat damals, am 28. Juli 1950, der Täter eine schwarze lederne Handtasche offenbar geraubt. Leider ist im Rahmen der damaligen Aufklärungsarbeit die Handtasche der Ermordeten so mangelhaft beschrieben worden, dass jetzt von vornherein nicht festgestellt werden kann, ob die in der Wohnung des Beschuldigten gefundene und beschlagnahmte Damenhandtasche die der Ermordeten ist oder nicht. Das ist jetzt zu überprüfen. Hierzu sollen mehrere schwarze lederne Damenhandtaschen sowohl Personen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis sowie ehemaligen Kolleginnen der Ermordeten als auch Verwandten des Beschuldigten vorgelegt werden.«

      Um 15.30 Uhr sendet die Görlitzer Kriminalpolizei ein Fernschreiben an die Kollegen im VPKA Glauchau. Man erbittet dort die Anschrift und Personalien des Ofensetzmeisters Erich Thieme, der 1950 in Glauchau wohnhaft gewesen sein soll. »Hatte intime Beziehungen zu der HO-Verkäuferin Anni Hölzel«, heißt es da. »Diese wurde in Zittau am 28.07.1950 Opfer eines ungeklärten Tötungsverbrechens. Aktenmaterial weist nicht aus, dass Th. damals überprüft wurde (Alibi).«

      Das Fernschreiben endet mit der Weisung, Thieme »nicht befragen«. Die Antwort erbitten die Görlitzer bis zum 28. Juli.

      Wodurch man auf Thieme aufmerksam wurde und ihn offenkundig für eine heiße Spur hält, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Auch nicht, ob er überhaupt jemals vernommen wird.

      Einen Tag vor Ablauf der Frist rattert 7.15 Uhr der Fernschreiber. Thieme wohnt in Glauchau, Platz der Freundschaft 4, meldet der Oberleutnant der K Schumann.

      Montag, 31. Juli

      Morgens um 8.30 Uhr wird der Flussmeister Martin Lange von Oberleutnant der K Strengeld befragt. Die Ermittler wollen wissen, ob die – vermeintliche oder tatsächliche – Tatwaffe, jene von Morche genannte Eisenstange, eventuell in dem etwa vierzig Kilometer langen Flüsschen namens Mandau gefunden worden ist. Martin Lange war im Sommer 1958 als Tiefbauarbeiter des VEB Gewässerunterhaltung und Meliorationsbau Dresden an Arbeiten am Flussbett der Mandau in Zittau beteiligt.

      Im Frühjahr jenes Jahres gab es ein starkes Hochwasser, welches erheblichen Schaden im Flussbett angerichtet hatte. »So war u.a. das Wehr unter der Brücke der nach Olbersdorf führenden Straße am Einlauf Pfortmühlgraben stark beschädigt. Der Pfortmühlgraben war mit Sand zugeschwemmt worden. Dadurch hatten Textilbetriebe wie die Firma Könitzer kein Brauchwasser. Es musste der Pfortmühlgraben geräumt und das beschädigte Wehr instand gesetzt werden. Oberhalb und unterhalb des Wehres erfolgte eine grundhafte Beräumung des Mandauflussbettes.«

      Geräumt wurden dreißig Meter flussauf- und fünfzig Meter flussabwärts von der Brücke. Der »Aushub« sei nach Hartau auf eine Kippe gefahren worden. Es habe sich um Müll und Schrott gehandelt.

      Ob darunter auch eine Eisenstange gewesen sei, kann Flussmeister Martin Lange allerdings nicht sagen.

      Samstag, 5. August

      Der 3. Strafsenat des Bezirksgerichts beschließt, dass Morches Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und der Beschlagnahme von Gegenständen als unbegründet zurückgewiesen wird. Gegen ihn werde schließlich wegen des Verdachtes, einen Raubmord verübt zu haben, ermittelt. In der Begründung der Entscheidung heißt es weiter:

      »Der Beschuldigte hat sich selbst der Kriminalpolizei gestellt und angegeben, dass er die in der Nacht vom 27. zum 28. Juli 1950 ums Leben gekommene Bürgerin Hölzel mit einer Eisenstange erschlagen habe. Der Mord an dieser Frau ist bisher nicht geklärt. Da der Beschuldigte sich selbst der Tat bezichtigt, und einige Angaben von ihm nicht ausschließen, dass er der Täter sein kann, besteht gegen ihn dringender Tatverdacht. Die in seiner Wohnung beschlagnahmten Gegenstände sind zum Zwecke des Beweises erheblich, insbesondere die Handtasche.«

      Dienstag, 8. August

      Am Vormittag, von Oberleutnant der K Strengeld befragt, macht der Klempner Wilhelm Schrumpf – seit zwanzig Jahren im Karosseriewerk Gustav Winter beschäftigt und seitdem dort auch Betriebsgewerkschaftsleiter (BGL) – eine Zeugenaussage. Die Ermittler wollen von ihm vor Ort wissen, ob der Täter, wie behauptet, in der Äußeren Weberstraße 1950 ein Rundeisen gefunden haben könnte.

      Entrüstet weist Schrumpf die Frage zurück: »Seinerzeit herrschten hier im Betrieb die gleiche Ordnung und Sauberkeit, wie sie auch heute herrschen.«

      Er schließt völlig aus, dass irgendwelches Material auf dem Bürgersteig vor dem Betriebsgrundstück herumgelegen haben könnte. Und selbst wenn etwas auf dem Betriebsgelände gelegen haben sollte: »Das Zauntor ist nach Arbeitsschluss auch damals immer verschlossen worden.«

      Mithin, Morches Aussage, er habe vor dem Karosseriewerk eine Eisenstange gefunden, mit der er später Anni Hölzel (bzw. Marianne Böhmer) erschlagen haben will und die er anschließend in die Mandau warf, scheint reine Fantasie.

      Freitag, 18. August

      Die Kriminalisten in Görlitz bringen in Erfahrung, dass Wolfgang Hölzel, der Sohn der Ermordeten, am 28. Dezember 1955 »illegal nach Westdeutschland verzog«.

      Eine Marianne Böhmer wird in den Einwohnerregistern ebenfalls gefunden. Allerdings ist diese 1943 geboren, war also im Jahr 1950, als Morche sie niedergeschlagen haben will, gerade erst sieben Jahre alt. Damit kommt sie als »Opfer« nicht infrage. Morche sprach schließlich stets von einer Frau.

      Ferner ermittelt man einen Oswald Burckhardt, einen Gärtner und Landwirt, der angeblich mit Anni Hölzel liiert gewesen sein soll, oder, wie es im Protokoll von