Mörderisches Sachsen. Eveline Schulze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eveline Schulze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783360501752
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      Das Neue Berlin –

      eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage

      ISBN E-Book 978-3-360-50175-2

      ISBN Print 978-3-360-01368-2

      1. Auflage 2020

      © Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin

      Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin unter Verwendung eines Fotos von Scott Rodgerson on Unsplash / Autorinporträt: privat

       www.eulenspiegel.com

      Inhalt

       Vorbemerkung

       Der Mann, der (k)ein Mörder war

       Endstation

       Vatermord

       »Onkel, warum zitterst du so?«

       Kindsleiche im Ofen

       Rache ist nicht alles

      Vorbemerkung

      Mörderisches Sachsen: Hier ist nichts so, wie es scheint. Hinter der Fassade der rechtschaffenen Bürger und des idyllischen Familienlebens tun sich zuweilen tiefe Abgründe auf. Ist der eigene Nachbar wirklich in der Lage, ein abscheuliches Verbrechen zu begehen? Oder gar der eigene Ehemann? Nicht selten lauert der Mörder im eigenen Haus, und nicht selten sind emotionale Verrohung und Trunksucht der Ursprung für menschliche Tragödien.

      Eveline Schulze ist die Görlitzer Chronistin des Verbrechens. Seit nunmehr dreizehn Jahren dokumentiert sie authentische Kriminalfälle der Region, die meisten davon aus DDR-Zeiten. Durch Einblicke in Polizei- und Gerichtsakten gelingt es der Autorin immer wieder, Vorgänge detailreich und sachkundig zu schildern. Und auch dank anschaulicher und detaillierter Darstellung des sozialen Umfelds der Betroffenen entstehen Berichte, die so packend sind wie Kriminalromane, die aber – leider – auf Tatsachen beruhen.

      Nach acht erfolgreichen Bänden und pünktlich zum 70. Geburtstag der Autorin ist es an der Zeit für ein Best-of! In diesem Band sind die beliebtesten und spannendsten Fälle von Eveline Schulze versammelt: Zunächst gesteht ein offensichtlich verwirrter Mann ein Verbrechen, das Jahrzehnte zurückliegt, und stellt die Ermittler vor ein Rätsel. Dann ist da der stadtbekannte Trinker und verurteilte Totschläger, der sich endlich in die Entzugsklinik begibt – stellt er nun wirklich keine Gefahr mehr für seine Mitmenschen dar? Und was ist mit dem gewalttätigen Vater, der seinen Sohn dazu bringt, zum Äußersten zu gehen: Wer von beiden ist der wahre Täter? Sodann das kleine Mädchen, das spurlos verschwindet – bis der Verdacht auf einen Nachbarn mit offenbar abartigen Neigungen fällt. Auch unvergessen bleibt der Fall des Säuglings, der unmittelbar nach der Geburt stirbt – jedoch wurde sein Tod von den Eltern nie den Behörden gemeldet …

      All diese Fälle gehören zu Sachsens mörderischer Vergangenheit. Aber die »Miss Marple von Görlitz« hat noch einen bisher unveröffentlichten Fall auf Lager: Eine Kleinkriminelle und ihr Liebhaber schmieden ein Mordkomplott gegen den unliebsamen Ehemann und planen eine Scheidung auf ewig.

      In der Sphäre der Familie ist niemand voreinander sicher, denn: »Was hinter verschlossenen Wohnungstüren passiert, ist tabu. Solange niemand etwas von der Gewalt bemerkt, gibt es sie auch nicht.«

      Der Verlag

      Der Mann, der (k)ein Mörder war

      Freitag, 30. Juni 1967

      Um 18.20 Uhr erscheint im Volkspolizeikreisamt Zittau ein kleiner Mann, wenig größer als eins-sechzig und etwa Mitte dreißig. Er wolle eine Aussage machen, oder genauer gesagt: eine Anzeige, sagt er an der Wache. Es gehe um Mord.

      Für Mord ist das Kommissariat I der Kriminalpolizei zuständig. Es wird der diensthabende Genosse Götte, Leutnant der K, zum Eingang gerufen. Götte bittet den Mann, der sich als Karl Morche ausweist, ihm in sein Dienstzimmer zu folgen, um dort die Anzeige aufzunehmen. Morche gibt als Adresse die Innere Oybiner Straße Nr. 6 in Zittau an, er ist ledig und als Transportarbeiter im VEB Robur in der Eisenbahnstraße beschäftigt. Leutnant Götte notiert anschließend im Protokoll: »Der Bürger Morche machte während der Tatschilderung einen ruhigen und selbstsicheren Eindruck. Alkoholgeruch oder Verhaltensweisen, die auf Alkoholgenuss hindeuten würden, konnten nicht wahrgenommen werden.«

      Dieser Hinweis ist nicht unwesentlich, denn die von Morche erstattete Anzeige richtet sich gegen ihn selbst. »Nach eigenen Angaben will er im Jahre 1949 eine weibliche Person in unmittelbarer Nähe der in Zittau befindlichen Weberkirche durch Schläge mit einer Eisenstange vorsätzlich getötet haben.«

      Siebzehn Jahre zuvor, am 28. Juli 1950, einem Freitag, ist in den frühen Morgenstunden die 48-jährige HO-Verkäuferin Anna Hölzel auf der Straße vor der Weberkirche tot aufgefunden worden. Der vermutliche Raubmord ist nie aufgeklärt worden. Sollte die Sache nunmehr abgeschlossen werden können?

      Leutnant Götte nimmt sofort telefonisch Rücksprache auf mit seinem Chef, dem Leiter des Kommissariats I, Oberleutnant der K Strengeld. Der weist an:

      »1. Verständigung des K-Leiters, der Kreisdienststelle des MfS, des Staatsanwalts und des Amtsleiters.

      2. Sofortmeldung bzw. Ergänzungsmeldung absetzen.

      3. Aufnahme des Geständnisses auf Tonband.

      4. Erste Überprüfungen zum Sachverhalt.

      5. Erstaufklärung zur Person führen.

      6. Einlieferung Morches in VP-Gewahrsam.«

      Samstag, 1. Juli

      Das Kommissariat III der Abteilung K nimmt Einsicht in die Kreismeldekartei und bestätigt, dass ein Karl Franz Morche unter der von ihm angegebenen Adresse in Zittau gemeldet ist.

      Im Register finden die Ermittler weitere vier Personen dieses Namens: den selbständigen Schneidermeister Josef Morche (1893–1962) und dessen Frau Agnes, geborene Raaz (1892–1957), die verstorbenen Eltern des vermeintlichen Täters, sowie die Verkäuferin Ursula Morche, geborene Tzscherlich – von 1953 bis 1960 mit dem »Selbststeller« verheiratet – und Dietmar Morche, ihr gemeinsames Kind, welches 1952 geboren wurde. Beide, die Mutter und der inzwischen 15-jährige Sohn, wohnen in der Neusalzaer Straße 13 in Zittau.

      Oberleutnant der K Kehler, Leiter der Kriminalpolizei in Zittau, und VP-Oberleutnant Fessel in seiner Eigenschaft als Operativer Diensthabender (ODH) des Volkspolizeikreisamtes setzen ein zweites Fernschreiben an den ODH/Stab der Bezirksdirektion der Volkspolizei in Dresden ab:

      »Betr.: 1. Ergänzungsmeldung zur Sofortmeldung vom 30.06.67; Bezug: Raubmord durch Erschlagen in der Nacht vom 27. zum 28.07.1950.«

      Anlass dieser zweiten Meldung für die vorgesetzte Dienststelle in Dresden ist die Entdeckung, dass etwas mit Karl Morche offenbar nicht stimmt.

      »Morche entstammt einer Handwerkerfamilie, absolvierte bis 1945 die Volksschule und erlernte im elterlichen Betrieb den Beruf eines Herrenschneiders. Die geistige Entwicklung verlief bis 1952 vollkommen