Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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die meisten Teile des Reiches zu Viktor hielten, während Frankreich und damit Prémontré auf Alexanders Seite standen. In dieser Zeit kamen wohl nur Äbte aus dem Königreich Frankreich nach Prémontré zu dem erstmals in der Bulle In Apostolicae sedis specula Alexanders III. vom 27. April 1177 (JL 12813) in seinen Rechten voll umschriebenen capitulum generale.89 1178 hatten 18 spanische Äbte den Beschluss gefasst, nur noch zwei Äbte zum Generalkapitel zu entsenden und sich jährlich in Retuerta bei Peñafiel zu einem Kapitel zu versammeln, was Abt Hugo II. und das Generalkapitel bestätigten. Die englischen Klöster wurden 1182 verpflichtet, zwei Vertreter aus wechselnden Klöstern zu schicken.90 Auch nach Beendigung des Schismas bedurfte es großer Anstrengungen und päpstlicher Bullen, um den Magdeburger Klosterverband zur Teilnahme zu bewegen.91 Private sog. »Generalkapitel« einzelner Filiationen (wie Magdeburg, Spanien und England) wurden in einem Beschluss von 1198 streng verboten, um sich gegen eine deformitas Ordinis mit mehreren Köpfen zu wehren.92 1222 wurden für das unentschuldigte Fernbleiben härtere Strafen auferlegt, die bis zur Suspendierung und Absetzung des Abtes gingen.93 Die »Integrationsinstanz« Generalkapitel94 funktionierte aber trotz solcher Maßnahmen und Verbote in der Praxis nur bedingt.

      Die Visitationen

      Ein wichtiges Instrument zur Integration des Ordens und zur Durchsetzung einer uniformen Lebensordnung sind die Visitationen.95 Bereits PW (um 1130) legte in Übernahme des zisterziensischen Filiationssystems fest, dass jeder Vaterabt mindestens einmal jährlich seine Tochterklöster visitieren soll.96 Dies war im Hinblick auf die Verbreitung des Ordens über ganz Europa jedoch praktisch nicht möglich, zumal die reformierten Chorherrenstifte (z. B. Windberg) meist unmittelbar als Tochterklöster von Prémontré betrachtet wurden, und andere Klöster, wie z. B. Steinfeld, weit abgelegene Tochterklöster in Böhmen (Strahov, Želiv), Polen und Friesland besiedelt hatten. Nur in räumlich engeren Filiationsverbänden konnte diese Art der Visitation durchgeführt werden, selbst wenn man 1222 nicht mehr die persönliche Visitation durch den Abt forderte, sondern auch einen kompetenten Vertreter vorsah.97

      Infolge des Ungenügens der bisherigen Bestimmungen wurde in der zweiten Statutenredaktion von 1154 verfügt, dass jährlich zwei Äbte als Circatores für bestimmte Provinzen ernannt werden.98 Diese sollen die Abteien visitieren, Missstände korrigieren oder darüber beim nächsten Generalkapitel berichten. Im Fall von schweren Vorwürfen seitens der Untergebenen gegen den Abt und dessen Hartnäckigkeit bleibt der Vaterabt aber die erste Korrekturinstanz, der ggf. die Sache den Circatores mitzuteilen hat. Diese bringen sie dann vor das Generalkapitel, das die eigentliche Disziplinargewalt ausübt. Sie haben eine subsidiäre Funktion. Zugleich wird damit die Disziplinargewalt der Ortsbischöfe ausgeschlossen.99

      Wegen der lückenhaften Überlieferung der mittelalterlichen Quellen lässt sich nur schwer eine Aussage darüber treffen, ob und wie dieses nun zweistufige Visitationssystem im 12. Jahrhundert flächendeckend funktioniert hat. Bemerkenswert sind Generalkapitelbeschlüsse zwischen 1198 und 1222, wo die Circatores beschuldigt werden, die neuen Institutiones Ordinis (Statuten bzw. Bestimmungen des Generalkapitels) an die Klöster ihrer circatio nicht sorgfältig verteilt zu haben. Sollten sie dies auch im nächsten Jahr nicht tun, haben sie mit schwerer Strafe zu rechnen. Außerdem wird die Visitation durch die Circatores auch auf die Frauenklöster ausgedehnt und ihr Ablauf in Übernahme zisterziensischer Elemente im Detail festgelegt, ebenso die Art der Berichterstattung an das Generalkapitel.100

      Eine dritte Visitationsinstanz nennt die Bulle Cum sis pater Alexanders III. vom 13. März 1169 während des Schismas (JL 14272), in der dem Abt von Prémontré das universale Visitationsrecht zugesprochen wird.101

      Ein besonderes Problem war allerdings die Visitation von Prémontré selbst, das ja keinen Vaterabt über sich hatte.102 1134 verfügte Innozenz II. in der Bulle Proprium est ecclesiae (JL 7652), dass im Falle von Korrekturbedürftigkeit des Abtes von Prémontré die Äbte der drei Primarabteien St. Martin in Laon, Floreffe und Cuissy den Abt ermahnen und die Sache dem Urteil des Bischofs von Laon zuleiten sollen. Alexander III. verordnete 1177 in der genannten Bulle die jährliche Visitation von Prémontré durch die drei Primaräbte und verlieh ihnen das Korrekturrecht. Bei hartnäckigem Widerstand war das Generalkapitel zuständig.

      Uniformitas in Liturgie und Gebräuchen: ein Desiderat

      Das Ringen der frühen Prämonstratenser um eine einheitliche Observanz spiegelt sich in den Bestimmungen über die uniformitas, ein nie erreichtes Ideal des Ordens.103 Bereits PW betont die Einheitlichkeit.104 In einem Beschluss vor 1154 wird das Mitbringen der Consuetudines zum jährlichen Kapitel mit der uniformitas litere begründet.105 Der Statutenredaktion P2 (1154) steht ein Prolog voran, der nach einem Zitat des Eingangs der Augustinusregel (Praeceptum I, 1) die äußere uniformitas als Zeichen der inneren Einheit des Ordens und des Friedens beschwört.106 Dieser zisterziensisch beeinflusste Prolog wurde in allen Statutenredaktionen bis 1505 beibehalten. Doch gerade im Hinblick auf die rapide Ausbreitung der Klöster und die Devianz der Gebräuche in der Magdeburger Filiation (andere Kleidung, liturgische Ausrichtung am Domstift, Pröpste statt Äbte usw.) erscheint dieser Appell zur uniformitas als ein beredtes Zeugnis einer Mangelerscheinung. Die Uniformität muss nach den Statuten in Regelobservanz, Gebräuchen, Kleidung, Nahrung und in den liturgischen Büchern gewahrt werden. Dadurch sollte unter den Abteien eine unauflösliche Einheit für die Zukunft gewährleistet werden. Ferner sollen die liturgischen Bücher jeweils bei Gründung einer neuen Abtei von der Mutterabtei mitgegeben werden. Dadurch sollte wenigstens in den einzelnen Filiationen eine gewisse Uniformität gewährleistet sein.107 Ihre Bestätigung findet die Verordnung der uniformitas in Gebräuchen und liturgischen Büchern in der Bulle Alexanders III. von 1177 und von da an in weiteren Bullen bis zum Jahr 1227 (JL 12831).108

      Aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts stammt auch die erste erhaltene Fassung des liturgischen Gebräuchebuches, der Ordinarius Praemonstratensis Ordinis.109 In ihm werden die liturgischen Vorschriften für die beiden täglichen Messfeiern (Frühmesse nach der Prim und Hochmesse am Vormittag), für das Chorgebet bei Nacht und bei Tag (kanonische Horen und Marienoffizium), dann die Besonderheiten an den Festen im gesamten Jahreslauf und schließlich das Totenoffizium geregelt. Diese Liturgie zeigt bereits eine Abkehr vom Ordo monasterii, aber noch eine Mischung aus kanonikaler und monastischer Tradition mit dem Schwerpunkt in Frankreich, besonders im Heiligenkalender,110 während sich die sächsischen Klöster an Magdeburg orientierten. Auch in der Liturgie ergeben sich also deutliche regionale Unterschiede. Aus den frühesten handschriftlichen Zeugnissen (Missale nach 1150, Brevier 13. Jahrhundert) konnten Placide Lefèvre und Norbert Weyns die maßgeblichen liturgischen Bücher rekonstruieren.111 Die Psalmenverteilung ist auch in Prémontré kanonikal, nicht monastisch. Bis in das 13. Jahrhundert ist sie streng numerisch aufgebaut.112