Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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Stifte. Selbst bei den Gründungen im Osten war das nicht durchgehend der Fall.

      Hinzu kommen die unterschiedlichen Lebensstile Norberts und seiner Gefährten in Prémontré und Magdeburg. Trotz Norberts armen Auftretens bei seinem Einzug in die Bischofsstadt war das Leben eines Kirchen- und Reichsfürsten mit den Reformvorstellungen seiner ersten Gefährten nicht vereinbar. Gottfried von Cappenberg sah in Magdeburg nur »weltliches Getriebe und Lärm« (seculi pompa et strepitus) und zog sich von Norbert zurück.53 Es dauerte auch bis 1128, bis Norbert durch eine Gesandtschaft aus Prémontré veranlasst wurde, seinen Gründungen im Westen, Floreffe (hier trotz des Rechts der freien Abtswahl) und Antwerpen eigene Äbte zu geben. Prémontré gestattete er aber eine freie Wahl, aus der sein Gefährte Hugo von Fosses als erster Abt hervorging. Dieser bestimmte dann nach der Vita A für Laon, Vivières und Bonne-Espérance eigene Äbte, die aber tatsächlich in Laon und Vivières schon früher geweiht waren.54

      Frauen und Männer im Kloster und in der Welt

      Während Norberts Viten über Frauen in seinem Umkreis schweigen, berichtet Hermann von Tournai, Norbert habe Scharen von Frauen zu Gott bekehrt, sodass zu seiner Zeit (vor 1147) schon mehr als (zehn-)tausend solcher Frauen in den Klöstern des Verbandes von Prémontré in strenger Abgeschiedenheit und harter Disziplin, mit einem hässlichen Kopftuch und rauen Gewändern gekleidet, Gott dienten.55 Auch wenn Hermanns Zahlen und seine Einschätzung wohl übertrieben sind, ist an der Tatsache der Frauen in Norberts Umkreis nicht zu zweifeln. Denn Norbert nahm nach dem Ideal der Urgemeinde von Jerusalem neben den wenigen Kanonikern auch Männer und Frauen als Konversen auf, deren Zahl die der (meist zwölf) Kanoniker um ein Vielfaches übertraf. Zwischen 1123 und 1136 bestätigte Bischof Simon von Noyon, dass sich Rikvera de Clastris mit ihrem in die Ehe mitgebrachten Besitz Norbert conversionis gratia überantwortet hatte und somit als Konversin dort leben wollte.56 Nach ihrer späteren Vita gab ihr Norbert den Schleier und nahm sie als Konversin auf. Nach kurzer Zeit schon wurde sie die Vorsteherin des in Prémontré errichteten Hospizes, eines pauperum Xenodochium.57 Damit ist auch einem Grundanliegen Norberts entsprochen, der nach Vita B seinen Brüdern die Gastfreundschaft ausdrücklich empfohlen hat.

      Die ersten Frauenklöster wurden im Klosterareal des Männerklosters errichtet, jedoch räumlich getrennt und mit einem eigenen Zugang zum Nonnenchor (meist auf der Empore) sowie einem eigenen Refektorium versehen. Man spricht deshalb statt von einem »Doppelkloster« mit Bruno Krings besser von einem »Annexkloster«, dessen Leitung der Abt des Männerklosters hatte, dem auch die Priorin als Vorsteherin des

       Images

      Abb. 2: Rikvera de Clastris, Stich Michael van Lochum 1539.

      Frauenklosters unterstand.58 Die Lebensweise der Schwestern wird uns erstmals in den Consuetudines von ca. 113059 greifbar: Um Mitternacht stehen die Schwestern zur Matutin auf, sie beten still in der Kirche bzw. ihrem Oratorium (Kapelle) und feiern dort auch die Messe. Das Marienoffizium und die kleinen Horen beten sie auch während der Arbeit. Wegen ihrer strengen Klausur können sie nur bestimmte Dienste für die ganze Gemeinschaft übernehmen und nicht wie die männlichen Konversen in den Werkstätten oder auf den Höfen, den Curiae, eingesetzt werden. Die Schwestern verarbeiten Wolle, fertigen daraus Textilien und Kleider für alle Mitglieder des Gesamtklosters, flicken und waschen die Kleidung. Sie versorgen außerdem mancherorts die Schafe, melken sie und stellen Käse her. Ihre Tätigkeit im Hospital des Klosters erstreckt sich im Prinzip nur auf den Dienst für Frauen. Niemand hat Zugang zum Wohnbereich der Schwestern außer dem Abt, dem Provisor, allerdings nur in Begleitung zweier oder dreier älterer Konversen, und einem Priester, der den Kranken die Sakramente spendet oder nach dem Tod einer Schwester die Commendatio animae verrichtet. Die Statuten setzen weiter voraus, dass die Schwestern größtenteils lesen und schreiben können beziehungsweise es im Kloster lernen sowie dass sie wenigstens rudimentär mit Latein vertraut sind. Mit Erlaubnis des Abtes erhalten sie Bücher, den Psalter mit anschließenden Cantica, Hymnen und Gebeten, auch andere Gebetbücher, das Marienoffizium und die Bücher zu den Vigilien der Hochfeste, an denen sie dem Chorgebet der Kanoniker beiwohnen. Falls eine Schwester vor ihrem Eintritt weiteres gelernt hat, kann sie an Feiertagen mit Genehmigung des Abtes auch andere Bücher bekommen.

      Seit etwa 1140 ging man aber bereits dazu über, die Frauen zunächst auf weiter entfernte Gutshöfe, dann in eigene Frauenklöster zu versetzen oder bei der Gründung eines Männerklosters ein eigenes Frauenkloster zu errichten. Von Prémontré aus wurden die ersten Schwestern um 1138 nach Fontenelle versetzt. Die sächsischen Klöster im Magdeburger Umfeld errichteten keine Frauenklöster und nahmen, von den Anfängen in Magdeburg abgesehen, auch keine Frauen auf.60 Die Vita A macht sogar deutlich, dass Norbert als Wanderprediger verheiratete Frauen auch abwies und auf einen späteren Klostereintritt vertröstete, so in Laon um 1119/20.61

      Norberts Faszination auch für Weltleute war beträchtlich. Als Prediger, Friedensstifter und Wundertäter war er vor 1126 ein gesuchter Ratgeber in geistlichen Dingen, z. B. für Graf Theobald von Blois und Champagne, bei dem auch Peter Abaelard nach seiner Flucht aus St-Denis Zuflucht suchte. Auch dem Grafen empfiehlt Norbert nach der Vita A, in der Welt zu bleiben und zu heiraten.62 Aus solchen Berichten die viel spätere Institution eines »Weltlichen Dritten Ordens« bei den Prämonstratensern auf Norbert zurückführen zu wollen, ist jedoch historisch nicht haltbar.63

      Dem Bedeutungswandel vom Ordo Norberti als Lebensweise zum Ordo Praemonstratensis im Sinne eines Ordensverbandes entspricht die Entwicklung in Prémontré nach Norberts Weggang und seinem Tod in Magdeburg. Die Ausbildung von Ordensstrukturen ist das Werk des ersten Abtes von Premontré, Hugo von Fosses in seiner langen Amtszeit von 1128 bis 1161 († 1164).64

      Hugo von Fosses, erster Abt von Prémontré und Organisator des Ordens

      Nach neuesten Forschungen wurde Hugo von Fosses ca. 1085/90 in der Umgebung von Fosses-la-Ville, Bistum Lüttich, in einer begüterten, vielleicht dem örtlichen Adel angehörenden Familie geboren und wurde früh Kanoniker im dortigen Kollegiatstift.65 Ab 1116 trat er als Mitglied der Kanzlei des Bischofs Burchard in Cambrai auf. 1119 schloss er sich Norbert an, ging aber nach dem 6. April zurück nach Fosses. In Valenciennes traf er im Mai 1119 wieder auf Norbert und zog mit ihm durch das südliche Brabant und den Hennegau. Im Oktober 1119 nahm er mit Norbert am Konzil von Reims teil, trennte sich dort aber wieder von Norbert, um wieder bei Bischof Burchard in Cambrai als Kanoniker in der Kanzlei zu arbeiten. Erst im Mai 1121 kam es erneut zu einem Kontakt mit Norbert, mit dem er dann nach Nivelles, Köln, Floreffe und Prémontré zog, wo er zu Weihnachten 1121 die Profess ablegte.66

      Vita B verschweigt die Auflösungstendenzen in Prémontré nach Norberts Weggang nach Magdeburg nicht.67 Nach Konsultationen in Prémontré und Magdeburg wurde Hugo 1128 zum ersten Abt von Prémontré gewählt und von Bischof Bartholomäus von Laon benediziert. Vielleicht noch 1128 trafen sich die Äbte von Prémontré, Floreffe, Antwerpen, Laon, Vivières und Bonne-Espérance an einem nicht genannten Ort, um über die Lage und das weitere Vorgehen zu beraten, und beschlossen nach dem Vorbild des 1119 eingeführten