Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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in den Abteien, die sich als bestehende Chorherrenstifte der prämonstratensischen Reform angeschlossen hatten; denn vieles, was in den frühen Missalien noch enthalten ist, wurde durch den Ordinarius vom Ende des 12. Jahrhunderts abgeschafft. Diesem entspricht das um 1200 entstandene Missale von Prémontré, das bis zum Druck von 1578 weitgehend unverändert blieb.113 Aus Arnstein schickte man nach dem Anschluss an die Filiation von Prémontré Schreiber dorthin, um die liturgischen Bücher zu kopieren, während man sich andernorts stärker an den Bischofssitzen oder Kirchenprovinzen orientierte.114 Die frühesten Zeugnisse prämonstratensischer Gregorianik lassen den regionalen Einfluss des nördlichen Frankreichs erkennen, zeigen aber gegenüber der universalkirchlichen Praxis deutliche Eigenheiten.115 Ebenso wenig wie die Liturgie der frühen Prämonstratenser streng einheitlich gestaltet war, kann man von einer prämonstratensischen Architektur insgesamt sprechen. Vielmehr orientierte man sich am Mutterstift oder nahm regionale Bauformen auch von Stiften der Säkularkanoniker auf.116

      Prämonstratensische Seelsorge: Die Gesetzgebung

      Das frühe Prémontré orientierte sich am Ordo monasterii mit Handarbeit und einer eher nahezu eremitischen Lebensweise in Abgeschiedenheit.Von Norberts Predigttätigkeit abgesehen, entwickelte sich dort zunächst keine eigenständige Form der Seelsorge. Die Prämonstratenser verstanden sich nicht als »geborene Seelsorger« oder Pfarrer, wenngleich sich sehr früh Plädoyers für eine Seelsorgetätigkeit finden.117 Man verhielt sich gegenüber der Annahme von Kirchen (altaria) mit Seelsorge eher ablehnend. Auch die Übertragung von Sint-Michiels in Antwerpen an Norbert geschah zunächst ohne die Pfarrrechte.118 PW enthält einen zisterziensisch inspirierten Passus, dass von nun an (amodo) Altäre nicht mehr übernommen werden dürfen, außer wenn dort ein Schwesternkloster errichtet wird.119 Durch das amodo bleiben die schon im Besitz befindlichen Güter und Kirchen, insbesondere bei reformierten Chorherrenstiften, von der Bestimmung unberührt. Nach den ersten Consuetudines ist also die Seelsorge auf die Abtei samt ihrer bisherigen Ausstattung und die Schwesternklöster beschränkt. Zugleich wird das Ausleihen von Kanonikern an Kirchen eines anderen Ordens verboten, wenn nicht die eigene Observanz der Lebensordnung sichergestellt ist.120 Nach 1140 sind Beschlüsse des Generalkapitels121 zu datieren, die die Konzentration der Seelsorge auf die Abtei unterstreichen: Bei Beteiligung des Volkes kann einerseits am Ende der Messe der sonst nicht vorgesehene Schlusssegen gegeben werden, andererseits sind Weltleute zu Prozessionen im Kreuzgang nicht zugelassen. Auch Einladungen zu den großen Festen und zur Kirchweihe sollen wegen der Ordensobservanz vermieden werden.

      Wie weit die Magdeburger Prämonstratenser über die Diözesanorganisation in Havelberg und die Funktion der Pröpste von Jerichow als Archidiakone hinaus tatsächlich in die Seelsorge in Pfarreien eingebunden waren, lässt sich wegen mangelnder Quellen kaum feststellen. Die prämonstratensische Seelsorge der Frühzeit ist jedenfalls nicht auf die Pfarrseelsorge zu reduzieren.122

      Die zweite Statutenredaktion von 1154 verdeutlicht die Bestimmung von PW, gestattet ausdrücklich den Verbleib der bisherigen Kirchen (altaria) bei den Klöstern und untersagt nur den Zuerwerb von neuen.123 Wenig später, in der Fassung von MA von 1161/65, ist dieser Passus entfallen, wohl ein Zeichen, dass die Realität der Norm nicht mehr entsprach. Er findet sich auch nicht mehr in der Redaktion von 1222/27.124 Bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gab es Bestrebungen, mehrere Priester auf eine größere Pfarrei zu entsenden, wie es 1188 Clemens III. für Prémontré genehmigte (JL 16188), wobei einer als Pfarrer dem zuständigen Bischof präsentiert werden musste.125 Teilweise wurden die Pfarreien auch von den Gutshöfen (grangiae, curtes/curiae) betreut, die zudem die seelsorgliche Betreuung der dort arbeitenden Konversen sicherstellen mussten.126 Schließlich zeigt ein Generalkapitelbeschluss zwischen 1216 und 1222, dass auch die Predigttätigkeit zum Sammeln von Einkünften nach dem Muster der aufkommenden Bettelorden nicht unüblich war und verboten wurde. Aus der Zeit zwischen 1198 und 1216 stammt ein Generalkapitelbeschluss, der eine weitere Stätte prämonstratensischer Seelsorge nennt: die Bischofs- und Adelshöfe, an denen Prämonstratenser als Hofkapläne tätig waren. Diese Tätigkeit wurde vom Generalkapitel verboten.127

      Als feste Stätten prämonstratensischer Seelsorge ergeben sich somit: an erster Stelle die Abtei selbst, dann die Frauenklöster und die Gutshöfe und zuletzt erst die Pfarreien sowie die Adels- und Bischofshöfe. Nicht unerwähnt darf in diesem Rahmen die schriftliche Auseinandersetzung mit den Häretikern bleiben, wie sie Abt Bernard von Fontcaude (1177/88) in seinem Traktat gegen die Waldenser leistete.128

      Die Konversen

      Die weitaus größte Gruppe in den frühen Prämonstratenserklöstern waren die Konversen.129 Im Kloster lebten sie in einem eigenen Gebäude. Das religiöse Ideal der geschwisterlichen Jerusalemer Urgemeinde war auch für die Konversen bestimmend. Sie trugen anfänglich denselben weißen Habit und Mantel (in der Magdeburger Filiation allerdings einen blau-schwarzen Mantel). Sie absolvierten ein eigenes Noviziat. In den Gutshöfen lebten sie unter der Aufsicht des Provisor exteriorum oder eines Magisters. Das Chorgebet wurde bei ihnen durch eine entsprechende Anzahl von Vater unser ersetzt. An lateinischen Gebeten sollten sie nach PW das Pater noster, Credo, den Psalm Miserere (50 Vg) und die Tischgebete lernen. Sie sollten wöchentlich beichten. Bücher waren ihnen untersagt. Auch sollte ihre Arbeit möglichst unter Stillschweigen erfolgen. Hinsichtlich des Fastens sollte man der Schwere ihrer Arbeit Rechnung tragen.130

      Unter den Konversen finden sich häufig Adelige,131 auch Stifter von Klöstern, die dann wie Graf Ludwig von Arnstein oder Hroznata in Tepl in ihr Kloster eintraten und dort oft in der wirtschaftlichen Verwaltung dank ihrer früheren Stellung und Kontakte erfolgreich für die neue Gründung wirkten. Kunsthandwerker und Künstler wurden auch an kirchliche und weltliche Höfe ausgeliehen.132

      Nicht zuletzt unter dem Einfluss der anders gearteten Konversengesetzgebung von Cîteaux wurde jedoch die Stellung der Konversen schon Mitte des 12. Jahrhunderts von den Kanonikern klar unterschieden. Sie bekamen eigene Statuten, außerhalb der vier Distinktionen. Sie durften nicht die Tonsur erhalten und mussten nach unerlaubtem Verlassen des Klosters oder Hofes bei ihrer Rückkehr einen grauen Habit mit kurzem Skapulier tragen.133 Solche Bestimmungen und die veränderten Wirtschaftsformen trugen zu Beginn des 13. Jahrhunderts zu einem merklichen Schwinden der Konversen in den Klöstern ebenso bei wie die Anziehungskraft der neuen Mendikantenorden, sodass die Konversen im späten Mittelalter eher eine Randerscheinung im Prämonstratenserorden darstellten.134

      Wirtschaftsformen

      Schon die Besitzentwicklung von Prémontré zeigt, dass die Prämonstratenser ähnlich wie die Zisterzienser zunächst auf Eigenwirtschaft auf ihren Gutshöfen und in den Werkstätten mittels der Vielzahl der Konversen unter Leitung von Magistri und eines Provisor exteriorum setzten.135 Die