Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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href="#litres_trial_promo">68 Im ersten Jahr waren es sechs, im zweiten neun, im dritten zwölf und im vierten 18 Äbte, die teilnahmen, allerdings keiner aus dem Magdeburger Bereich. Es handelt sich bei diesen jährlichen, rechtlich noch unbestimmten und nicht verpflichtenden Zusammenkünften nicht um formelle Generalkapitel, die später daraus erwachsen (s. S. 35). Die Zahlen zeigen die rasche Verbreitung des Ordens im Nordwesten Europas.69

      Als Abt von Prémontré festigte Hugo sein Kloster und den Klosterverband vor allem durch drei Mittel (s. S. 34–38):

      1. die Festlegung und Niederschrift der ersten Consuetudines, aus denen sich die Statuten entwickelten,

      2. die Institutionalisierung von Generalkapitel und Visitation,

      3. die päpstliche Privilegierung.70

      Darüber hinaus erwies er sich als guter Wirtschafter, der den Grundbesitz von Prémontré mit Hilfe des Bischofs von Laon, des Adels und des Königs von Frankreich so erweiterte, dass er sich 1138, zehn Jahres nach seinem Amtsantritt, über drei Diözesen erstreckte und 26 Höfe umfasste,71 was allerdings Norberts ursprünglichem Armutsideal in der domus paupertatis meae ebenso widersprach wie dessen Lebensstil am Kaiserhof. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass bereits unter Hugos Amtszeit der erste theologische Traktat in Prémontré entstand, die Harmonia des Vivianus von Prémontré. Als »Geringster der Armen von Prémontré« brachte dieser sich ca. 1140 im Anschluss an die Schule von St. Viktor in Paris ausgleichend in den Streit zwischen Abaelard und Bernhard von Clairvaux um das Verhältnis von Freiheit und Gnade ein.72 Gegen Ende von Hugos Lebenszeit entstand als historische Legitimation und »Geltungsgeschichte« die Vita B (1152–1164), die in Prémontré den »Mythos Norbert« ebenso festigte, wie es in Magdeburg die Vita A getan hatte.73

      Die ersten Consuetudines und ihre Fortschreibung im 12. Jahrhundert

      Vielleicht schon beim ersten der jährlichen Treffen wurden aufgrund der Unbestimmtheit der Augustinusregel und der Auflösungstendenzen in der Filiation von Prémontré Gebräuche (Consuetudines) festgelegt.74 Die ersten erhaltenen sind wohl frühestens 1130 entstanden, falls die wegen des anachronistischen Sprechens vom Ordo Praemonstratensis in der Salutatio verdächtige Bestätigungsbulle Innozenz’ II. vom 12. April 1131 im Kern echt ist. Sie sind in Clm 17114 aus Schäftlarn erhalten und werden nach dem Editor Raphael Van Waefelghem als PW bezeichnet.75 Diese Redaktion ist noch wenig systematisch, die Vorschriften für Kleriker und Konversen sind gemischt, die für die Schwestern (c. 74–81) bilden den Schluss. Die Kapitel 1–47 haben die gleiche Struktur wie die Gesetzgebung von Cîteaux, die Kapitel 45–60 (Schuld- und Strafkodex) weisen starke Parallelen mit den Statuten von Klosterrath auf.76 Wir haben also eine Mischung aus monastischer und kanonikaler Tradition vor uns, die für das frühe Prémontré geradezu programmatisch ist.

      Eine zweite Redaktion des Liber consuetudinum (P2), nun nach dem Vorbild des Decretum Gratiani in vier Distinctiones eingeteilt, entstand 1154, also noch in Hugos von Fosses Amtszeit. Sie wurde am 3. Januar 1155 von Hadrian IV. bestätigt. Sie ist erhalten in Clm 1031 (12. Jahrhundert, Windberg)77 sowie in einer auf eine Handschrift aus Neustift bei Freising zurückgehenden Abschrift des 15. Jahrhunderts aus dem Augustinerchorherrenstift Indersdorf (Clm 7702), nach der sie von Wilfried M. Grauwen 1978 ediert wurde (nach dem Editor als PG bezeichnet).78 Eine spätere Variante dieser Redaktion, die Institutiones Praemonstratenses von 1161/65, wurde bereits von Edmond Martène 1737 nach einer Handschrift aus St. Viktor in Paris herausgegeben (nach dem Editor als MA bezeichnet).79 Die erste Distinktion regelt die Tagesordnung im Kloster, die Novizenaufnahme und außergewöhnliche Anlässe (Reisen, Krankheit, Aderlass), die zweite Distinktion beschreibt die Klosterämter (Abt, Prior, Subprior usw. bis zum Pförtner und Tischleser), die dritte enthält den Schuld- und Strafkodex, die vierte regelt das Verhältnis der Klöster untereinander (jährliches Generalkapitel, Errichtung von Abteien, Filiation, Visitation, Abtswahl) und enthält den ganzen Orden betreffende Bestimmungen hinsichtlich der einheitlichen Speise- und Kleiderordnung. Nach dieser Redaktion ist bislang bis 1222 keine Fortschreibung bekannt.80

      Das Generalkapitel

      Die erste Zusammenkunft der sechs Äbte der Filiation von Prémontré um das Jahr 1128 wird von den Viten A und B übereinstimmend berichtet, vom Beschluss eines jährlichen Treffens und der Zahl der Teilnehmer in den Folgejahren weiß nur die Vita B.81 In der gefälschten Bulle Sacer Ordo vester Innozenz’ II. vom 3. Mai 1134 (JL 7654) wird die Initiative des jährlichen commune Capitulum auf Norbert zurückgeführt, der hier zudem als bonae memoriae, also als verstorben, bezeichnet wird, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch lebte.82 Die Bulle Qui divina disponente Innozenz’ II. vom 21. Dezember 1138 (JL 79278) erkennt der Äbteversammlung das Disziplinarrecht zu, noch ohne von einem Generalkapitel zu sprechen. Die Bulle Desiderium nostrum Cölestins II. vom 6. Dezember 1143 (JL 8451) verbietet den Bischöfen, die Äbte der Congregatio am Besuch der Zusammenkunft (conventus) in Prémontré zu hindern.83

      Durch das Fehlen von Protokollen der frühen Generalkapitel bis ins 15. Jahrhundert ist deren Überlieferung sehr lückenhaft.84 Doch aus der Zeit zwischen 1140 und 1153 haben wir 22 Dekrete der jährlichen Kapitel summarisch im Windberger Codex Clm 1031 überliefert, von denen Dekret 13 verordnet, dass die Consuetudines zu den jährlichen Kapiteln propter uniformitatem litere mitzubringen sind, was zeigt, dass hier Änderungen auch außerhalb einer gesamten Statutenredaktion vorgenommen wurden.85

      Tatsächlich enthält erst die Statutenversion P2 von 1154 eine klare Bestimmung über das mit allgemeiner Zustimmung eingerichtete jährliche Kolloquium aller Äbte in Prémontré, als der Mutter aller Klöster: Es sollte jeweils am 9. Oktober, dem Fest des hl. Dionysius, stattfinden. Ziele sind:

      • Festigung der Gebräuche,

      • gegenseitiger Besuch,

      • Wiederherstellung der Lebensordnung,

      • Festigung des Friedens,

      • Bewahrung der gegenseitigen Liebe.

      Zugleich werden dem Abt von Prémontré und dem Generalkapitel die Korrektur- und Strafgewalt zugesprochen und alle zum Gehorsam diesen gegenüber verpflichtet. Bei Krankheit ist die Entsendung eines Stellvertreters verpflichtend. Das Fernbleiben wird unter Strafe gestellt.86 Diesen Status gibt Hermann von Tournai wieder, der die Initiative für das jährliche generale Capitulum von Norbert ausgehen lässt und keine 30 Jahre nach der Gründung von Prémontré bereits 100 Äbte nicht nur aus Frankreich, sondern auch aus Schwaben, Sachsen und dem Baskenland als Teilnehmer nennt.87 Wie oft bei Hermann ist dies freilich wohl eher eine Übertreibung und in Anbetracht der Tatsache, dass Mitte des 12. Jahrhunderts bereits 200 Klöster zum Prämonstratenserorden zählten,88 auch eine ernüchternde Feststellung. Aus diesen Erfahrungen wurde in die erweiterte Statutenredaktion von 1161/66 als weiterer Hinderungsgrund die zu weite Entfernung aufgenommen.

      Eine erhebliche