Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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B aus Prémontré (ca. 1152–1164) stammt, sowie die Bistumsgeschichte von Laon aus der Hand des Hermann von Tournai (vor 1147).31 Norberts angebliche Schriften sind alle unecht.32 Die genannten narrativen Quellen zeichnen ein Bild Norberts, das zwar in manchem Detail verschieden ist, aber in wichtigen Zügen übereinstimmt und durch weitere Dokumente gestützt werden kann.

      Vom Höfling des Kaisers zum Wanderprediger

      Nach neuesten Erkenntnissen wurde Norbert zwischen 1070 und 107533 wohl in Gennep im damaligen Niederlothringen als Sohn von Heribert Herr von Gennep und seiner Frau Hadwigis (Hedwig) geboren.34 Er hatte einen (wohl älteren) Bruder namens Heribert. Der nachgeborene Norbert wurde zum geistlichen Stand bestimmt und an dem bedeutenden Chorherrenstift St. Viktor in Xanten mit einer Pfründe versorgt. Schon früh kam er an den Hof des Kölner Erzbischofs Friedrich I. und an den Hof König Heinrichs V. Er hatte reichliche Einkünfte und Besitzungen. Nach Hermann von Tournai begleitete Norbert mit Erzbischof Friedrich König Heinrich V. auf seiner Romreise 1110/11, die in der Gefangennahme des Papstes Paschalis II. und seiner Kardinäle gipfelte.35

      In das Jahr 1115 fällt Norberts »Bekehrung« vom weltlichen Hofleben zu einem streng gregorianischen Bußleben, das von den Viten nach dem Vorbild der Bekehrung Pauli dramatisch gestaltet wird, doch historisch nicht gesichert ist. Es begann jedenfalls eine Zeit intensiver Suche nach einem ihm angemessenen Lebensideal. Kurze Zeit hielt er sich im Kloster der Reformbenediktiner in Siegburg unter Abt Kuno auf. Entgegen den Bestimmungen des Kirchenrechts ließ sich Norbert in dieser Zeit von Erzbischof Friedrich am gleichen Tag zum Diakon und zum Priester weihen. Anschließend kehrte er nach Xanten zurück und erhob dort schwere Anschuldigungen gegen die Lebensweise der dortigen Stiftsherren. Die Suche nach einem ihm gemäßen religiösen Leben führte ihn u. a. zu den Reformkanonikern von Klosterrath und an die Mosel zum Einsiedler Liudolf und seinen Gefährten. Zwei Jahre verbrachte er als Einsiedler auf dem Fürstenberg bei Xanten, predigte aber auch in der Umgebung. Am 28. Juli 1118 wurde er deshalb vor einer Synode in Fritzlar angeklagt, aus eigener Vollmacht zu predigen und eine ordensähnliche Kleidung aus Schaf- und Ziegenfellen zu tragen, ohne jedoch Mönch zu sein.

      Norbert wartete aber die Entscheidung der Synode nicht ab, sondern zog von dannen, übergab dem neu gestifteten Kloster auf dem Fürstenberg einige seiner Besitzungen und ging barfuß mit einem Bußkleid als Wanderprediger nach Südfrankreich. Im Wallfahrtsort St-Gilles traf er Ende 1118 Papst Gelasius II. und ließ sich von ihm die Predigterlaubnis erteilen. Im Frühjahr 1119 hielt er sich in Valenciennes in Nordfrankreich auf, wo er am Palmsonntag predigte. Wenige Tage später besuchte er seinen Schulkollegen und Freund aus höfischen Zeiten, Bischof Burchard von Cambrai, der ob seines äußeren Erscheinungsbildes entsetzt war. In Valenciennes schloss sich ihm ein Kleriker des Bischofs an, Hugo von Fosses, der später erster Abt von Prémontré werden sollte.36 Predigend und Frieden stiftend in den zahlreichen Fehden der Zeit zog Norbert nach dem Vorbild der Apostel durch Nordfrankreich und das südliche Belgien, begleitet vom Zustrom der Massen und dem Ruf eines Wundertäters. Zur Bestätigung seiner Predigterlaubnis durch den neuen Papst Calixt II. ging er im Oktober 1119 zur Synode von Reims und erreichte durch Bischof Bartholomäus de Joux von Laon eine Audienz. Der Papst beauftragte seinen Verwandten Bischof Bartholomäus, für Norbert zu sorgen und ihn mit nach Laon zu nehmen, wo er den Winter 1119/20 verbrachte und in der berühmten theologischen Schule Lektionen hören wollte, wogegen der monastische Eiferer Drogo, Prior des Benediktinerklosters St. Nikasius in Reims, heftig protestierte.37 Bischof Bartholomäus versuchte, Norbert zum Abt des Stiftes St. Martin in Laon zu machen, was aber am Widerstand der Stiftsherren und an Norberts radikalen Vorstellungen scheiterte. Den Plan, Norbert in seinem Bistum sesshaft zu machen, ihn in die Klerusreform der Diözese Laon einzubinden und ihn damit von der suspekten Wanderpredigt abzuhalten, verfolgte Bartholomäus de Joux aber weiter.

      Gründung von Prémontré, erste Klöster, erneute Wanderpredigt

      Nachdem Norbert mit Bischof Bartholomäus verschiedene Orte für eine mögliche Klostergründung mit eremitischem Einschlag besichtigt hatte, einigten sie sich im Frühjahr 1120 auf das Tal von Prémontré, ca. 20 km westlich von Laon, wo sich eine Johannes dem Täufer geweihte Kirche befand, die zur Benediktinerabtei St-Vincent in Laon gehörte.38 Doch Norbert ließ sich nicht an Prémontré binden, sondern zog im Frühjahr 1221 wieder auf Wanderpredigt und sammelte 13 Gefährten für seine neue Gründung. Unter diesen Gefährten befand sich Evermod, der spätere Bischof von Ratzeburg, den Norbert in Cambrai kennenlernte. Anders als Hermann von Tournai schildern die Viten auch die Anfangsschwierigkeiten einer noch ungefestigten und nach dem Vorbild der »neuen Eremiten« nicht auf eine Regel verpflichteten Gemeinschaft, die sich nur auf ein Leben nach dem Evangelium nach Art und Weise der Apostel (vita apostolica) geeinigt hatte. Wohl auch im Hinblick auf die kirchliche Anerkennung wählte Norbert die von den Reformkanonikern bevorzugte Augustinusregel in der Fassung des Praeceptum longius mit dem Ordo monasterii und dem Praeceptum.39 Da sie in ihren Einzelvorschriften relativ unbestimmt ist, mussten viele Bereiche des klösterlichen Lebens erst langsam institutionalisiert werden, so auch der Identität stiftende Habit aus weißer Wolle, den die Viten einerseits als Zeichen der Buße deuten, andererseits mit den Engeln als Zeugen der Auferstehung am leeren Grab verknüpfen.40 Bereits hier zeigt sich die für den Prämonstratenserorden dann typische Verbindung monastischer und kanonikaler Elemente. Auf diese Regel legte Norbert mit seinen Gefährten am Weihnachtsfest 1121 die Profess ab.

      Doch schon vorher hatte er offenbar an einen weiteren Kreis von Klöstern gedacht. Denn im Herbst 1121, als der Klosterbau weit gediehen war, reiste Norbert nach Köln, um Reliquien für die neue Kirche zu holen, aber auch 30 Gefährten für seine Klöster anzuwerben. Auf dem Weg nahm er die Schenkung des Grafen Gottfried von Namur und seiner Frau Ermesinde an, aus der das Kloster Floreffe, die erste Gründung außerhalb des Bistums Laon, entstand. Die Schenkung wurde am 27. November 1121 beurkundet.41 In Köln traf er möglicherweise auch den jungen Grafen Gottfried von Cappenberg, der dann 1122 seine Burg Cappenberg Norbert und seinen Brüdern übergab und in das erste rechtsrheinische Kloster verwandelte.42

      Kaum ließ die Winterkälte nach, zog Norbert 1122 wieder aus, um zu predigen, nicht mit dem Habit, sondern mit seinem alten Bußgewand bekleidet. Am 18. November 1122 konnte endlich die Kirche von Prémontré durch Bischof Bartholomäus de Joux konsekriert werden. Im Winter 1123/24 war Norbert persönlich in Cappenberg, während dieses von Friedrich von Arnsberg, Gottfrieds Schwiegervater, belagert wurde.43 Im Sommer 1124 predigte Norbert in Antwerpen gegen die radikalen Anhänger des gregorianischen Predigers Tanchelm († 1115) und erhielt die Abtei Sint-Michiels mit zwölf Klerikern, allerdings ohne die Pfarrrechte.44 Damit war ein Schritt von Prémontrés Einsamkeit in den Umkreis einer bedeutenden Stadt getan. Weitere Schenkungen folgten. Zwischen 1124 und 1126 wurde zudem das Kloster St. Martin in Laon von Bischof Bartholomäus Norberts Obhut übergeben. Am 28. Juni 1124 bekam Norbert in Noyon durch die päpstlichen Gesandten Gregorius Papareschi (nachmals Innozenz II.) und Petrus Leonis (nachmals Gegenpapst Anaklet II,) die päpstliche Bestätigung seiner Gründung in Prémontré und seiner Lebensweise als Regularkanoniker. Damit war die Gründung institutionell abgesichert, jedoch wegen der unsteten Lebensweise ihres Gründers immer noch gefährdet, wie sich bald zeigen sollte.

      Von Prémontré nach Magdeburg45