Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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angeregt und begleitet hat. Das Manuskript wurden von meinen Mitbrüdern und Mitgliedern der Historischen Kommission des Prämonstratenserordens, Dr. Ludger Horstkötter, Hamborn, und Lic. Hermann Janssens, Averbode, kritisch gegengelesen. Beiden bin ich für viele Anregungen und Hinweise dankbar. Nicht zuletzt gilt mein Dank Frau Christine Eckmair für die sorgfältige Korrektur und dem Verlag W. Kohlhammer für die Annahme und Betreuung des Manuskripts.

Schlägl, im Advent 2019Ulrich G. Leinsle O. Praem.

      Einleitung

      Der Prämonstratenserorden ist in mehr als einer Hinsicht eine geschichtliche Erscheinung, die nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen ist.1 Entstanden im 12. Jahrhundert aus der Gregorianischen Reform des Klerus und der Augustinusregel verpflichtet, gehört er zur Gruppe der Regularkanoniker (Chorherren). Diese verbanden gemeinsames Leben in Gütergemeinschaft nach dem Vorbild der Jerusalemer Urgemeinde mit dem liturgischen und pastoralen Dienst an einer bestimmten Kirche und waren durch die Bischöfe oft in die Klerusreform der Diözesen eingebunden. Bereits die ersten Consuetudines (Gebräuche) um 1130 nahmen in Anlehnung an die Zisterzienser und an Gemeinschaften von Reformkanonikern zahlreiche monastische Elemente wie Stillschweigen, Handarbeit, Fasten und wollene Kleidung in weißer Farbe auf, die das mittelalterliche Erscheinungsbild des Ordens prägten.

      Diese Mittelstellung zwischen Mönchen und säkularen Kanonikern war seit dem Mittelalter wiederholt Angriffen von außen, aber auch Diskussionen im Innern des Ordens um die Ausrichtung in einer vita mixta zwischen Kontemplation und Aktion ausgesetzt. Hinzu kommt, dass der charismatische Initiator des Ordens, Norbert von Xanten (vor 1080–1134), als Wanderprediger, Gründer von Prémontré (Diözese Laon, Frankreich) und Erzbischof von Magdeburg (ab 1126) einen anderen Lebensstil vertrat. Während sich die zu Prémontré gehörenden Klöster in ihren Gebräuchen den Mönchsklöstern annäherten, orientierte man sich in der Magdeburger Gruppe stärker an den bestehenden Kanonikerstiften, auch in Habit, Liturgie und Übernahme von Seelsorge. Eine Folge dieser Doppelung war, dass die an Frankreich orientierten Klöster Äbte als Vorsteher hatten, während die Magdeburger Stifte von Pröpsten geleitet wurden.2 Hinsichtlich ihrer Stellung waren aber beide Rechtsfiguren der Prälaten bis 1660 gleichgestellt. Durch die beiden Pole Prémontré und Magdeburg war die Einheit des Ordens und die oft beschworene Uniformität der Lebensweise von Anfang an prekär, zumal in Zeiten eines Schismas im Papsttum. Das als Integrationsinstrument gedachte jährliche Generalkapitel konnte diese Aufgabe kaum meistern.

      Die Grundform eines Prämonstratenserstiftes ist die selbstständige Kanonie, im Orden wechselweise als Kloster oder Stift bezeichnet. Sie wurde von einem Mutterstift aus gegründet und stand unter der Aufsicht des »Vaterabtes«, d. h. des Abtes bzw. Propstes des Mutterstiftes, der auch das Visitationsrecht besaß. Es herrschte also ein Filiationsprinzip wie bei den Zisterziensern. Durch die weit entfernten Tochtergründungen und die reformierten säkularen Kanonikerstifte, die als Töchter von Prémontré betrachtet wurden, war die Überwachung der Observanz in der eigenen Filiation oft nicht mehr möglich. Deshalb wurde der Orden bereits im 12. Jahrhundert in Provinzen eingeteilt, Zirkarien genannt, die ein Circator im Auftrag des Generalkapitels zu visitieren hatte.3

      Die nach dem Vorbild der Urgemeinde versammelte Gemeinschaft war zu Norberts Zeiten eine Gemeinschaft von Priestern, Laien (Konversen) und Frauen. Die Konversen stellten in der Zeit der zahlreichen »Bekehrungen« Adeliger den größten Teil der Konvente dar. Sie waren in der Wirtschaft des Klosters eingesetzt. Die Frauen, die ursprünglich oft in einem »Annexkloster« des Stiftes untergebracht wurden, wurden im späteren 12. Jahrhundert in eigene Frauenklöster mit strenger Klausur übersiedelt und teilweise in Chorfrauen und Laienschwestern (Konversen) unterschieden. Die Frauenklöster unterstanden der Aufsicht des Abtes des Männerklosters, der für sie ggf. einen Propst oder Prior bestellte. Die innere Leitung hatte eine Priorin oder »Meisterin«.

      Die Struktur des Ordens in selbstständige Kanonien brachte es mit sich, dass sich die Zentralgewalt meist nur schwach ausbilden konnte. Diese bestand bis zur Französischen Revolution im Abt von Prémontré, der sich seit der Ordensreform des späten Mittelalters »Generalabt« nannte, und dem zunächst jährlich, seit 1630 in größeren Abständen tagenden Generalkapitel. Seit 1869 wird der jeweilige Generalabt vom Generalkapitel gewählt; seit 1937 hat er seinen Sitz in Rom.

      Die weite Verbreitung des Ordens und die Eigenständigkeit der Kanonien bringen es mit sich, dass Gesamtdarstellungen der Geschichte des Prämonstratenserordens im männlichen (Erster Orden) und weiblichen (Zweiter Orden) Zweig selten und jeweils aus dem Blickwinkel einer regionalen Tradition geschrieben sind. Dies gilt ebenso für Basil Grassl aus dem böhmischen Stift Tepl4 wie für Norbert Backmund, der hauptsächlich die Einleitung zu den einzelnen Zirkarien aus seinem Monasticon Praemononstratense wiedergibt,5 und die umfassendste Darstellung der Geschichte und Spiritualität der Prämonstratenser von Bernard Ardura.6 Dieser unvermeidlichen Perspektivität ist sich auch dieser Band bewusst. Geschrieben von einem Angehörigen eines österreichischen Prämonstratenserstiftes, versucht er, der Eigenart und eigenständigen Entwicklung des Ordens in anderen Teilen Europas und in Übersee nach Möglichkeit gerecht zu werden. Der Schwerpunkt liegt aber im Hinblick auf die Leserschaft des Buches auf dem deutschen Sprachraum.

      Über die Geschichte der einzelnen Klöster informiert das Monasticon Praemonstratense von Norbert Backmund,7 über die französischen Klöster ausführlicher Bernard Ardura,8 über die englischen Howard M. Colvin.9 Für die Gelehrtengeschichte des Ordens ist immer noch das bio-bibliographische Lexikon von Léon Goovaerts (1899–1916) unentbehrlich. Seit 1924 besteht im Orden eine Historische Kommission, die seit 1925 die internationale Zeitschrift Analecta Praemonstratensia herausgibt, in der wichtige Beiträge zur Geschichte des Ordens, Dokumente und Nachrichten über die neueste Literatur zu den einzelnen Häusern publiziert werden. Die Zeitschrift wird ergänzt durch die Buchreihe Bibliotheca Analectorum Praemonstratensium. Die frühneuzeitlichen Standardwerke von Jean Le Paige10 und Charles Louis Hugo11 wurden 1998/99 in der Reihe Instrumenta Praemonstratensia nachgedruckt.

      1 Eine neue Lebensweise (ordo)

      Die Prämonstratenser verdanken ihre Gründung nicht einer Strategie eines Ordensstifters, sondern kontingenten Ereignissen in der Biographie Norberts von Xanten1 und Eingriffen von außen. Sie sind in die gesamte Gregorianische Klerusreform des 11. Jahrhunderts2 hineingestellt und waren durch ihre neue Lebensweise (ordo)3 von Anfang an Gegenstand lebhafter Auseinandersetzung in der klösterlichen und katholischen Welt.

      Der vielschichtige Prozess der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts, die mit dem Namen des Papstes Gregor VII. (1073–1085) verbunden ist, erfasste, vom Mönchtum ausgehend, auch die Lebensweise und den Dienst der Kanoniker. Der Terminus canonicus bezeichnet dabei ursprünglich einen Kleriker, der in der verbindlichen Liste (canon) des Klerus einer Kirche eingeschrieben ist, für deren liturgischen Dienst er zuständig ist (so im Konzil von Clermont 535, canon 15). Damit verband sich jedoch sehr bald die Vorstellung von einem Kleriker, der nach den Canones, den Dekreten der Kirche, zu leben hat.4 Konkret sind damit die Kleriker an Dom- und Stiftskirchen (Kollegiatstiften)