Die Prämonstratenser. Ulrich Leinsle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulrich Leinsle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783170323919
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      Adelsgründungen und Vogtei

      Hinsichtlich der Gründer der neuen Klöster lassen sich unterscheiden:

      • bischöfliche Gründungen, wie etwa Prémontré selbst und die meisten dänischen Klöster (auch Neustift bei Freising, Schäftlarn u. a.)

      • Gründungen der Landesherren (Könige von Frankreich, Spanien, Böhmen, Herzöge von Pommern usw.)

      • die zahlreichen Gründungen des Adels auf ihren Gütern, teilweise in Umwandlung von Adelssitzen in Chorherrenstifte (z. B. Windberg, Pernegg), nicht selten bei fehlenden Nachkommen.

      Eine Sonderform sind die vom Adel gestifteten Frauenklöster, die nicht von einem Annexkloster aus besiedelt wurden, sondern bereits als Frauenstifte konzipiert waren (besonders in der Westfälischen Zirkarie und in Franken) und dann einem Abt als Vaterabt unterstellt wurden.

      Adelsgründungen hatten vielfältige Aufgaben zu erfüllen, deren vornehmste in spiritueller Hinsicht das Gebet und Totengedenken für die Stifter war. Daneben bildeten »Hausklöster« den spirituellen Mittelpunkt des jeweiligen Herrschaftsbereiches, deutlich z. B. bei Veßra in der Grafschaft Henneberg oder im Versuch der Meisterin Gertrud von Thüringen (1227–1297) und ihrer Schwester Sophie, Herzogin von Brabant, Altenberg an der Lahn als geistliches Zentrum der neuen Landgrafschaft Hessen zu etablieren.15 Mit den geistlichen Verpflichtungen waren meist auch wirtschaftliche verbunden, teilweise auch eine starke Einflussnahme der Gründerfamilien auf ihre Klöster mittels der von ihnen behaupteten Vogtei, der weltlichen Schutzherrschaft. Obwohl die Prämonstratenser in ihren Statuten schon ca. 1130 Vogteien ablehnten,16 war die Vogtfreiheit unter päpstlichem oder kaiserlichem Schutz oder das Recht der freien Vogtwahl oft nur auf dem Papier gegeben. Übergriffe der Vögte auf das Klostergut sind ebenso zu verzeichnen wie langwierige Auseinandersetzungen mit den Konventen, in denen sich die Klöster mit teilweise gefälschten bischöflichen oder päpstlichen Urkunden zu wehren versuchten.17

      Schulen, Kollegien, Wissenschaft

      Die Prämonstratenser unterhielten an ihren Klöstern zumindest teilweise interne Schulen zur Heranbildung ihres Nachwuchses.18 Schulen für Schüler, die nicht dem Kloster oder Orden beitreten wollen, wurden dagegen vom Generalkapitel zwischen 1140 und 1153 abgelehnt. Gleiches galt für die Schulen und Schülerinnen der Frauenklöster.19 Über den Lehrplan der inneren Schulen sind wir leider kaum unterrichtet. Gelegentlich sind Namen der Scholaster überliefert. Aus den Schriften und Briefen des Abtes Philipp von Harvengt wird deutlich, dass in den als claustrum alterum aufgefassten Schulen die klassische Bildung und die Auslegung der hl. Schrift ihren vorrangigen Platz hatten.20 Zugleich diente die schola disciplinae der Einübung des richtigen Lesens und Singens als Voraussetzung für die Zulassung zu den Höheren Weihen.21 Berühmt waren die lateinischen Schulen der friesischen Klöster, insbesondere von Mariengaarde, wo sich u. a. Hermann Josef von Steinfeld die nötige Bildung aneignete.22

      Das 12./13. Jahrhundert war aber auch die Blütezeit der theologischen Schulen, aus denen dann Universitäten entstanden. Prominente Vertreter des Ordens hatten in Paris, Oxford und Köln studiert. Philipp von Harvengt pflegte um die Mitte des 12. Jahrhunderts den Briefkontakt mit Scholaren von Paris. Vom Generalkapitel wurde allerdings zu Beginn des 13. Jahrhunderts der Besuch auswärtiger Schulen verboten. Die dorthin entsandten Kanoniker sollten zurückgerufen werden.23 Diese Bestimmung wurde in den Statuten von 1236/38 dahingehend geändert, dass nun ein solcher Besuch einer auswärtigen Schule nur dann erlaubt war, wenn das Generalkapitel zugestimmt hatte.24

      In Paris, wo schon 1210 die Abtei Hermières die Verwaltung eines xenodochium der Hl. Dreifaltigkeit übernommen hatte, das wohl auch den dort Studierenden offenstand, verfügte 1252 die Theologische Fakultät, dass die Religiosen in einem eigenen Kolleg wohnen mussten. Noch im selben Jahr gründete der Abt von Prémontré Johannes von Rocquigny, selbst ehemaliges Mitglied der Pariser Universität, das Kolleg St. Anna in der rue Hautefeuille, das 1255 bereits erweitert werden musste. 1294 bestätigte König Philipp IV. das Kolleg, das für das ganze Mittelalter das einzige Kolleg in einer Universitätsstadt blieb und universitäre Ausbildung mit klösterlicher Disziplin verbinden sollte.25 An der Universität spielten die Prämonstratenser keine besondere Rolle. Ein Magister Johannes Praemonstratensis ist allerdings 1295 bei der Disputation eines Quodlibet bezeugt.26

      Der vornehmliche Raum prämonstratensischer Wissenschaft blieb das eigene Kloster. Hier blühte im 13. Jahrhundert die Geschichtsschreibung mit den Weltchroniken des Propstes Burchard von Ursberg (1215–1231) und Roberts von Auxerre († 1212).27 Für die Kloster-, Ordens- und Regionalgeschichte bedeutend sind die friesischen Chroniken von Mariengaarde und Bloemhof (Wittewierum)28 und die Chronik des Abtes Gerlach (Jarloch) von Mühlhausen/Milevsko.29

      Mit der Ausbreitung des Ordens ging aber auch ein Wandel der Lebensform einher. Das Ideal der vita apostolica in Gütergemeinschaft und persönlicher Armut in einer Gemeinschaft von Männern und Frauen verlor an Anziehungskraft. Nun ging es darum, in ein bestehendes, hierarchisch gegliedertes Kloster einzutreten, dort eine gute Ausbildung zu genießen und ggf. Ämter im Kloster oder außerhalb zu bekleiden. In diesem Wandel orientierten sich die Prämonstratenserstifte zunehmend an den Lebensgewohnheiten weltgeistlicher Stifte oder anderer alter Orden, während zu Beginn des 13. Jahrhunderts die neuen Bettelorden die Idee radikaler Armut aufnahmen und eine große Attraktivität gewannen. Diese Entwicklung weist regional große Unterschiede auf und kann hier nur in allgemeinen Zügen dargestellt werden.

      Pfründe und Pitanz

      Das deutlichste Zeichen einer neuen Lebensweise in den Männer- und Frauenklöstern des Ordens ist die Abkehr von der Gütergemeinschaft und die Rückkehr zum Pfründensystem (praebenda), wie es schon seit dem 9. Jahrhundert in vielen Klöstern üblich war.30 Das Kloster war gegenüber den Konventualen zu bestimmten Unterhaltsleistungen an Wohnung, Speise und Trank, ggf. auch an Kleidungsstücken verpflichtet. Was über den persönlichen Bedarf hinausging, z. B. von der festgelegten Essensration im Refektorium, konnte von einzelnen Mitgliedern verschenkt oder verkauft werden. Alle Mitglieder und Bediensteten des Klosters erhielten somit ihren Unterhalt in Form von Pfründen, wobei einzelne Formen nach Stand unterschieden wurden (Abts-, Herren-, Frauen-, Jungherren-, Konversen- und Novizenpfründen usw.). Der Ordenseintritt wurde damit zur Einpfründung in ein Stift mit den daraus abgeleiteten Ansprüchen. Jede Herabsetzung der Reichnisse, z. B. gerade in Notzeiten, rief Widerstand hervor. Deshalb wurde bei der Minderung der Reichnisse durch das Generalkapitel im Jahr 1307 bei Widerstand mit schwerer Bestrafung gedroht. Die einzelnen Ämter der Wirtschaftsführung (Kellermeister, Kastner usw.) hatten zudem eigene Kassen und Ansprüche, sodass ein Gefälle zwischen armen und reichen Chorherren und Chorfrauen entstand. Wurden die Pfründen auf eine bestimmte Zahl (numerus clausus) beschränkt, ergaben sich Wartezeiten auf eine Pfründe, wie sie vornehmlich in Frauenklöstern feststellbar sind.

      Die Pfründen der einzelnen Mitglieder konnten auch durch Erbbeteiligungen und Leibrenten von Seiten der Verwandten aufgebessert werden. In den Frauenklöstern