Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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voneinander lösen musste, einiges Wesentliche war noch zu erkennen. Die Fotos auf der Innenseite zeigten ein typisches Thai-Restaurant, gemütlich eingerichtet, mit einer kleinen Bühne, auf der Tänzerinnen in bunter, glitzernder Kostümierung zu sehen waren. Er blätterte die Seiten durch und stellte fest, dass dort eine stattliche Palette an Speisen, traditionellen Getränken und Cocktails angeboten wurden. Er blätterte wieder zurück und fand dann, wonach er suchte. Die Adresse vom Restaurant. Nahe Hauptbahnhof, Spadenteich 3. Und dann stockte ihm der gefilterte Atem.

      „Hey, Leute - ich werd’ verrückt!“ Er hielt die Karte empor, und Bianca und Pergande sahen sich um. „ ...wer Inhaberin vom Restaurant ‘Siam Park’ ist!“

      „Du, Stefan -“ Pergandes Stimme unter der Maske klang gedämpft, und seine Stimme hatte einen beschwichtigenden Tonfall, „wenn, dann suchen wir den Inhaber von diesem Supermarkt.“

      Bianca war schon aufgeschlossener. „Wer ist es denn?“

      Henningsen hielt ihnen die Karte entgegen. „Sriwan Friedlaender.“

      „Wenn mich nicht alles täuscht, ist das...“

      Henningsen sah durch das Sichtfenster in Pergandes Augen. „Ja, genau!“

      Sie veranlassten eine Notverglasung und ließen die Türschlösser austauschen. Der Brandort blieb somit sichergestellt.

      „Wir müssen jetzt umgehend in den Falkenried“, stellte Gregor Pergande fest, während er sich mit Stefan auf der Ladefläche des Ford Transit der Arbeitskleidung entledigte. Dazu blieb ihnen zwischen dem Stauraum nicht ganz ein Meter Platz. „Das siehst du doch auch so, oder?“

      „Na klar.“ Henningsen hängte Jacke und Hose über einen Bügel und verstaute sie in seinem Fach, wo auch die anderen Ausrüstungsgegenstände auf engstem Raum zusammengestellt waren. „Ich frage mich wirklich, warum dieser Friedlaender sich am Brandort aufgehalten hat. Und geht anschließend nach Hause, als wär' es gar nichts, wenn der Supermarkt seiner Ehefrau abbrennt.“

      „Zumindest hätte man erwarten können, dass die Verantwortlichen hier mal erscheinen. Kannst du nicht mal deine Stiefel wegstellen, Stefan? Ich möchte hier keinen Spagat machen müssen.“ Pergande quälte sich aus seinem Overall und sah Henningsen vorwurfsvoll an. „Sie müssten sich normal ja auch auf den Geschäftsbeginn vorbereiten.“

      „Ich versuche mich gerade in die Leute hineinzuversetzen“, überlegte Stefan, an die Regalbretter des Stauraums gelehnt. Er beobachtete Gregor mit verhaltenem Lächeln, weil er von ihm den Spagat sehen wollte, nahm dann aber doch die Stiefel und stellte sie in sein Fach. „Daniel Friedlaender geht nach Hause und berichtet von dem Feuer. Die Ladeninhaberin wegen der bevorstehenden Ladenöffnung in heller Aufregung, zieht sich an und kommt umgehend her. Somit müsste sie also längst hier sein.“

      „Wir wissen nur nicht, wen du vorhin telefonisch erreicht hast. War es die Inhaberin, auf einer Fete und sturzbetrunken?“

      „Vielleicht die, von der die Nachbarn erzählt haben.“

      „Aber irgendjemand müsste erscheinen.“

      Henningsen und Pergande sprangen nacheinander ins Freie, wo Bianca in ihrem Bühnenoutfit stand und die Schutzkleidung über den Arm trug. „Wir müssen unverzüglich in den Falkenried“, drängte sie und warf ihre Sachen in den Transit. „Ich bin dabei.“

      „Zu dritt wäre vielleicht etwas übertrieben“, stellte Pergande nachdenklich fest, „fahr du ruhig nach Hause. Wenn du nur einen kleinen Umweg über St. Georg machen könntest? Sieh dir mal das Restaurant an. Würde mich wirklich interessieren, was für ein Gourmet-Tempel das ist.“

      Falkenried. Eine ruhige Wohnstraße zwischen Martinistraße und Lehmweg. Weiter unten, in dem Neubaugebiet vis-à-vis vom Isebekkanal, hatte Rafael van der Vaart mit seiner Frau Silvie gewohnt. Henningsen war darüber genau informiert, weil er erbarmungsloser HSV-Fan war. Der obere Straßenabschnitt, ab dem Eppendorfer Weg, zeichnete sich, zumindest im Sommer, durch gesunde, dicht belaubte Kastanienbäume und hohe Parkplatznot aus. Noch waren die Bäume, ohne positiven Einfluss auf die Parkplatznot, winterkahl. Die Wohnhäuser stammten fast alle aus der Gründerzeit. Das, vor dem sie nun standen, musste allerdings später entstanden sein und eine Lücke ausgefüllt haben. Die Fassade war grob verputzt und hellgelb übermalt. Rechts gab es eine Parterrewohnung mit kleinem Vorgarten, links eine Toreinfahrt zum Gewerbehof. Das schwarze schmiedeeiserne Doppeltor war geschlossen.

      Pergande stellte den Transit vor dem Tor ab und legte das Schild „Kriminalpolizei“ auf das Armaturenbrett. Henningsen war bereits hinaus gesprungen und studierte das Klingelbrett. ‘Friedlaender’ stand unten rechts. Also wohnten sie in der Parterrewohnung. Nur wenige Fenster waren in dieser frühen Stunde erleuchtet. Aber dort brannte Licht, und es war auch Bewegung hinter den herabgelassenen Rollos zu erkennen.

      Henningsen sah seinen Kollegen hinzu kommen. In seinem Blick Verwunderung darüber, warum er zögerte. Doch Stefan war stets zurückhaltend wenn es darum ging, unmittelbar nach einer Tat bei unklarem Hintergrund einen Betroffenen aufzusuchen und nicht zu wissen, welche Rolle er spielte. Andererseits konnte man mit dem obligatorischen „Beileidsbesuch“ heute Morgen noch keinen taktischen Fehler begehen.

      Es hatte endgültig zu regnen aufgehört. Henningsen lief ein Schauer über den Rücken, als er einen jungen Mann im T-Shirt mit Brötchentüte und Tageszeitung die Straße hinunter kommen sah.

      „Worauf wartest du?“ wollte Pergande wissen.

      Henningsen klingelte. Drinnen ertönte leise eine elektronische Melodie. Fast augenblicklich wurde der Türöffner betätigt. Also keine hektische letzten Absprachen vor dem erwarteten Zusammentreffen.

      Im Treppenhaus roch es angenehm. Dem Reinigungsmittel haftete unverkennbar eine Frühlingsnote an. Ein Lichtspalt fiel in den dunklen Hausflur und zeichnete sich auf einem alten schwarzen Fahrrad ab, das am Treppengeländer angeschlossen war.

      Sie wurden von einer kleinen Asiatin erwartet. Vom Anblick eine Chinesin, aber nach der Einwohnerdatei war sie, wie Henningsen über Funk recherchiert hat, von thailändischer Herkunft. Sie trug eine dunkelblaue Winterjacke mit Kapuze und war damit beschäftigt, ihren Regenschirm einsatzbereit zu machen. Hinter ihr stand vermutlich ihr Mann, Daniel Friedlaender, einen Kopf größer, in T-Shirt und Boxershorts.

      „Ich bin Stefan Henningsen, Kripo Hamburg, Brandermittlung.“ Aus dem Dunkel des Hausflurs, mit dem Anflug von einem wissenden Lächeln, trat Gregor Pergande hinzu. Stefan wich zur Seite. „Mein Partner, Herr Pergande.“

      „Guten Morgen“, kam es leise von der Asiatin, die auch Henningsen nur bis an die Schultern reichte. „Ich gehen gerade zum Geschäft. Sie kommen wegen das Feuer?“

      „Dann wissen Sie also schon davon.“

      Sie warf einen Blick zurück. „Mein Mann hat mir erzählt.“ Ihre Stimme hatte einen zarten Klang und wirkte höflich und unaufgeregt. In ihren Augen konnte man nur wenig lesen, vielleicht eine Spur Unsicherheit, wie sie Ausländern zu eigen ist, wenn sie mit einer unerwarteten Situation und unklarer Rechtslage konfrontiert sind und sie Verständigungsprobleme befürchteten.

      „Es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn Sie dann auch umgehend zu Ihrem Laden gekommen wären“, ging Pergande in die Offensive.

      „Wollen Sie nicht erst mal eintreten?“ Sie wich zur Seite und gab der Tür einen Schwung, dass sie gegen die Wand stieß. „Noch alles unordentlich“, fügte sie lächelnd hinzu, „und die Kinder noch schlafen. Bitte leise.“ Ein höfliches Lächeln, das nicht zur Situation passte und deswegen, wie Henningsen fand, etwas undurchsichtig wirkte.

      Die Kriminalbeamten fanden sich in einer sehr kleinen Wohnung wieder. In dem winzigen, quadratischen Korridor hing links ein großflächiger Spiegel, in dem Henningsen sein übernächtigtes Gesicht mit den Augenringen betrachten konnte. Daneben stand ein Karton, darauf ein Berg aufgeschichteter Jacken. Nur zwei weitere Türen gab es. Bad und Schlafzimmer vermutlich.

      „Ich versuchen erst meine Schwester zu erreichen“, erklärte die Asiatin, „im Laden ich