Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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mal, schmeckt dir der Kaffee?“

      Henningsen zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich steht er schon eine halbe Ewigkeit auf der Heizplatte. Härtet aber dafür gegen die Giftstoffe am Brandort ab.“ Wie zum Trotz trank er von der tiefschwarzen heißen Flüssigkeit. „Hat Bianca Näheres erzählt?“

      „Nur angedeutet. Aber sie meinte, höchst merkwürdig, was sich da im Asia-Markt abspielt. Bianca hat von Marlene Kopp ein paar Sachen heraus bekommen.“

      „Marlene Kopp?“

      „Aus der oberen Etage. Die Familie, die zur Beobachtung eingeliefert wurde. Bianca kommt gleich zurück. Sie sagt, es gibt einiges zu erzählen. Und ich sage, die Geschichte nimmt langsam Form an.“

      Stefan Henningsen streckte sich auf dem Lehnstuhl aus, als ginge es auf den Feierabend zu. „Du meinst, dass es auf eine Beziehungstat hinaus läuft?“

      „Auf jeden Fall eine Brandstiftung, die mit dem Geschäft oder dem Inhaber in einem engen Zusammenhang steht.“

      „Das ist dann ja alles viel zu einfach“, war Henningsens ironische Feststellung.

      Bianca, die eine Viertelstunde später zu ihnen stieß, fand, dass der Kaffee wie ausgekochte Sportsocken schmeckte, aber auch sie trank einen, mit viel Milch und Zucker. „Ich weiß nicht, was man von der Geschichte halten soll“, begann sie und rührte bedächtig in der Tasse herum, „Frau Kopp erzählte, wie aufgeschlossen sie gegenüber asiatischen Spezialitäten sei. Sie hat sich gefreut, dass nahebei so ein Supermarkt aufmacht und war total enttäuscht, wie unpersönlich und geschäftsmäßig es darin zuging. Selbst die Herzlichkeit kam ihr aufgesetzt und geschäftsmäßig vor.“

      „Alles kein Grund, um so einen Laden in Brand zu setzen“, warf Henningsen ein.

      „Wenn Du mich zu Ende reden ließest...“

      Er hob grinsend die Hand. „O.k., Bianca..., sorry.“

      „Die Ware überteuert, verglichen mit einem Asia-Markt am Hauptbahnhof, die Beratung soll zwar fachmännisch geklungen haben aber manchmal deswegen kaum verständlich, weil die Geschäftsführerin nur rudimentär der deutschen Sprache mächtig ist.“ Bianca blies über den Kaffee und trank einen vorsichtigen Schluck. „Sie soll ziemlich herrschsüchtig sein und die Kassiererin und einen anderen Ladenmitarbeiter schon mal lautstark zur Schnecke gemacht haben, selbst wenn sich Kunden im Geschäft aufhielten. Deswegen seien dort eigentlich nur wenige zum Einkaufen gegangen. Frau Kopp meinte, gut könne der Laden nicht gelaufen sein.“

      Ihre Kollegen sahen sich vielsagend an. Pergande rückte seine Brille zurecht und musterte Bianca prüfend. „Wenn wir jetzt noch erfahren, dass die Ladeninhaberin eine große Inventar- und Geschäftsausfall-Versicherung abgeschlossen hat, dann hätten wir eine erste Arbeitsgrundlage.“

      „Wenn unsere beiden Probanden hier als Verdächtige ausscheiden, ist’s doch immerhin etwas.“ Biancas Miene blieb ernst. „Wir sind hier nicht im Tatort-Krimi, der nach neunzig Minuten aufgeklärt ist.“

      4

      Das Morgengrauen ging fast unmerklich vonstatten. Der Himmel war nach wie vor verhangen, aber es hatte zu regnen aufgehört. Es war nicht ganz fünf Uhr, als das Ermittler-Team die Brandortarbeit aufnahm. Von den uniformierten Kollegen bekam Pergande einen Schlüssel für die Wohnungstür der Verstorbenen ausgehändigt, den die Feuerwehr auf dem Küchentisch gefunden hatte. Dadurch stand ihnen ein Stromanschluss zur Verfügung, und sie konnten die beiden Halogenstrahler aufbauen.

      Nachdem alle drei in dunklen Schutzanzügen und Gummistiefeln steckten und die gelben Atemschutzmasken übergestreift hatten, trugen sie das Equipment hinein und fluteten den Brandort mit gleißendem Licht. Die schwarzen, bizarr geformten Regale und Kühltruhen, die durch den Löschangriff durcheinander geworfene Ware, alles zeichnete sich in aufdringlicher Deutlichkeit ab. Ein Bombenanschlag könnte kaum eine größere Wirkung erzielen, dachte Bianca Jochens bei sich und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, um nirgendwo hängen zu bleiben oder auszurutschen. Die Plastikflaschen mit Speiseöl und anderen Flüssigkeiten waren geschmolzen; der Inhalt bedeckte den gefliesten Boden, und man bewegte sich wie auf Glatteis.

      Mit den Masken war ihr Gesichtsausschnitt eingeschränkt, weshalb sie alle nur langsam voran kamen. Aber es war deutlich ein einziger Brandschwerpunkt zu erkennen, der ihnen in diesem Falle anzeigte, wo das Feuer ausgebrochen sein dürfte. Dort, wo es am längsten und intensivsten gewütet hatte, wo die Schäden am stärksten ausgeprägt waren. Obwohl im angrenzenden Büro eine Menge Papiere herumlagen und Büromöbel standen, zeigte sich der Brandverlauf mehr zum Verkaufsraum und über eine offene Lagerfläche zum Hinterausgang hin, wo durch ein undichtes Fenster Sauerstoff hinein gelangte. Und als die große Schaufensterscheibe zersprang, loderten die Flammen gierig in genau diese Richtung.

      Pergande zeigte auf ein paar Stellen mit scharfkantigen Verbrennungsspuren, die darauf hindeuteten, dass ein flüssiger Brandbeschleuniger eingesetzt worden ist. Von der Feuerwehr hatten sie ja auch schon erfahren, dass eindeutig Benzindämpfe wahrgenommen wurden. Deswegen verzichtete Pergande darauf, die Maske abzusetzen und sich selbst davon zu überzeugen, so wie er es entgegen der Arbeitsschutzbestimmungen sonst gerne tat.

      Doch auch im Büro hat das Feuer großen Schaden angerichtet. Drei Computer-Monitore standen auf einem L-förmig aufgebauten Schreibtisch und waren deformiert. Stapel von Geschäftspapieren durchnässt, verwirbelt und größtenteils angebrannt. Die Rauchgase haben sich schwarz und giftig über die gesamte Büroeinrichtung gelegt, in derselben Intensität auch in den Schränken, was bedeuten konnte, dass sie beim Brandausbruch offen gestanden haben. In einem der Schränke lag der Einsatz der Registrierkasse. In allen Fächern lag Münzgeld. Daran waren die Täter offenbar nicht interessiert. Ob Geschäftsunterlagen durchwühlt wurden, war für sie nicht ohne weiteres ersichtlich, weil die Feuerwehr mit dem Löschwasser auch im Büro nicht gegeizt hat. Der hohe Druck hat viele Sachen auf den Boden gerissen. Henningsen überflog die Papiere, ohne dabei ihre Lage zu verändern. Das meiste waren Rechnungen von Lieferanten aus Bremen und Holland, sowie Cargounterlagen vom Hamburger Flughafen. Auf den ersten Blick entdeckte er nur den Firmennamen als Rechnungsadresse. Vielleicht boten die Ordner in den Büroschränken mehr Ermittlungsansätze. Die Ordnerrücken waren mit fernöstlichen Schriftzeichen oder unverständlichen Abkürzungen versehen.

      Pergande begann bereits mit der Fotodokumentation. Er ging dabei sehr systematisch vor und kennzeichnete die Schüttspuren mit Pfeilen und Nummerntäfelchen. Das Team war sich einig, dass es den Tätern nur darum gegangen ist, im Supermarkt großen Schaden anzurichten; der Brandbeschleuniger wurde von einem Standort unweit des kleinen offenen Warenlagers, wo Reissäcke aufgeschichtet und Kartons gestapelt waren, zur Verkaufsfläche und zum Büroeingang hin ausgeschüttet. Ein paar leere Kartons wurden unterhalb des kleinen Altars mit Buddha-Statue bis zum ersten Warenregal hin in Brand gesetzt. Das war an den völlig verkohlten Überresten zu erkennen. Von hier haben die Täter, vielleicht war es auch nur einer, den Rückzug angetreten. Doch bis zur Hintertür hin waren absolut keine Spuren zu erkennen, die Anhaltspunkte auf sie boten. Kein Gegenstand, der nicht zum Laden gehörte, keine Spur, die auf eine überstürzte Flucht hindeutete und schon gar keine Fingerprints, weil jeder Quadratzentimeter mit einer schmierigen schwarzen Schicht überzogen war.

      Nachdem alle wesentlichen und scheinbar unbedeutenden Details fotografiert waren, gingen sie daran und sichteten vorsichtig, um die verbliebenen Papiere zu erhalten, die Geschäftsunterlagen auf dem Schreibtisch, auf dem Fußboden und in den Aktenordnern. Bianca entdeckte eine fast leere und eine angebrochene Flasche Remy Martin im Schreibtisch. Auf dem Regal zwischen Tür und Sofa lagen Kinderbücher und Spielsachen. In einem der Büroschränke wurden mehrere Stangen Zigaretten aufbewahrt.

      Als Henningsen einen Aktenordner aus dem Schrank zog, rutschte ein Heft im DIN-a-4-Format mit dickem Kunststoffeinband heraus und fiel auf den Boden. Er bückte sich danach und stellte fest: es war eine Speisenkarte. Restaurant Siam Park. Er legte sie schon auf den Schreibtisch, weil er vermutete, dass sich die Geschäftsführerin und Mitarbeiter ab und zu etwas zum Essen kommen ließen. Dann wurde ihm bewusst, dass es in diesem Stadtviertel kein