Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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etwas zu tun hat“, sagte Henningsen beschwichtigend, „aber vielleicht mag ja irgendjemand die Geschäftsfrauen Yanqiu Kramer und Sriwan Friedlaender nicht. Neider unter ihren Landsleuten, Neider in der Konkurrenz...“ Er fächerte ein paar beschriftete Seiten vor sich auf, um seiner nächsten Frage das nötige Gewicht zu verleihen. „Wo in Deutschland war Ihre Schwester unterwegs, Frau Friedlaender, wie hat sie ihren Lebensunterhalt bestritten?“

      „Ich weiß nicht“, war ihre Antwort, wieder höflich und ohne seinem Blick auszuweichen. Und doch hatte Henningsen das Gefühl, dass sie dazu wesentlich mehr erzählen könnte. Ob darunter Fakten sein würden, die auf die Spur des Täters führten?

      Er wurde pessimistisch, wenn er an die augenblickliche Beweislage dachte.

      "Etwas ganz anderes...." Henningsen beugte sich vor und stützte sich mit beiden Ellenbogen an der Schreibtischkante ab. Er lächelte, um ihr ein wenig die Scheu zu nehmen und sprach langsam und deutlich: "Wir haben uns natürlich sehr gewundert, wieso eigentlich Ihr Mann, gerade als der Supermarkt lichterloh brannte, ganz in der Nähe stand und bei den Rettungsmaßnahmen zuschaute."

      Sriwan Friedlaender sah ihn an, als erwartete sie, dass er noch etwas hinzufügte. Ein fragender Blick, ein zaghaftes Lächeln, dann: "Ich weiß nicht."

      "Nun, mich interessiert natürlich: Wieso ist er so spät noch durch den Regen gewandert, anstatt zu Hause bei der Familie zu sein."

      Sie verzog das Gesicht. Die Frage war ihr unangenehm, und das Lächeln misslang ihr gänzlich. "Ich nicht so gerne sagen. Muss ich erzählen?"

      "Wenn die Frage geklärt ist, müssen wir sie nie wieder stellen."

      Sie antwortete jetzt ohne zu zögern: "Mein Mann Streit mit meiner Schwester. Er furchtbar wütend und verlassen Wohnung. Weiter weiß ich nicht."

      "Worum ging es bei dem Streit?"

      Sie blickte zu Boden und schüttelte den Kopf. Als sie wieder aufsah und sich ihr Blick hinter ihm an der Wand verirrte, waren ihre Augen feucht. Henningsen spürte plötzlich, wie zerbrechlich Sriwan Friedlaender wirkte und wie unzufrieden.

      "Wann hat er die Wohnung denn ungefähr verlassen?"

      "Oh, ich nicht achten Uhrzeit. Vielleicht halb elf oder elf Uhr."

      "Abends?

      "Ja, abends."

      "Und wann ist er zurückgekehrt?"

      Sie überlegte einen Moment. Dann schüttelte sie ihren Kopf. "Ich weiß gar nicht....., ich schlafen. Ich wachen auf und sehen mein Mann schlafen in Fernsehsessel."

      Henningsen hatte Sriwan Friedlaender nicht über ihre Rechte belehrt - dass sie ihren Mann nicht zu belasten und verfängliche Fragen demnach nicht zu beantworten brauchte. Er fand es so anstrengend, Unwissenden gegenüber die richtigen Worte zu finden, um die Rechtslage mit allen Konsequenzen transparent zu machen. Deswegen stellte er keine weiteren Fragen.

      Daniel Friedlaender war durchaus genügend Zeit geblieben, sich irgendwo einen Reservekanister voll Benzin zu besorgen und zum Supermarkt zu spazieren. Wenn er sich dabei vollkommen unbefangen und zielstrebig verhielt, mochten andere Passanten glauben, er wäre irgendwo mit seinem Auto liegengeblieben.

      Aber wie gewaltig musste eine Auseinandersetzung sein, dass jemand zu so einer Reaktion fähig ist?

      Henningsen befielen heftigste Zweifel..

      Bei Vernehmungen mit Dolmetscher fühlte sich Pergande stets unwohl. Jiratchaya Bruhns war zwar vereidigte Dolmetscherin, er befürchtete jedoch, dass Landsleute zusammen hielten, sich mitunter sogar privat kannten. Vor allem Thailänder, wie er von einem früheren Kollegen gehört hatte. Noch unbehaglicher wurde ihm, als Yanqiu Kramer vor ihm saß. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Mitte fünfzig mochte sie sein. Sie war klein und vollschlank, was durch die wattierte grüne Weste und die weite braune Hose noch mit einem Ausrufezeichen versehen wurde. Die Taschen ihrer Kleidung beulten sich aus, als hätte sie den Inhalt einer Reisetasche darin verstaut. Sie wusste kaum, wie sie sich hinsetzen sollte, bis sie sich beinahe provokativ zurücklehnte und die Füße von sich streckte. „Warum ich müssen hierher kommen?“ Der Gesichtsausdruck in pure Entrüstung gewälzt: schmale, scharf geschminkte Augen, zwei Bögen dünn gezeichneter Brauen und eine für die chinesische Abstammung unnatürlich spitze Nase. Dazu leicht nach vorn stehende Zähne und die ohnehin nur knapp schulterlangen Haare mit einem roten Gummiband zu einem Stummelschwanz zusammen gebunden. Ein weibliches Wesen, das vor lauter Unattraktivität ganz in der Geschäftsfrau aufging.

      Sie wandte sich an die Dolmetscherin und unterhielt sich mit ihr, und Pergande blickte interessiert von einer Frau zur anderen. „Darf ich an der Unterhaltung teilhaben?“

      Frau Bruhns lächelte verbindlich. „Frau Kramer möchte wissen, warum sie ihren Supermarkt noch nicht wieder betreten darf.“

      Pergande lachte unverhohlen und blickte dabei in zornig funkelnde Augen. „Hatten Sie vor, rasch durchzufeudeln und wieder zur Tagesordnung überzugehen?“ Die Dolmetscherin übersetzte.

      Die Geschäftsfrau funkelte ihn gehetzt an. „Ich morgen holen Lieferung von Flughafen Cargo. Zollpapiere in Büro ich brauchen.“

      „Vom Büro ist nicht viel übrig geblieben, Frau Kramer. Und das, was von Ihren Geschäftsunterlagen noch einigermaßen leserlich war, haben wir sichergestellt. Wir müssen uns ein umfassendes Bild von der Situation verschaffen. Immerhin liegt hier ein Verbrechen vor.“

      Nach der Übersetzung protestierte sie: „Aber ich brauchen das! Sonntag ich liefern bis Neumünster und Lüneburg. Kann ich mal sehen?“

      „Später. Sie können gegen die Sicherstellung jederzeit Beschwerde einlegen.“ Pergande wuchs in seiner Sitzposition zur vollen Größe heran. „Ich möchte zuerst einiges von Ihnen wissen.“ Und nachdem die Dolmetscherin übersetzt hatte: „Was kann sich in der Nacht zum Samstag in ihrem Geschäft abgespielt haben, Frau Kramer. Wer, glauben Sie, wollte Sie schädigen?“

      Pergande beobachtete sie genau, während sie in ihrer Muttersprache antwortete. Ein unangenehm herrischer, befehlsgewohnter Tonfall. In ihrer Reaktion entdeckte er nichts, was ihm zu denken geben müsste. Sie könne sich nicht vorstellen, wer in den Supermarkt eingebrochen ist und das Feuer gelegt hat. Zwischendurch klingelte ihr Mobiltelefon, und sie unterhielt sich mit dem Anrufer ungeniert und ausgiebig. Von der Dolmetscherin erfuhr er, dass es sich um ein normales Telefonat mit einem Kunden handelte. Danach bat er darum, das Handy bis nach der Vernehmung auszuschalten.

      „Wissen Sie, Frau Kramer, ich lasse mich ungern an der Nase herum führen. Sie können mir nicht weismachen, dass Sie aber auch nicht den geringsten Verdacht haben. Das Verbrechen richtete sich gegen Sie und ihr Geschäft, der Täter ist nach meiner Auffassung nur in Ihrem geschäftlichen Umfeld zu suchen!“

      Yanqiu Kramer rutschte unruhig in ihrem Stuhl hin und her und polterte aufgebracht los, nachdem sie die Übersetzung vernommen hatte. Sie schloss mit den Worten: „Ich - nicht - wissen!“

      Die Dolmetscherin erklärte, dass es mit einigen Kunden ganz normale Probleme gäbe, wenn es um rückständige Rechnungen ging; eben so, wie auch andere Geschäfte und Firmen ihre Probleme hatten. Deswegen würde niemand kommen und ein Feuer legen.

      Pergande erinnerte sich an einen Fall, als eine katholische Kirche in Poppenbüttel Ziel eines Brandanschlags wurde. Die Täter drangen durch das Fenster der angrenzenden kirchlichen Kindertagesstätte in die Gebäude vor und brachen die Tür zur Sakristei auf. Sie rissen die Messgewänder heraus und häuften sie auf, warfen Gesangsbücher auf den Altar, kackten auf die Pedalen der Kirchenorgel und beschmierten die Wände mit irgendwelchen Zeichen. Am Ende wurden die Gesangsbücher und Messgewänder mit Hilfe der Kerzen in Brand gesetzt. Die Sakristei brannte vollständig aus, und die Rauchgase verschmutzten alle angrenzenden Räume. Über eine halbe Million Euro Sachschaden. Dann aber gab es einen konkreten, aber anonymen Hinweis auf eine bestimmte Person, die mit jemandem in Verbindung zu bringen war, der ehrenamtlich für diese Kirchengemeinde arbeitete. Der Täter sollte satanistischen und rechtsradikalen Kreisen zuzurechnen sein. Der junge Mann aus dem Ehrenamt