Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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nach Alkohol, Schweiß und alten Socken aus.

      Pergande rümpfte angewidert die Nase und stieß den Schlafenden unsanft an. Sein Blick war ungewohnt ernst. „Erheb’ dich mal, Freundchen. Wir möchten gern mit dir reden.“

      Ein schmales, bleiches Gesicht wandte sich ihnen zu. Es dauerte eine Weile, ehe Knüpfers Erinnerungen einsetzten und noch eine weitere Weile, bis er aufrecht saß.

      „Und?“ Er fuhr mit der Hand durch langes, dunkelblondes Haar, das strähnig über seine Schultern fiel. Der schmale Bartflaum über seinem schmalen Mund verlieh dem schmalen Gesicht etwas Verschlagenes. Wenn die Augen nicht wären. Sie wirkten, als würde Knüpfer ständig über etwas nachdenken, im Wissen, dass er sich der Lösung des Problems niemals annäherte.

      „So ein seliger Dornröschen-Schlaf. Und alle Sorgen sind vergessen, stimmt’s?“ Pergande lächelte amüsiert. Sein Blick wirkte beinahe väterlich. „Als ich dich so friedlich schlummern sah, habe ich darüber nachgedacht, ob du’s nicht wusstest, oder ob deine Neugier so übermächtig war, dass du alle Vorsicht außer Acht gelassen hast.“

      „Was soll ich nicht gewusst haben?“ Seine Stimme war belegt, er musste sich räuspern. „Sie müssen mir das schon irgendwie erklären.“

      „Dass du uns ab jetzt noch eine ganze Zeit erhalten bleiben wirst.“

      „Soll heißen...?“

      „Du hast vor sechs Wochen deine Haftstrafe nicht angetreten, mein Lieber. So etwas sieht die Gerichtsbarkeit nicht gern. Deswegen hat sie einen Haftbefehl ausgestellt, und den werden wir jetzt gnadenlos vollstrecken.“

      Im Nu straffte sich sein Körper und er war hellwach. Knüpfer suchte stotternd nach Ausflüchten, bis er sich innerhalb einer Minute mehrmals widersprach und Stefan Henningsen ihn unterbrach.

      „Wir möchten gern von dir wissen, was euch heute Nacht in die Hoheluftchaussee geführt hat?“

      Knüpfer kratzte ausgiebig seine Brust. Sein schwarzes T-Shirt war am Kragen eingerissen. „Ein warmes Bett. Zu Hause, bei Mama.“

      „‘Bei Mama’.“ Gregor warf Stefan einen viel sagenden Blick zu. „Dann muss ja so ein warmes Feuer wie gerufen kommen.“

      Knüpfer sah Pergande erst verständnislos an und schüttelte dann den Kopf. „Wir war’n auf ‘ner Party, Olli und ich. Haben einfach den Bus verpasst und sind zu Fuß nach Haus, das kurze Stück.“

      „Wo auf 'ner Party?“, fragte Henningsen.

      „Am Grindel. In den Hochhäusern.“

      „Lässt sich das nachprüfen?“

      „Klar lässt sich das nachprüfen.“

      „Was war denn das da am Asia-Markt?“ Pergande warf Knüpfers Jacke auf den Tisch und zog den Stuhl zu sich heran. „Wer war zuerst da, ihr oder das Feuer?“

      Es dauerte ein paar Augenblicke, ehe Knüpfer die Tragweite der Frage begriff. „Irgend so’n Kerl, der vorm Laden telefoniert hat. Mit der Feuerwehr oder so. Da konnte man im Laden schon Flammen sehen.“ Jetzt kratzte er sich den Rücken. „Olli hat ihn gefragt, ob er gesehen hat, wer’s war. Hat er aber wohl nicht.“

      Gregor und Stefan ließen ihn noch eine Weile zappeln, wussten jedoch schon frühzeitig, dass Ralph Knüpfer und sein Freund weder mit der Brandstiftung zu tun noch etwas Verdächtiges beobachtet hatten. Der blonde Uniformierte schritt danach zielstrebig zu dem schlafenden Sven Ortlieb und weckte ihn unsanft. „Sieh’ zu, dass du nach Hause kommst, eh’ es bei uns was kostet.“ Ortlieb wohnte, nicht weit entfernt, in der Lenz-Siedlung.

      Pergande erkundigte sich beim Wachhabenden nach dem Asia-Markt. Er wusste jedoch nichts Besonderes über das Geschäft zu berichten. Von Beschwerden, die sich gegen den Ladeninhaber richteten, war ihm nichts bekannt, und von der Geschäftsführung kannte er persönlich niemanden. Erst Montag würde der für dieses Viertel zuständige Kontaktbeamte wieder zum Dienst erscheinen.

      Stefan ließ sich einen Internet-Rechner zeigen. Während Gregor sich in den Aufenthaltsraum setze und eine Tasse Kaffee trank, versuchte er etwas über das Geschäft heraus zu bekommen. Er fand tatsächlich eine Homepage. Sie war aber nicht besonders ausführlich und gab als Erreichbarkeit nur einen Festnetzanschluss und die bereits bekannte Mobilfunk-Nummer her. Kein Hinweis auf den Inhaber. Sehr dilettantisch, wie Stefan fand. Aber die Seite warb damit, dass jeden Donnerstag und Sonntag frische Ware zum Teil aus einem Direktimport angeliefert werde und Restaurants und kleinere Lebensmittelgeschäfte von Kiel bis Hannover zum Kundenstamm gehörten. Eine ganze Spalte bestand aus irgendwelchen asiatischen Schriftzeichen. Das alles half ihnen im Moment nicht weiter.

      Er versuchte noch einmal, den Mobilanschluss zu erreichen. Auf dem Display stand, es werde angeklopft. Henningsen ließ ein paar Minuten verstreichen und versuchte es erneut. Der Ruf ging hinaus, das Gespräch wurde angenommen. „Hallo?“

      Henningsen meldet sich.

      „Hallo?“ Ein ‘Hallo’, dem das Fremdländische deutlich anzuhören war. Langgezogen und laut und trotzdem zu leise, weil die Hintergrundgeräusche vorherrschend waren. Geräusche, wie auf einer Party. Laute Stimmen, Gelächter.

      „Hier spricht die Kriminalpolizei!“

      „Hal-lo!“ Nach ein paar Sekunden schimpfte die Stimme ausgiebig und in einer fremden Sprache, dann wurde die Verbindung unterbrochen.

      Henningsen starrte einen Augenblick irritiert auf den Telefonhörer, wählte dann die Nummer des Wachhabenden und stellte fest, dass das Gerät intakt ist. Einem weiteren Versuch unter der Mobil-Nummer folgte wieder eine automatische Ansage.

      Diese einfachen Hindernisse in den Ermittlungen ärgerten ihn. Dann aber sah er die Gelegenheit, sich im Internet rasch über das aktuelle Kinoprogramm zu informieren. Er surfte über die Seiten von Cinemaxx, Abaton und Holi, als ihm das Autokennzeichen vom Lieferwagen einfiel. Stefan ärgerte sich, dass er nicht gleich daran gedacht hatte. Wenn der Supermarkt nicht gerade eine GmbH oder etwas ähnliches ist, womit eigentlich nicht zu rechnen war, hätten sie ja vielleicht ihren Inhaber ermittelt.

      Er setzte sich an den Dienstrechner und rief die Leitung zum Kraftfahrtbundesamt auf. Das Resultat war ernüchternd. Der Computer wies auf einen Verbindungsfehler hin; die Seite vom KBA war zur Zeit nicht erreichbar. Vom Wachhabenden musste er hören, dass die Leitung schon seit den frühen Abendstunden unterbrochen war.

      „Die Menschheit erschließt das Sonnensystem, aber eine einfache Datenautobahn bereitet Probleme“, stellte Henningsen fest. Frustriert folgte er seinem Kollegen in den Aufenthaltsraum. Die Stehlampe dort tauchte ihr Umfeld in behagliches Zwielicht und verlieh Pergandes Antlitz diabolische Züge. Aber der Kaffeeduft war verführerisch.

      Stefan berichtete kurz, weshalb die Vorermittlungen ins Stocken geraten waren, aber Gregor schmunzelte nur. „Gönn dir erst mal einen schönen Bohnenkaffee, wer weiß, wann du dazu wieder Gelegenheit hast. Der Automat steht in der Küche. Pro Tasse 50 Cent.“

      „Die Kollegen in der Lerchenstraße nehmen nur 30 Cent.“

      „An der Davidswache habe ich ihn spendiert bekommen. Vermutlich finanzieren wir hier den nächsten Betriebsausflug.“

      Henningsen orientierte sich gerade zur Küche, als das Signal vom Diensthandy ertönte. Pergande meldete sich. Er lauschte aufmerksam, und nach ein paar Sekunden war auch der letzte Funken Heiterkeit wieder aus seinen Augen verschwunden. Er klemmte das Gerät zwischen Ohr und Schulter ein, zog ein kleines Merkheft aus der Tasche und machte sich Notizen. Henningsen kehrte mit einem Becher Kaffee zurück und setzte sich zu ihm.

      „Bei der alten Dame ist ein erneuter Herzstillstand eingetreten. Die Reanimation ist ohne Erfolg geblieben. Tja.....“ - so ernst hatte Stefan Henningsen seinen Kollegen lange nicht erlebt, „jetzt sind alle Kriterien erfüllt, dass der Fall in unseren Händen bleibt, richtig?“

      „Ich habe nie daran gezweifelt, Gregor."

      „Nicht?“ Pergande lächelte flüchtig, lehnte sich zurück und trank