Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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in ein gemeinsames Büro gespült, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten.

      Die Wand auf Gregors Seite war bis auf eine Magnettafel mit zahllosen Notizzetteln und Visitenkarten vollkommen kahl. Dazu standen noch vier Umzugskartons vor dem Fenster zum Innenhof. Sie bedeuteten nicht, dass er erst vor kurzem an das LKA 45 gewechselt ist, sondern zeugten von seiner Gewissheit, dass irgendwann ohnehin wieder Veränderungen bevorstehen würden. Auf seinem Schreibtisch bildeten Ermittlungsakten, Fotodokumentationen und Gutachten der Kriminaltechnik ein Chaos, das nur er selbst beherrschte.

      Die Wand hinter Stefans aufgeräumtem Arbeitsplatz zierte ein großes Fotoposter, das ihn selbst und einen befreundeten Cop aus Los Angeles braun gebrannt vor einem Patrol Car abbildete. Im Hintergrund Palmen, Strand und buntes Treiben in Santa Monica. Er hatte den US-Kollegen vor zwei Jahren anlässlich eines Polizeisport-Events kennengelernt. Auf dem Aktenschrank neben der Tür hatte Stefan eine kleine Stereoanlage aufgebaut, die er nur dann betreiben konnte, wenn Gregor unterwegs war.

      Jetzt saßen sie mit Bianca Jochens zusammen und planten die Vernehmungsstrategie, die damit anfing, wer von ihnen wen befragen sollte. Weil sie von einer Beziehungstat ausgingen, waren die Aussagen von Daniel und Sriwan Friedlaender, sowie ihrer Schwester, Yanqiu Kramer, gleichermaßen bedeutsam. Seine Anwesenheit nahe des Brandortes machte Daniel Friedlaender für sie besonders interessant, und wirklich überzeugend hatte er sie vorgestern Morgen nicht erklären können. Daher wollte Gregor ihn befragen. Es war sein Ermittlungsverfahren und dem entsprechend wäre es seine Entscheidung. Doch Bianca Jochens war der Meinung, dass sie mit Einfühlungsvermögen und weiblicher Intuition vielleicht mehr erreichen würde. Und Pergande und Henningsen könnten sich mit den beiden Frauen befassen.

      Henningsen grinste. „Dann vernehme ich Frau Friedlaender.“ Mit diesen Worten wandte er sich augenblicklich Bianca zu und schlechtes Gewissen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Seine Kollegin verdrehte gequält die Augen und schüttelte kaum merkbar ihren Kopf.

      „Seit ich bei der Polizei bin, reißen sich die männlichen Krimsches um hübsche Frauen. Ich war früher an einer Dienststelle, da wurde um die Vernehmung einer bildhübschen Zeugin gewürfelt!"

      „Bianca...“ Pergande legte den Kopf schief und überlegte, ob seine Kollegin ernsthaft angestoßen war. „So ist das bei uns ja nun wirklich nicht. Aber wenn ich jetzt bestimme, ich vernehme Sriwan Friedlaender, höre ich dich sagen, ich sei verheiratet.“

      „Was für eine Unterstellung, Gregor.“

      „Lass uns jetzt konkret werden“, ging Henningsen mit ernster Miene dazwischen, die aber rasch wieder einem Lächeln wich, „in zehn Minuten kommen sie alle, und wir haben noch nichts besprochen.“

      „Seid ihr nicht mit mir einer Meinung, dass es für uns in diesem Stadium noch gar nicht so viel zu besprechen gibt?“ Pergande sah sie beide an und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. „Wir müssen zunächst die Geschäfts- und Familienverhältnisse klären. Und was Thorsten vorhin sagte, war zwar nicht ganz unwichtig, aber für unser Verfahren wird's zunächst uninteressant sein, warum Sriwan Friedlaender Inhaberin und Yanqiu Kramer die Macherin ist.“

      „Unsere Aufgabe ist es, die Drei auf die Beziehungstat hin anzubohren und auf Widersprüche zu achten“, wandte Bianca ein und zupfte an dem farbenfroh gemusterten Seidenschal, der zwischen ihrem rotbraunen Haar und dem mintgrünen Pulli leger um den Hals gewickelt war. „Dabei glaube ich gar nicht mal, dass Daniel Friedlaender unbedingt unser Hauptverdächtiger ist. Ich glaube, so bescheuert ist kein Brandstifter, dass er abseits von den Schaulustigen stehen bleibt und sich seelenruhig überprüfen lässt, obwohl es durch sein Feuer zu Opfern gekommen ist.“

      „Wir legen uns ja auch noch gar nicht fest“, bestätigte Henningsen seine Kollegin, gerade als an die angelehnte Bürotür geklopft wurde.

      „Wir müssen nur zusehen, dass wir aus dem Beziehungsgeflecht ein Motiv herausarbeiten können“, konstatierte Pergande rasch, schritt zur Tür und zog sie auf. Dort stand, höflich und zurückhaltend lächelnd, eine Asiatin mittleren Alters, mit kurzem dunklen Haar, dunkler Brille und dunklem Mantel.

      „Ich bin Jiratchaya Bruhns, Ihre thailändische Dolmetscherin.“

      Henningsen hatte sich mit Sriwan Friedlaender in das Büro von Maike Schmidt und Sammy Saalfeld zurückgezogen, weil die beiden zu gemeinsamen Außenermittlungen aufgebrochen waren. Die Thailänderin war - da legte er sich bei gleißender Bürobeleuchtung einfach fest - von chinesischer Abstammung und sie sah, da sie ihr Gesicht dezent aber gekonnt geschminkt hat, äußerst reizvoll aus. Sie bestätigte ihm in ihrer höflichen Art, dass ihr Großvater Anfang des vorigen Jahrhunderts aus politischen Gründen aus China ausgewandert sei. Er erfuhr weiter, dass ihre Familie in Bangkok Geschäftsleute sind und sich die beiden Frauen hier in Deutschland nach einem miserablen Start vorgenommen hätten, sich irgendwann nicht mehr ausbeuten zu lassen und sich selbständig zu machen. Henningsen konnte sie, auch wenn ihre Formulierungen mitunter etwas gewöhnungsbedürftig waren, gut verstehen.

      „O.k., Frau Friedlaender, nur zum besseren Verständnis: Sie sind im Handelsregister als Inhaberin eingetragen, aber Ihre Schwester ist diejenige, die den Laden schmeißt.“ Er bereute diese flapsige Formulierung, kaum dass er sie ausgesprochen hatte.

      Prompt sah sie ihn etwas irritiert an. „...den Laden schmeißt?“

      „Die das Geschäft führt, hätte ich besser sagen sollen.“

      Was hätte Henningsen dafür gegeben, ihre Gedanken lesen zu können! Er konnte nicht erkennen, ob sie überlegte, wie sie antworten oder was sie verschweigen sollte.

      „Meine Schwester schon vor 12 oder 13 Jahren hierher gekommen. Erst nach Norderstedt und dort sie Geschäft aufmachen -“

      „Auf ihren Namen? Yanqiu Kramer?“ hakte Henningsen sofort nach.

      „Nein. Auf meinen Namen.“

      „Aber warum?“

      „Ist das denn wichtig?“

      Henningsen lächelte. „Na ja, nicht direkt.“ Er unterbrach sich und schaute aus dem Fenster, wo in der Verglasung sein Spiegelbild zu sehen war. Auch in den Büros, die seinem Fenster gegenüber lagen, wurde gearbeitet, was man Kriminalbeamten auf die Entfernung aber nicht unbedingt ansehen konnte.

      Natürlich musste sie auf diese Frage nicht antworten, immerhin waren sie Geschwister. Vielleicht gab es irgendetwas Belastendes zu verschweigen, was nicht einmal mit diesem Fall zu tun haben musste. „Um herauszufinden, wer die Brandstiftung begangen hat, kann jede Einzelheit wichtig sein.“

      „Ob ich für das Geschäft meinen Namen gegeben, trotzdem meine Schwester ihr Geschäft, das, ich glauben, ist nicht wichtig“, erwiderte sie höflich aber bestimmt.

      Henningsen erfuhr, dass Yanqiu Kramer, wie auch Sriwan Friedlaender selbst, ursprünglich in Frankfurt gewohnt hatte, von wo sie nach ihrer Scheidung fortgezogen war. Sie sei einige Monate kreuz und quer durch Deutschland gereist, ohne irgendwo sesshaft zu werden. Durch Beziehungen unter Landsleuten sei sie in Norderstedt an ein kleines Geschäft für asiatische Lebensmittel herangekommen, das jedoch nicht gut lief und sich nur durch einen Lieferservice an Restaurants halten konnte. Sie selbst habe Frankfurt mit den Kindern ein paar Monate später verlassen, um ihre Schwester zu unterstützen. Sie habe mit ihrem Arbeitgeber einen dreijährigen Erziehungsurlaub ausgehandelt, weshalb der Umzug überhaupt möglich wurde.

      „Sie gehen zusätzlich also einer unselbständigen Arbeit nach.“

      „Ich arbeiten bei der Lufthansa, in Personalkantine.“

      „Aber als Geschäftsinhaberin haben Sie doch die ganze Verantwortung. Die Behördenangelegenheiten, die Buchhaltung für den Supermarkt und das Restaurant. Und Ihre drei Kinder.“

      „Supermarkt und Restaurant gehören meiner Schwester. Sie erledigen alles allein.“

      „Und das gibt keine Probleme?“ Henningsen sah sie an und schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber irgendwie muss es doch Probleme gegeben haben. Sonst wäre es in Ihrem Supermarkt zu keinem Feuer gekommen.“