Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
Скачать книгу
war auch nicht aufgefallen, dass mit dem kurzen Augenkontakt geheime Absprachen ausgetauscht wurden. Daniel Friedlaenders Mienenspiel blieb undurchsichtig.

      Henningsen lächelte entschuldigend und zuckte mit den Schultern. „Reine Routine.“

      Pergande telefonierte derweil noch einmal mit Bianca und erfuhr, dass das Restaurant geschlossen ist und auf Klopfen niemand öffnete. Als Sriwan Friedlaender die Büronummer noch einmal wählte, erhielt sie keinen Anschluss. Nur wieder die Ansage der Mobil-Box.

      „Will Sie nicht um zehn im Geschäft sein?“ wollte Henningsen wissen.

      „Nein, meistens gehen ich, wenn meiner Schwester bis morgen früh im Restaurant - oder umgekehrt.“

      Stefan nickte und Pergande wies die Geschäftsinhaberin darauf hin, dass die Schlösser ausgetauscht seien und niemand von ihnen den Laden betreten darf, ehe der Fall nicht aufgeklärt ist. „Sie wohnen in Frankfurt, Herr Friedlaender?“

      „Sehr richtig.“ Und als hätte er vermutet, worauf Pergande hinzielte, fügte er hinzu: „Ich fahre erst am Dienstag zurück.“

      „Prima. Dann möchte ich, dass Sie alle drei am Montagvormittag“ - er überreichte ihnen eine Visitenkarte - „bei uns im Polizeipräsidium vorsprechen. Wir werden, glaube ich, eine Menge zu bereden haben."

      5

      Montag, 5. März, Frühbesprechung Im Präsidium. Thematisiert wurden die Ereignisse vom Wochenende und die Entwicklung in den laufenden Ermittlungsverfahren. Während Kaffeeduft durch den Aufenthaltsraum zog und Müsli, Joghurt und belegte Brötchen aus der Kantine verzehrt wurden, referierte Thorsten Romeike, Leiter des LKA 45, über kleinere Brandereignisse in den Zentraldirektionen, welche ihre Zuständigkeit zwar nicht unmittelbar berührten, aus denen sich aber mitunter Serienzusammenhänge herausbilden konnten. Romeike schaute dabei wie jemand, der zu reden gewohnt ist, von einem zum anderen, um sich der Aufmerksamkeit gewiss zu sein, bevor er ihnen die ernsten Neuigkeiten unterbreitete.

      Trotz großer Polizeipräsenz und schlechter Witterung kam es in der Nacht zum Sonntag wieder zu fünf zusammenhängenden Kfz-Bränden, Sachschaden über 200.000 Euro. Wie jeder wusste, dauerte die Serie mit Unterbrechungen bereits seit dem Sommer vorletzten Jahres an und zehrte an den Kräften der uniformierten Kollegen und Zivilfahnder. Zuletzt waren über Hamburg verteilt Nacht für Nacht 150 Polizeibeamte zusätzlich auf den Straßen, während die Täter ihren Vorteil stets in der Begehungsweise fanden. Sie setzten im Schutz der Dunkelheit auf den Autoreifen Grillanzünder in Brand. Wenn die Flammen mit größerer Verzögerung sichtbar wurden und auf Reifen und Karosserie übergriffen, waren die Delinquenten längst untergetaucht. Dem Ermittlungsteam um Pascal Matzel blieb immer nur die Hoffnung auf eine glückliche Fügung. Romeike warf ihm einen traurigen Blick zu. Im neuen Fall schien es diese wieder nicht zu geben.

      Matzel, mit seinen langen, zu einem Zopf gebundenen grau-schwarzen Haaren und dem schelmischen Blick, nahm das Ganze ruhig und entspannt zur Kenntnis. Wie er andeutete, würde er am liebsten alle Besitzer von Luxuskarossen in die Pflicht nehmen und sie Selbsthilfegruppen organisieren und Streife laufen lassen. Sagte es mit ernstem Gesichtsausdruck, ohne es aber wirklich ernst zu meinen.

      Während seine Leute sich über die Kfz-Brände die Köpfe heiß redeten und konstruktive und überzogene Ideen in die Diskussion warfen, streute Romeike Pfeffer auf sein Mettbrötchen und biss genussvoll hinein, ohne dass ihm etwas Wichtiges entging. Er würde sich mit Matzel später noch zusammen setzen.

      Thorsten Romeike war von schlanker Gestalt und überragte selbst im Sitzen noch viele von ihnen. Kurz geschorenes graues Haar und unantastbares, zielgerichtetes, loyales Auftreten zeugten von einem Kriminalrat alter Schule. Freundliche, lausbubenhafte Augen hinter der randlosen Brille machten die Distanz in der Hierarchie aber immerhin erträglich.

      Die Personalpolitik wollte es, dass Romeike die "Brandermittlung" übernahm, ohne über die Materie im Detail informiert zu sein. Als seine administrativen Pflichten es zwei oder drei Mal gestatteten, war er in seinen „Blaumann“ gestiegen, hatte sich einem Team angeschlossen und mit der Atemschutzmaske vor dem Gesicht in die Geheimnisse eines Brandortes einweisen lassen..

      In einer Gedankenpause wischte er ein paar Brotkrumen von seinem dunkelgrauen Rollkragenpulli und ließ seinen Blick zu Pergande schweifen. „Euch hat’s ja nun auch ganz bös’ erwischt. Kannst du uns kurz die Fakten schildern, Gregor? Habt ihr schon einen Plan?“

      Seine Augenbrauen wölbten sich, als wollte Pergande eine Posse zum Besten geben, aber er blieb angemessen ernst und kam rasch auf das Wesentliche: „Wir haben es hier unzweifelhaft mit einer Beziehungstat zu tun. Der Täter wollte den Asia-Markt brennen sehen. Aber wie's leider so ist: Unsere ersten Ermittlungen haben absolut kein beweisbares Motiv ergeben. Also haben wir uns auf die Spurensicherung beschränkt und machen heute weiter.“

      „Und wie ist die Spurenlage?“

      „Äußerst beklagenswert! Am Brandort selbst nur die Spuren, die uns die Tatausführung beschreiben. Wir haben rings um das Objekt jeden Quadratmeter in Augenschein genommen. Aber nichts gefunden, was man auch nur annähernd mit dem Täter in Verbindung bringen könnte. DNA-Spuren natürlich auch Fehlanzeige.“

      „Lag vielleicht irgendwo ein Benzinkanister herum?“

      „Nein. Weder geschmolzene Überreste noch als Spurenträger außerhalb des Objektes. Der Täter wusste einfach, wie er uns das Leben schwer macht.“

      Herbert Eklund, Romeikes Stellvertreter, hatte aufmerksam zugehört und sich reihenweise Notizen gemacht. Er war bei den Kollegen als Theoretiker wohlgelitten und bevorzugte Computerprogramme, statistische Erhebungen und Schulweisheiten aus Kriminalistik und Kriminologie, um den Delinquenten auf die Spur zu kommen „Hättet ihr am Samstag nicht dem Konkurrenzunternehmen schon mal auf den Zahn fühlen können?“ Sein akkurates Äußeres, seine kurzen, schwarzen Locken und der sorgfältig gestutzte Bart verliehen seinem Äußeren eine sportlich-adrette Erscheinung. „Ihr solltet nie vergessen: Je mehr Zeit nach einem Verbrechen verstreicht, desto geringer ist die Chance, den Fall aufzuklären.“

      „Herbert -“ Pergande setzte seinen väterlichen Blick auf, „welchen Erfolg hätten wir da erwarten können? Einen Konkurrenten, der zugibt, seine Finger im Spiel zu haben? - 'Oh ja, der Asia-Markt musste dort verschwinden. Uns sind nämlich schon die Kunden ausgeblieben?“

      „Dass du nun so reagierst, Gregor, finde ich nicht gut.“ Eklund war sichtlich angestoßen. „Ihr habt die Geschädigten aufgesucht, also hätte ein Besuch bei dem anderen Geschäft nicht geschadet.“

      „Geschadet nicht, aber er hätte uns nicht weiter gebracht. Außerdem hatten wir genug damit zu tun, die Geschäftsunterlagen einigermaßen heil ins Trockene zu bekommen.“

      „Wir sind auch der Überzeugung, Herbert, dass ein Konkurrent nicht das Wagnis einer Brandstiftung eingeht“, mischte sich Stefan Henningsen mit ein, „da gibt es viel subtilere Methoden, die auch nicht gleich ein Verbrechenstatbestand sind.“ Er kippelte mit dem Stuhl zurück und verschränkte die Hände auf dem Bauch. „Nein, da ist irgendetwas anderes im Gange. Wir haben ja nachher die Geschäftsinhaberin, ihren Mann und ihre Schwester, die Geschäftsführerin zu Besuch. Vielleicht wissen wir nach den Vernehmungen mehr.“

      „Der Supermarkt ist ein Einzelhandel“, hakte Romeike nach, „keine Gesellschaft, richtig?“

      „Genau“, bestätigte ihn Henningsen, „also die Managerin, wenn du so willst. Keine Geschäftsführerin im zivilrechtlichen Sinne .“

      „Dann wäre es sicher interessant zu erfahren, warum nicht die Schwester Inhaberin ist. Sie haben doch beide die Deutsche Staatsangehörigkeit, war’s nicht so?“

      „Stimmt, Thorsten. Die Schwester lebt übrigens schon seit 1981 in Deutschland. Wir haben sie am Samstag noch kennen gelernt. Die Verständigung war so schlecht, dass wir heute zur Vorsicht eine Dolmetscherin hinzu gezogen haben. Uns ist es ein Rätsel, wie sie Supermarkt und Restaurant auf die Beine stellen konnte.“ Henningsen