Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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ein und legt mit Hilfe von Brandbeschleuniger ein Feuer? Und entwendet nichts! Wir haben es definitiv nicht mit einem Einbruchdiebstahl zu tun.“

      „Kann sein, dass der Einbrecher nur nichts gefunden hat.“

      „Genau das müssten Sie vielleicht beantworten können. Ihre Schwägerin wird ja die Tageseinnahmen wohl nicht in der Kasse lassen.“

      Von einer Sekunde zur anderen wirkte Friedlaender wieder in sich gekehrt. Irgendetwas begann sich vor seinem inneren Auge abzuspielen. Dann lächelte er geheimnisvoll. „Nein, wahrhaftig, die Tageseinnahmen hat sie nicht in der Kasse gelassen.“ Und mit einer Spur Bitterkeit setzte er hinzu: „Die hat sie immer bei sich und gibt sie aus. Frau Kramer ist eine Geschäftsfrau, die die Tageseinnahmen mit dem Gewinn verwechselt, über den sie nach Belieben verfügen kann.“

      „So?“ Bianca zog erstaunt die Brauen zusammen. „Und was bedeutet das ganz genau?“

      Friedlaender saß ruhig da, die Hände lagen entspannt auf seinen Oberschenkeln. Ein ganzer Film schien in ihm abzulaufen. Sein Augen spiegelten eine auffällige Bandbreite an Emotionen wider, von denen die meisten bestimmt nicht positiv waren. „Das bedeutet, dass sie am Ende des Tages das Geschäft mit einer überquellenden Geldbörse verlässt und die ganze Familie nicht selten zum Essen einlädt. In das Restaurant irgendeines Kunden, zur Kontaktpflege, wie sie immer sagt. Bei sechs Personen wird sie dabei natürlich immer rund hundert Euro los.“

      „Das finde ich aber doch sehr nett“, kommentierte Bianca mit einem Anflug von Sarkasmus, „schön chinesisch oder thailändisch essen gehen.“

      „Ja, sehr nett.“ Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, winkte dann aber nur mit einer sparsamen Handbewegung müde ab. „Lassen wir’s lieber. Das führt Sie bestimmt nicht weiter.“

      Sie stützte ihr Kinn auf dem Handrücken ab und lächelte Friedlaender verhalten und nachdenklich an. Und dann bekam die Situation von einer Sekunde auf die andere eine merkwürdige Eigendynamik. Bianca registrierte, wie sich seine Augenbrauen irritiert zusammenzogen, aber beinahe gleichzeitig ein weiter, interessierter Blick herausbildete. Als wollte er ihre ganze Erscheinung in sich aufnehmen. Zu gern hätte sie jetzt in seinen Gedanken herumstöbern mögen. Umgekehrt war es wohl nicht anders.

      Seine Augen waren es, die sie faszinierten. Sein gesamter, etwas widersprüchlicher Habitus: Der Kontrast schwarze Kleidung, graue Haare mit ein paar restlichen blonden Strähnen, grauer Drei-Tage-Bart, helle Turnschuhe, aber kein Bestreben, ein Schönling zu sein. Es war zu sehen, dass er auf Gesichts- und Hautpflege keinen besonderen Wert legte.

      Und dann ging Friedlaenders Blick mit einem Mal an ihr vorbei und machte an drei kleinen Foto-Postern fest, die hinter ihr an der Wand hingen. Bianca Jochens in einen grellgelben Trekking-Anzug und derbes Schuhwerk gekleidet, im Hintergrund ein beeindruckendes Gebirgspanorama. Mal in der Gruppe abgelichtet, auf dem mittleren Bild Arm in Arm mit einem schlaksigen Blonden mit schulterlangen Haaren und hoher Stirn und dann solo auf einem Felsen, durch eine Sonnenbrille über die Schulter zurück blickend.

      „2005, eine Trekking-Tour durch Bhutan“, erklärte sie mit verträumtem Blick, um sich dann aber sofort wieder an die dienstlichen Pflichten zu erinnern. „Auch wenn mich familiärer Stress nicht weiter führt, wir gehen von einer Beziehungstat aus, und da muss ich mir ein umfassendes Bild machen können.“

      „Ich will mich aus dieser Familiengeschichte wirklich heraus halten.

      „Sie sind auf Ihre Schwägerin nicht gut zu sprechen, davon kann ich wohl ausgehen, oder?“

      Friedlaender beugte sich ein Stück vor. Seine Augen versuchten zu lachen, aber die Gesichtsmuskeln wollten nicht mitmachen. Wäre er nicht von so ruhiger Natur, hätte man abgrundtiefen Widerwillen erkennen können. „Ich könnte jetzt sagen, mit Frau Kramer verbindet mich - abgesehen davon, dass es die Schwester meiner Frau ist - eine in zwanzig Jahren ausgereifte Hassliebe, aber ich sage lieber: ein ewiges Missverständnis bei zwei kulturell und gesellschaftlich völlig unterschiedlich aufgewachsenen Familien.“

      „Wenn sich beide Seiten bemühen, muss es deswegen nicht zu Konflikten kommen.“

      „Ja, wenn sich beide Seiten bemühen.“

      Bianca Jochens betrachtete Friedlaender eine Weile. Sie konnte nicht ausschließen, dass er die Ruhe vorgaukelte und in Wahrheit innerlich ziemlich zerrissen war. Vielleicht bedurfte es nur eines kleinen Anstoßes, dass er die Fassung verlor. Und was müsste ihr das sagen? Dass er das Opfer asiatischer Dominanz ist und er sich das Problem von der Seele reden möchte, oder dass er seinen Frust in der Nacht auf den Samstag schon in anderer Weise ausgelebt hat?

      „Was war in der Nacht zum Samstag gewesen?“ fragte sie gerade heraus. „Wieso haben meine Kollegen Sie in der Nähe vom Brandort angetroffen?“

      Diese direkte Ansprache schockierte Friedlaender in keiner Weise. Er lehnte sich zurück und sah Bianca Jochens mit einem Blick an, der in der Flut seiner Gedanken ertrank. Sie glaubte in ihm auch eine Emotion zu entdecken, die sie nicht entdecken wollte. „Sie sollen nicht zu flirten anfangen, sondern meine Frage beantworten.“

      „Ich hätte viel lieber etwas über Ihre Trekking-Tour gehört.“

      „Falscher Moment. Es geht um Freitag Nacht.“

      „Dann bin ich also doch tatverdächtig.“

      „Das ist eine falsche Schlussfolgerung. Abgesehen davon: Abneigung oder gar Hass kann zu ganz anderen Exzessen führen, als zu einer Brandstiftung.“ Sie beobachtete seine Reaktion akribisch, seinen Gesichtsausdruck, seine Hände, aber er saß nur reglos da und lächelte verschmitzt. „Damit verdächtige oder beschuldige ich Sie dieser Brandstiftung noch lange nicht. Ich hätte ja gar keine Beweise gegen Sie in der Hand. Auf jeden Fall sind Sie für mich im Zusammenhang mit den Geschäftsgepflogenheiten ein wichtiger Ansprechpartner.“ Bianca kehrte einen Moment in sich, weil sie ihre Beweisnot nicht so leichtfertig hätte preisgeben dürfen, aber ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies nicht von Bedeutung sein würde. Sie verschränkte die Arme und stützte sich an der Schreibtischkante auf. „Leider kann ich nicht in Sie hineinschauen, Herr Friedlaender -“ sie sah ihn forschend an, „ ....ob Sie vielleicht ein schlechtes Gewissen quält? Na, ist es so? Mal ganz ehrlich.“

      Er schüttelte, noch immer lächelnd, den Kopf.

      „Dann sehe ich kein Problem mit der Beantwortung meiner Frage. Also: Warum hielten Sie sich in der betreffenden Nacht vis-à-vis vom Brandort auf?“

      „Ganz einfach: Ich hatte einen Disput mit meiner Schwägerin und bin vor die Tür, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.“

      „Einfach nur vor die Tür.“

      „Nein. Ich bin kreuz und quer durch Eppendorf gewandert, hab eine Weile in irgend einem Pub gesessen und landete am Ende in der Hoheluftchaussee."

      "Und da sind Sie auf die Idee gekommen... -"

      "....kam in die Hoheluftchaussee, als die Feuerwehr schon mit den Löscharbeiten angefangen hat.“

      6

      Was, um Himmels Willen, war das für eine Vernehmung! Nur ein paar Minuten war es her, dass Bianca Jochens nach Absprache mit Pergande und Henningsen ihren Zeugen ins Parterre, in die Besucherzone gebracht hatte. Anschließend war sie sofort in ihr Büro zurück und hatte die Tür geschlossen. Die anderen Vernehmungen schienen genau so wenig von positiven Resultaten gekrönt.

      Nun saß sie hinter ihrem Schreibtisch, starrte zum Fenster und ließ das Gespräch noch einmal nachklingen. Es war wirklich so: Nicht ein fragwürdiger Umstand, den sie Friedlaender hätte vorhalten können. Diesen Mann, der im Rahmen einer Beziehungstat ins Zwielicht geraten war, konnte sie in keinen begründeten Tatverdacht rücken. Schlimmer noch: Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Friedlaender sich in ihrer Nähe wohl fühlte. Auf dem unbequemen Vernehmungsstuhl zu sitzen, schien ihm nicht das geringste auszumachen. Ihm war es sogar gelungen, das Blatt zu wenden und ihr mehr Fragen zu stellen als sie ihm.

      „Ich