Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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zu ihm nach Haus, um ihn mit dem Vorwurf zu konfrontieren. Natürlich dementierte er ihn, aber was viel schlimmer war: Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wer der anonyme Hinweisgeber sein könnte. Und genau das war es, was Pergande ihm nicht abnahm. Wenn er vielleicht mit dem Brandanschlag nichts zu tun hatte, aber er wusste unter Garantie, wer ihn denunzierte. Dass er es beharrlich abstritt, hatte Pergande fast in die Ohnmacht getrieben.

      „Ich möchte, dass Sie sich ernsthaft Gedanken machen, was in ihrer geschäftlichen Vergangenheit relevant sein könnte und dann unterhalten wir uns noch mal darüber.“ Pergande beugte sich vor. „Warum laufen Supermarkt und Restaurant auf den Namen Ihrer Schwester?“

      Yanqiu Kramer durchbohrte ihn mit einem Blick, als wollte sie sagen, dass er sich um die Täterermittlung zu kümmern und sie nicht mit privaten Fragen zu belästigen hätte. Entsprechend kurz fiel ihre Antwort aus: „Das hat mit dieser Sache nichts zu tun“, übersetzte die Dolmetscherin.

      „Warum lassen Sie es nicht meine Sorge sein, was für diesen Fall wichtig ist und was nicht“, erwiderte er scharf.

      „‘Tschuldigung“, kam es von Yanqiu Kramer weniger kleinlaut als unehrlich, und es folgten ein paar Ausführungen auf Thailändisch. „Der Grund dafür, dass ihre Schwester als Inhaberin fungiert, liegt über zehn Jahre zurück und ist eine rein zivilrechtliche Angelegenheit.“

      „Und was ist in diesen zehn Jahren alles geschehen?“

      Ein kurzer Dialog zwischen der Dolmetscherin und Yanqiu Kramer, dann übersetzte Jiratchaya Bruhns die Antwort: „Über diese Zeit möchte Frau Kramer nichts erzählen, weil das mit der Wahrheitsfindung nichts zu tun hat.“

      „Woher will sie das nur wissen?“ Pergande drehte auf seinem Bürostuhl hin und her und dachte nach. Das Drehen beruhigte ihn, genau wie es ein Baby beruhigte, auf dem Schoß der Mutter geschaukelt zu werden. Ihm war äußerlich nicht anzusehen, wie es in ihm kochte. „Wenn’s tatsächlich unbedeutend ist, was steht dem entgegen, nur ein paar Worte darüber zu verlieren? Ich müsste ja sonst auf den Gedanken kommen, dass Sie uns schlimme Dinge verschweigen."

      Wieder fiel ihre Antwort knapp aus, während sie mit nervösem Blick auf ihr erloschenes Handy-Display schaute. „Frau Kramer war in dieser Zeit mal hier, mal da. Unterwegs, um Arbeit zu suchen“, übersetzte die Dolmetscherin.

      "Was ist mit Ihrem Schwager? Warum wurde er in der Nähe des Brandortes angetroffen?"

      Nach der Übersetzung verschloss sich ihr Gesicht noch mehr. "Ich weiß nicht. Vielleicht er machen."

      "Was machen?"

      "Feuer."

      "Glauben Sie das ernsthaft?"

      "Vielleicht machen, vielleicht nicht. Ich nicht wissen."

      "Und warum er?"

      "Sagen nur so. Sie Kripo. Muss finden heraus."

      Pergandes Siedepunkt war erreicht! "Frau Kramer!" Er rollte mit seinem Lehnstuhl im Nu um den Schreibtisch herum und verharrte auf Augenhöhe. "Wenn Sie meinen, unsere Unterhaltung ist ein Gesellschaftsspiel, da täuschen Sie sich gewaltig. Wenn Sie nicht augenblicklich aufhören, das Feuer und den Tod eines Menschen ins Lächerliche zu ziehen, werfe ich Sie aus meinem Büro und lasse Sie dem Richter vorführen!" Lange nicht hatte ihn ein Kunde so in Rage gebracht. "Hätten Sie sich bei der Polizei in Thailand so aufgeführt, wären Sie vermutlich längst im Knast gelandet."

      Während die Dolmetscherin übersetzte, verrauchte sein Zorn ein wenig und er rollte hinter seinen Schreibtisch zurück.

      "Was mit Thailand zu tun?", fragte die Kramer unbeeindruckt.

      Pergande hörte darüber hinweg und zwang sich ruhig zu atmen. "War irgendetwas vorgefallen, worauf Ihr Schwager Wut im Bauch hatte und sich an Ihnen rächen wollte?"

      "Nein", kam es gedehnt, "Herr Friedlaender sehr netter Mann. Meine Schwester haben Glück."

      Er sah Yanqiu Kramer lange an und versuchte ihren Tonfall zu analysieren. Er klang nach Häme. Oder nach Neid. Sie wand sich unter diesem Blick, aber wahrscheinlich nur, weil er ihr zu lange andauerte.

      Natürlich war die Aussage für weitergehende polizeiliche Maßnahmen viel zu vage. „Gut, Frau Kramer. Wir werden uns hier bestimmt noch einmal sehen, davon bin ich überzeugt. Wenn sich bis dahin heraus stellt, dass die Lösung des Falles in ihrer jüngsten Vergangenheit verborgen ist, werde ich Sie wegen Behinderung der polizeilichen Ermittlungen belangen.“

      Die Dolmetscherin übersetzte seine Worte und danach die Antwort: „Frau Kramer möchte bitte noch sehen, was von den Geschäftsunterlagen sichergestellt wurde.“

      Als Daniel Friedlaender vor ihr auf dem Vernehmungsstuhl saß, versuchte sie einzuschätzen, was für einen Menschen sie vor sich hat. Bianca Jochens machte sich bewusst, dass auf seine Angaben ein besonderer Wert zu legen war.

      Der Mann trug atmungsaktive helle Turnschuhe, eine schwarze Jeans und ein schwarzes Sweat-Shirt, die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch geschoben. Die schwarze Regenjacke hatte er über einen freien Stuhl geworfen. Friedlaenders Drei-Tage-Bart und die lichten, nackenlangen, graublonden Haare bildeten zu der dunklen Kleidung einen interessanten Kontrast.

      Als sie ihn vorhin begrüßte, bemerkte sie dunkelgrüne Augen und Lachfältchen. Ihr erstes Empfinden war allerdings, dass Mundpartie und Augenausdruck eher von seelischem Schmerz geprägt sind als von seiner Frohnatur.

      Ihr entging nicht, mit welch intensivem Blick er dabei war, sich auch ein Bild von ihr zu machen.

      Sein Mundwinkel zuckte; noch weniger als ein flüchtiges Lächeln. „Bevor ich irgendetwas sage, würde mich interessieren, in welchem Status ich hier eigentlich sitze.“ Friedlaender wirkte nach außen hin völlig ruhig und machte keine überflüssige Bewegung.

      „Das müsste Ihnen doch klar sein, oder?“ erwiderte Bianca und sie merkte, wie seine Ruhe auch sie selbst erfasste. „Haben Sie etwa ein schlechtes Gewissen?“

      Er schüttelte kaum merklich den Kopf und stellte fest: „Dann bin ich also ein Zeuge."

      „Und ein Zeuge ist zur Wahrheit verdonnert, darf nichts verschweigen...“

      „Wenn ich etwas verschweige, wird mir niemand nachweisen können, dass ich in Wahrheit Auskunft geben könnte.“

      Bianca verzog missbilligend den Mund. Jetzt wirkte Friedlaender plötzlich spitzfindig, was sie eigentlich gar nicht von ihm erwartet hatte. Sie lehnte sich zurück, drehte spielerisch einen Kugelschreiber hin und her und überlegte, ob sie unter diesen Umständen besser sofort auf den Punkt kommen sollte. Sie entschied sich dagegen. „Wie kommt es, dass Sie in Frankfurt wohnen und Ihre Familie in Hamburg?“

      „Oh“, Friedlaender verzog gequält das Gesicht. „das ist eine ziemlich lange Geschichte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie die hören wollen. Hat sich einfach so ergeben.“

      „Konnten oder wollten Sie nicht hinterher ziehen?“

      „Ich konnte nicht.“

      „Wegen Ihres Berufes?“

      „Wenn Sie so wollen."

      "Und was machen Sie beruflich?"

      Er verdrehte die Augen. "Unwichtig, Frau Jochens, glauben Sie mir."

      Bianca ließ abrupt ihren Kugelschreiber fallen und sah ihm in die Augen. „Wenn Sie mir sagen, sie seien Schlosser oder Tankwart, müsste mir das zu denken geben.“

      Das Fragezeichen in seinen Augen wich erst nach einer ganzen Weile, dann wurden die Lachfalten sichtbar, als er grinste: „Nein, da kann ich Sie wirklich beruhigen.“

      „Die Sache ist ziemlich ernst“, fuhr sie fort. „Sie ist immer dann besonders ernst, wenn Menschen ihr Leben lassen mussten und alle Anzeichen dafür sprechen, dass wir es mit einer Beziehungstat zu tun haben. Umso mehr Verantwortung haben nämlich Zeugen und Geschädigte bei der Aufklärung.“

      Friedlaender