Lodernder Hass. Horst Warnatsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Horst Warnatsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605270
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dann helfen Sie mir, Herr Friedlaender!“

      „Nicht einmal ich kenne all ihre Beziehungen. Ich kenne ein paar Kunden, ich kenne ihre geschäftlichen Gepflogenheiten, aber alles nur oberflächlich. Man kann nur erahnen, wie es in dieser kleinen thailändischen Gemeinde zugeht.“

      Bianca konnte ihm nur noch das Zugeständnis abringen, innerfamiliär Nachforschungen anzustellen. Das würde jedoch dauern, weil er morgen Abend schon wieder nach Frankfurt zurückfliege.

      Ansonsten interessierte er sich sehr für ihre kriminalistische Tätigkeit und die vielen Fahrzeugbrände, über die in den Medien fast täglich berichtet wurde.

      Dann schlug er viel zu auffällig, aber durchaus mit ehrlichem Interesse, einen Bogen zu ihren Fernreisen. Er selbst wäre unausweichlich oft in Thailand und Hongkong gewesen, aber seit er vor einigen Jahren auf dem Rückflug nach Frankfurt die Himalaya-Region überflog und das Tibetische Hochland greifbar nahe unter ihm hinweg zog, wäre es sein erklärtes Ziel, sich genau dort einer Trekking-Tour anzuschließen. „Eine Bekannte bereist mit einigen Freunden häufig von Indien aus die Himalayaregion. Aber bisher hat es bei mir aus Zeitgründen noch nicht geklappt.“ Und dabei machte er eine Fingerbewegung, die Bianca bedeutete, dass eher finanzielle Gründe Ausschlag gebend waren. „Ich wollte unbedingt über Bangalore anreisen“, hatte er dann in einer Weise betont, die ihr eine Flucht aus dem Thema kaum noch möglich machte. Sie wusste genau, was jetzt kam.

      „Warum gerade über Bangalore?“

      „Wegen der Palmblattbibliothek. Ich habe viel darüber gelesen und wäre wirklich gespannt, ob da was dran ist. Kennen Sie das Geheimnis der Palmblattbibliothek?“

      „Ja, ich kenne es. Mein Freund war dort gewesen, ich selbst noch nicht. Er erzählte mir, dass die wichtigen Ereignisse, die sein zurück liegendes Leben betrafen, in alten Redewendungen und in vorzeitlichem Vokabular tatsächlich übereinstimmend aufgeschrieben waren.“ Bianca Jochens hatte gespürt, wie dieses Thema und das gemeinsame Interesse sie aufwühlte. „Mein Freund meinte zwar, dass es einiger Fantasie bedürfe, um die Ausdrucksweise der Mönche von vor über tausend Jahren auf die heutige Zeit zu übertragen, aber genau das sei ihm gänzlich unvoreingenommen gelungen.“

      „Ob es dort auch Aufzeichnungen über diese Brandstiftung gibt?“

      Das, was sicher spaßig gemeint war, berührte Bianca nicht. „Wenn der Täter Gelegenheit findet, die Bibliothek zu besuchen und sich die Stationen seines Lebens vorlesen zu lassen, wird dieser dunkle Punkt vielleicht erscheinen.“

      „Was macht Ihr Freund beruflich?“

      Diese plötzliche Kurve in ihrer Unterhaltung irritierte Bianca nur im ersten Augenblick und sie zögerte auch nicht zu verraten, dass er ebenfalls Kriminalbeamter war. Er blieb dabei ja namenlos. „Oliver arbeitet -“ sie verzog gequält das Gesicht; also nicht mehr namenlos, was ihr letztlich aber kein Herzklopfen bereitete, „Oliver arbeitet nur zu fünfzig Prozent, ist drei Monate im Dienst und drei Monate Tourist. Die Stationen seiner Reisen stellt er dann häufig zu einem Lichtbild- oder Filmvortrag zusammen.“

      Mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit begann sie, einem unbekannten Zeugen gegenüber ihr Privatleben offen zu legen. Fast mochte sie für sich daraus schließen, dass sie Daniel Friedlaender vertrauen konnte, er also aus privatem Interesse gefragt hatte und nicht, um Schabernack mit ihr zu treiben.

      Die Tür öffnete sich einen Spalt und Henningsen steckte seinen Kopf herein. Die Neonbeleuchtung spiegelte sich auf seiner Kopfhaut. „Hey, Bianca, wir setzen uns gleich zusammen. Es gibt einiges zu besprechen.“

      „Mach bitte die Tür zu, Stefan, ich brauche noch ein paar Minuten.“

      „Alles in Ordnung?“

      „Ja und nein.“ In einem ablenkenden Akt schob sie die Papiere mit ihren Notizen zusammen. „Bis gleich, Stefan.“

      Sein schmunzelndes Gesicht zog sich wieder zurück, die Tür fiel ins Schloss.

      Sie wusste selbst nicht, warum, aber am Schluss der Vernehmung hatte sie Friedlaender gegenüber behauptet: „Ich bin davon überzeugt, dass Sie eine ganze Menge mehr über das Geschäft und ihre Schwägerin preisgeben könnten. Wahrscheinlich würde dann einiges klarer werden“, - und erntete ein unbestimmtes Lächeln. „Ob es Ihnen leichter fallen würde, wenn wir uns nach Feierabend hier um die Ecke im Schweinske darüber weiter unterhielten?“ - Um Himmels Willen, Bianca! Was für eine bescheuerte Idee! - „Ich lad` Sie zum Bauernfrühstück ein.“

      Sein Lächeln wurde persönlicher, offener. „Leider bin ich heute familiär eingebunden. Und morgen, tagsüber, werden Sie ja nicht können.“

      „Wahrscheinlich nicht.“

      „Dann bin ich erst in vierzehn Tagen wieder in Hamburg.“

      „Das ist sehr schade.“ Bianca spürte aber, dass sich aus ihrer spontanen Eingebung etwas entwickeln könnte. Vielleicht musste sie nur geduldig sein.

      Sie saßen zusammen in Pergandes Zimmer. Gregor und Stefan an ihren Arbeitsplätzen, Bianca blieb nur ein prall gefüllter Umzugskarton, weil sich auf dem einzigen Besucherstuhl jetzt ein Aktenberg stapelte. Sie sahen sich vielsagend an, ehe Pergande das Wort ergriff:

      „Ich fürchte, das wird eine ziemliche Rennerei geben, Leute. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Suppe ordentlich umzurühren, die wir uns da eingebrockt haben und müssen sehen, dass wir ein paar Fleischstückchen zu fassen kriegen. Was heißt: Hin zu dem konkurrierenden Asia-Shop und Befragungen im weiteren Umfeld. Ich denke zum Beispiel an das Thai-Restaurant in der City, die Kundschaft, die dort verkehrt, das Personal. Der Laden hat immerhin nachts geöffnet und befindet sich mitten im Milieu.“

      „Na ja“, wandte Bianca ein, „zwar mitten in St.Georg, aber das Rotlichtviertel liegt ja auf der anderen Seite der Langen Reihe.“ Sie lächelte tiefgründig. „Vis-à-vis steht sogar eine Kirche.“

      Die Kollegen lachten. „Und was ist mit dem Friedlaender?“ wollte Henningsen dann wissen. „Abgesehen von den anderen Schaulustigen war seine Anwesenheit am Brandort ja doch schon irgendwie auffällig.“

      Bianca Jochens gab in wenigen Worten die Vernehmung wieder, verschwieg jedoch den privaten Exkurs, der in ihr tiefgreifende Empfindungen ausgelöst hatte. Sie waren noch immer präsent. Sie schilderte ihnen zwar den Gesprächsverlauf mit Friedlaender, musste dabei aber ständig an sein Anliegen denken, unbedingt die Palmblattbiblliothek zu besuchen. Mit seinem Interesse für eine Bibliothek mit Prophezeiungen und dem persönlichen Lebensbuch eines jeden Besuchers befand sich dieser Mann mitten in der Esoterik.

      Sie löste sich aus ihrer Gedankenwelt und wurde wieder sachlich. „Dass er mit der Brandstiftung etwas zu tun hat, kann man Friedlaender nicht nachweisen. Er ist zwar auf seine Schwägerin nicht gut zu sprechen, aber daraufhin den Supermarkt abzufackeln, ergibt irgendwie keinen Sinn.“

      Pergande wiegte kaum merklich den Kopf. Statt eines Einwandes sagte er: „Dann wäre er auf jeden Fall unser Mann, um die Geschäftsverhältnisse offenzulegen. Denn weder Sriwan Friedlaender noch Yanqiu Kramer haben mit offenen Karten gespielt.“ Er sah seinen Kollegen an: „Nicht wahr? - die Inhaberin sehr zurückhaltend, weil sie ihre Schwester nicht in etwas verwickeln will, was vielleicht gar nicht mit unserem Fall zu tun hat, oder weil sie über Einzelheiten selbst nicht genau informiert ist. Und die Kramer halte ich einfach für abgebrüht, nicht unbedingt für kriminell, aber eben so, wie Geschäftsleute abgebrüht sein können.“

      „Das heißt, Bianca, wir haben momentan sehr wenig, um den Fall zügig aufzuklären.“ Nebenbei nahm Stefan die Fernbedienung zur Hand und schaltete seine Musikanlage aus, an der die Leuchtdioden rhythmisch zuckten. Er lehnte sich zurück. „Ein bisschen haben wir gehofft, dass du Friedlaender auf unsere Seite ziehen würdest.“

      „Ich glaube, dass genau das gelingen könnte“, erwiderte Bianca nachdenklich, „in der Familie stimmt es nämlich ganz und gar nicht. Nur scheut er sich glaub’ ich noch, seiner Frau zuliebe ihre Schwester zu denunzieren.“

      „Wenn