Der Dieb ohne Herz. Ney Sceatcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ney Sceatcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959914192
Скачать книгу
machen. Die rauben dir deine Kräfte, diese kleinen Mistdinger.« Wieder lächelte sie. Erst jetzt nahm ich die Umgebung wahr. Ich befand mich in einer Art Zelt. Es war groß und diente wohl als Lager. Überall standen Dinge herum. Waffen, Krüge, Säcke, ein alter Stuhl, Decken und sogar eine grün leuchtende Vase in der Ecke. Neben dem schmalen Klappbett, auf dem ich lag, befand sich hier auch noch ein Tisch und eine kleine Kommode, die in Anbetracht dessen, dass wir uns hier im Wald befanden, völlig fehl am Platz wirkte. Ein wenig Licht schien durch die hellbraunen Zeltwände. Inzwischen hatte es wohl auch aufgehört zu regnen.

      »Ich bringe dir etwas zu essen, du musst kurz vor dem Hungertod sein.« Rabea verschwand wieder aus dem Zelt und ließ mich ratlos zurück. Sie hatte mich gerettet, aber zu welchem Preis? Wer waren sie und ihr eigenartiger Begleiter?

      Ich fühlte eine sonderbare Unruhe, die sich langsam an die Oberfläche kämpfte. Ich ignorierte meine pochende Stirn und stand auf. Sofort erschienen schwarze Punkte vor meinen Augen, die aber bald wieder verblassten. Womöglich brauchte ich einfach etwas zu essen. Ich durchquerte das Zelt und warf einen Blick nach draußen. Es war wirklich hell und wir befanden uns auf einer Lichtung. Ein Lagerfeuer brannte direkt vor mir und darüber hing ein schwarzer Kessel, aus dem schwache Rauchfahnen aufstiegen. Neben diesem Zelt gab es noch sieben weitere. Sonderbar war hier, dass alle eine andere Farbe besaßen. Außerdem gab es an den Ecken eigenartige Muster und Schriftzeichen, die ich so noch nie gesehen hatte. Neben Zelten und einem Lagerfeuer befanden sich dort noch zwei große Holztische.

      Die Bäume um den Platz herum bildeten eine Art Kreis. Fasziniert lief ich weiter. Das hier war tatsächlich ein Lager.

      »Du scheinst sehr neugierig zu sein.«

      Überrascht drehte ich mich um. Rabea stand hinter mir, in ihren Händen hielt sie zwei Tonschüsseln. »Hunger?« Fragend hob sie die Schultern. Ich nickte und nahm ihr eine der Schüsseln ab.

      »Setzen wir uns erst einmal und dann erzählst du mir, was du hier im Wald zu suchen hast«, fuhr sie fort und setzte sich an einen der Holztische neben dem Feuer. Ich machte es ihr nach und begutachtete mein Essen. Es war eine köstlich riechende Suppe mit Beeren, Wurzeln und irgendwelchen anderen Zutaten, die ich auf die Schnelle nicht erkannte. Ich hatte bereits den Löffel in der linken Hand, als wieder dieses mulmige Gefühl aufkam. Ich hielt inne und schielte etwas zu Rabea, die bereits die Hälfte ihrer Portion verspeist hatte. »Meinst du nicht, es ist der falsche Zeitpunkt, um mir nicht zu trauen?«, fragte sie und deutete mit ihrem Löffel auf meine Suppe.

      »Tut mir leid«, sprach ich und aß nun auch von meiner Schüssel. Sie hatte recht, hätte sie mir etwas antun wollen, dann hätte sie das schon vorher machen können, als ich in Ohnmacht gefallen war.

      »Also, erzähl mir etwas über dich, Malina.« Sie stellte ihre Schüssel auf die Seite, während ich nicht genug von dem Essen bekam. Die Beeren waren süßlich, während die Wurzeln einen leicht bitteren Beigeschmack hatten. Eine Wärme kroch meinen Hals hinunter und bereitete sich in meinem Magen zu einem wohligen Gefühl aus.

      »Ich lebe in dem Fischerdorf Rondama gleich vor dem Wald. Mein Ziel ist es, nach Malufra zu gelangen. Ich war auf dem Weg durch den Wald, als ich euch begegnet bin und mich hinter dem Baum versteckt habe. Aus Angst bin ich dann geflohen und dann kamen ebendiese Blumen.«

      »Malufra.« Rabea kratzte sich gedankenversunken am Kopf. »Das ist ganz schön weit weg von hier«, sprach sie nach einer Weile. »Und was willst du in der Stadt mit der verrückten Königin der Masken?« Nun lag ihr Blick wieder auf mir und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie sich dieser neugierige Blick schon bald in Mitgefühl wandeln würde. Ein zartes, blasses Mädchen mit hellem Haar fällt mitten im Wald in Ohnmacht und möchte dann so schnell es geht in eine völlig neue Stadt.

      »Ich möchte gern jemanden besuchen, einen Verwandten«, antwortete ich ihr und blickte ihr dabei direkt in die Augen. Sie erwiderte den Blick eine Zeit lang, ehe sie wieder zu dem Feuer sah. Solange ich mir nicht sicher war, wie sehr ich ihr trauen konnte, würde ich nichts über die Einladung sagen. Nicht jeder bekam eine Einladung von der Königin und manche warteten ihr ganzes Leben auf solch eine Gelegenheit.

      »Hast du keine Angst, so ganz allein?« Sie stand auf und lief zu dem Feuer hinüber.

      »Darüber habe ich ehrlich gesagt nicht nachgedacht«, sprach ich. Ich hatte noch gar keine Zeit gehabt, mir Gedanken darüber zu machen, wie gefährlich dieses ganze Unterfangen hier war. Ich war allein, wusste nicht einmal, wie man kämpfte, und hatte keine Ahnung, ob Malufra wirklich dort hinter dem Wald lag. Ich hatte mich naiv verhalten wie die meisten Charaktere eines Märchens. Und soweit ich wusste, ging das selten gut für die Beteiligten aus.

      Rabea lief um das Feuer herum und hob etwas vom Boden auf. Dieses Etwas stellte sich als kleiner Beutel heraus, dessen Inhalt sie in den schwarzen Kessel kippte. »Spürst du schon was?«, fragte sie nach einer Weile.

      »Ich fühle mich etwas müde«, murmelte ich und fasste mir an die Stirn. »Dafür hat das Kopfweh aufgehört«, stellte ich fest.

      »Diese Medizin in dem Essen senkt dein Fieber und nimmt die Schmerzen, aber sie raubt dir Energie. Leg dich noch etwas hin.« Mit einem Holzlöffel rührte sie in dem Kessel und betrachtete gespannt, wie noch mehr Rauch hoch in den Himmel stieg.

      Auf einmal kam mir etwas anderes in den Sinn. »Meine Tasche!«, rief ich panisch und blickte um mich.

      »Sie liegt im Zelt. Ich habe nichts angefasst.« Rabea deutete mit dem Kopf in Richtung des Zelteinganges.

      Ich stand also wieder auf und lief zurück.

      Die Tasche lag tatsächlich neben dem Bett. Ganz vorsichtig öffnete ich sie und blickte hinein. Alles war noch da. Mit einem leisen Seufzen ließ ich mich wieder auf das Bett fallen und schon bald schlossen sich meine Lider wie von selbst. Ich träumte von bunten Masken aus Glas, von einem Fischer, der verzweifelt nach einem leuchtenden Punkt am Himmel griff, und von einer Frau mit kalten grauen Augen, aber einem freundlichen Lächeln.

      Als ich wieder aufwachte, war es Nacht. Ich fühlte mich viel besser als zuvor und meine Kopfschmerzen waren nun endgültig verschwunden. Dafür war mein Hals staubtrocken. Ich stand auf, nahm meine Tasche und lief hinaus aus dem Zelt. Rabea stand wieder bei dem Lagerfeuer vor dem schwarzen Kessel, nur war sie diesmal nicht allein. Neben ihr stand ein Mann, der immer wieder Witze machte, die sie nicht wirklich zu beeindrucken schienen. Von der Größe und der Statur her musste das Lev sein, der Elefant ohne Feingefühl. Weiter hinten bei den Zelten entdeckte ich eine Person, die mir durchaus bekannt vorkam.

      »Ein herrlicher Abend, nicht wahr?«, sprach der junge Mann mit den blonden Haaren und Pfeil und Bogen. Er war es, den ich in Rondama unten am Hafen getroffen hatte. Auch heute trug er diese seltsame Kleidung mit den vielen Schichten. Er lehnte an einem der Bäume und blickte genau in meine Richtung.

      »Kann es sein, dass wir uns schon einmal begegnet sind?«, fragte ich und lief näher an ihn heran. Mehr als ein Schulterzucken bekam ich nicht von ihm. »Du gehörst also zu dieser bunten Truppe?«, fuhr ich fort.

      »Wir sind Jäger, keine bunte Truppe.« Er lachte und deutete mit seinem Bogen auf die anderen Menschen vor dem Lagerfeuer. »Ich bin Tarek und du musst Malina sein.« Er stieß sich ab und streckte mir dann auffordernd seine rechte Hand entgegen. Zögernd nahm ich sie und beobachtete, wie er mir einen Kuss auf den Handrücken hauchte. Seine Hände waren bedeckt von Lederhandschuhen und in seinem Blick lag Schadenfreude.

      »Jäger, die hilflose Tiere im Wald erlegen?« Ich schnaubte und entzog ihm meine Hand.

      »Wir jagen keine Tiere, wir jagen andere Dinge.«

      »Was für Dinge kann man denn noch jagen?«

      Er schien meine fragenden Blicke zu genießen. Nachdenklich sah er hoch in den Himmel und tippte dabei immer wieder mit den Fingern an seinen Bogen. »Geheimnisse, Geschichten, alles, was kostbar ist, kann gejagt werden.«

      »Jagt ihr auch Menschen,