Der Dieb ohne Herz. Ney Sceatcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ney Sceatcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959914192
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vertieft in deine Maske, Maskenmädchen.« Er nickte und lief hinüber zu der kleinen Kommode.

      »Ich wollte niemandem den Platz wegnehmen«, entschuldigte ich mich und packte auch wieder den Rest der Sachen in meine Tasche.

      »Ich schlafe nicht, keine Sorge. Du hast mir den Platz nicht gestohlen.« Er lächelte, während er sich auf die Brust tippte, dorthin, wo wohl vor einigen Jahren noch sein Herz geschlagen hatte. »Es hat einige Vorteile, wenn man sich dazu entschließt, sein Herz herzugeben.«

      »Und was wären die Nachteile?«, erkundigte ich mich.

      »Im Grunde gibt es keine.« Gelangweilt zuckte er mit der Schulter und sah sich in dem Zelt um, als ob er nicht wüsste, wonach er suchte.

      »Dann sollte ich womöglich auch mein Herz herausschneiden.«

      »Ich habe noch nie von einem Maskenmädchen ohne Herz gehört.« Er schnaubte belustigt.

      »Nur weil ein Märchen noch nicht aufgeschrieben wurde, heißt das noch lange nicht, dass es nicht auch existieren kann.« Ich verzog das Gesicht, während ich daran dachte, wie es wohl sein würde, sich das eigene Herz herauszuschneiden. Nie und nimmer würde ich so etwas freiwillig machen. Dieser Schritt musste ihn eine Menge Überwindung gekostet haben. »In dem Märchen heißt es, dass du nicht fühlen kannst, stimmt das?«, hakte ich nach.

      »Bestimmte Dinge kann ich fühlen, andere nicht. Wie es scheint, kennst du dich mit Märchen aus.«

      Ich nickte. »Ich liebe sie, jedes einzelne von ihnen. Märchen geben uns Hinweise und Ratschläge.«

      »Und das Märchen von mir, was sagt dir das?« Seine Aufmerksamkeit galt nicht mehr den Gegenständen um ihn herum, sondern voll und ganz mir.

      Ich schwieg. Mir kamen einige Sachen in den Sinn, nur würden diese ihn womöglich wütend machen.

      »Dir fällt nichts ein?« Er hob fragend eine Augenbraue.

      »Nein«, brachte ich hervor.

      »Das lügende Maskenmädchen. Bisher hinterlässt du keinen sonder­lich positiven Eindruck.«

      Ich schloss die Augen. Dafür konnte ich ihm keinen Vorwurf machen. In den wenigen Minuten, in denen wir uns unterhalten hatten, hatte ich ihn schon zweimal angelogen.

      »Du musst eines wissen. Ich erkenne jede Lüge, da ich mich nicht ablenken lasse von ebensolchen trügerischen Gefühlen. Ich sehe nur die Wahrheit, auch wenn diese nicht immer wunderschön ist«, sprach er.

      »Und wie kann ich dir helfen?« Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ihn fragen wollte, warum er überhaupt in das Zelt gekommen war.

      »Warum willst du nach Malufra?«, fragte er und setzte sich auf den hölzernen Stuhl gleich neben der grünen Vase.

      »Ich habe eine Einladung von der Königin. Die hast du ja bereits gesehen.« Ich wartete einen Moment, ehe ich den Brief aus der Tasche zog und hochhielt.

      »Und genau das hat mich so verwundert. In den letzten Jahren hat die verrückte Königin nicht gerade mit Einladungen um sich geworfen. Was hast du, was sie so sehr interessiert?«

      »Ich will ihr die Maske zeigen.«

      »Die Maske mit den Sternen? Und warum solltest du das machen? Ich bin mir sicher, sie besitzt genug Masken und braucht deine nicht auch noch.«

      »Irena …« Ich stockte. Ja, was war Irena überhaupt? Wer war sie in meinem Leben? »Die Frau, bei der ich lebe, stellt Masken her, wunder­schöne Masken in etlichen Variationen und Farben. Jedoch wird das Geld in unserem Dorf immer knapper und die Abgaben immer höher. Menschen riskieren ihr Leben, nur damit sie an Geld kommen. Irena hat auch damit zu kämpfen. Masken sind kostbar, und wenn die Leute knapp bei Kasse sind, dann sind sie nicht bereit, für so etwas Geld auszugeben. Sie hat die letzten Jahre auf mich aufgepasst und für mich gesorgt und darum wollte ich zur Königin nach Malufra. Ich wollte ihr Irenas Masken zeigen, damit sie ihr welche abkauft.«

      Der Dieb nickte. »Bist du dir sicher, dass die Königin diese Maske so besonders finden wird?«

      »Nein, ich bin mir ganz und gar nicht sicher. Ich muss es trotzdem versuchen. Und wenn es nicht klappt, dann finde ich womöglich andere Interessenten. In Malufra gibt es genug Adlige mit Masken.« Ich betrachtete den Waldboden zu meinen Füßen und zählte in meinen Gedanken die Sekunden, die verstrichen. Womöglich würde er mir von meinem Vorhaben abraten, aber egal was er sagen würde, ich würde nicht aufgeben.

      »Wir helfen dir.«

      Ungläubig hob ich den Kopf. »Womit?«

      »Ein Teil der Gruppe wird dich bis zur Passage bringen. Ab dort musst du dann allein weiter. Doch bis dorthin stehst du unter unserem Schutz.« Er nickte bestätigend und erhob sich aus dem Stuhl. Langsam gewöhnte ich mich daran, dass man keinerlei Regung in seinem Gesicht erkennen konnte. Keine Emotionen, keine Gefühle, rein gar nichts, was mir helfen würde zu verstehen, warum er sich so verhielt.

      »Und warum helft ihr mir?«, fragte ich zögerlich.

      »Hinter dem Wald, kurz vor Malufra, liegt ein kleiner See. Vielleicht hast du schon davon gehört. In diesem See liegt etwas verborgen, was mir gehört, und ich würde es mir gern zurückholen.«

      Ich wollte gerade nachfragen, um was es sich dabei handelte, da war er bereits wieder aus dem Zelt verschwunden. Sein Herz konnte er nicht meinen, denn das lag verborgen in einem hohlen Baumstumpf. Um was ging es ihm also?

      7

      Wo Märchen begannen

      Mein Schlaf war unruhig, meine Gedanken völlig wirr. Es fühlte sich beinahe so an, als würde ein unsichtbares Paar Hände sich um meine Kehle legen und zudrücken. Immer wieder schreckte ich hoch und tastete an meinen Hals, dann zu der Gegend, wo sich mein Herz befand. Es schlug, wenn auch etwas zu kräftig. Was war nur los mit mir?

      Müde rieb ich über meine Augen und setzte mich auf. Die Decke beförderte ich dabei ganz an den Rand, da mir viel zu warm war. Mit den Händen tastete ich im Dunkeln nach meiner Tasche. Ich hatte sie direkt neben meinem Kopf platziert.

      »Klopf, klopf.« Der Stoff beim Zelteingang wurde auf die Seite geschoben und Rabeas Kopf tauchte auf. Ihre langen dunklen Haare hatte sie sich hochgebunden und sie trug wieder dieselben dunklen Kleider wie damals im Wald mit Lev. Schwarze Hosen, ein langes Oberteil und einen Umhang mit Kapuze. Um ihre Hüften hing ein brauner Gürtel, an dem sich drei Messer befanden. In der linken Hand hielt sie eine Laterne. »Du bist wach, gut.« Aufmunternd nickte sie mir zu und betrat dann das Zelt.

      »Ich konnte nicht schlafen«, gab ich zur Antwort.

      »Albträume?« Sie lief zu der Laterne neben meinem Bett und kniete sich davor. Ihre eigene stellte sie gleich daneben.

      »Ich kann mich meist nicht an meine Träume erinnern, aber es hat sich angefühlt, als ob mir jemand die Luft abschnüren würde.« Ich schüttelte eilig den Kopf, um dieses Gefühl wieder zu vertreiben.

      »Das kenne ich«, sprach sie nachdenklich und entzündete mithilfe der Kerze aus ihrer Laterne meine. Augenblicklich wurde es noch heller in dem Zelt. Dunkle Schatten tanzten an der Decke entlang und es wirkte, als ob sie über mich lachen würden.

      »Du warst noch nie lange weg, oder?«

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Das nennt sich Heimweh. Bestimmt hast du jemanden zurückgelassen, der dir viel bedeutet.« Lächelnd reichte sie mir die Laterne. Sofort tauchten Bilder von Irena in meinem Kopf auf.

      »Und wie werde ich dieses bedrückende Gefühl los?«

      »Gar nicht, du gewöhnst dich irgendwann daran. Nun aber zu etwas anderem: Wie lange brauchst du, bist