Der Dieb ohne Herz. Ney Sceatcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ney Sceatcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959914192
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lange geschlafen.

      »Wir brechen auf. Jetzt ist der beste Moment dafür, denn bald geht die Sonne auf. Lev und ich bringen dich ein Stückchen durch den Wald, dann lösen uns die anderen ab.« Sie stand wieder auf und klopfte sich mit ihrer freien Hand den Dreck von der Hose.

      »Ich bringe dir gleich noch andere Kleidung. Die schützt dich vor weiteren Giftpflanzen.«

      Ich nickte und wartete geduldig, bis Rabea aus dem Zelt verschwand und bald darauf wieder mit einem Stapel Kleider zurückkam. Es waren diese dunklen Stoffstücke, die sie selbst auch trug. »Schützen vor Insektenbissen, giftigen Schlangen, vor Sonnenbrand und Kelpies.«

      »Kelpies?« Jetzt war ich endgültig wach. So etwas gab es gar nicht. Nur eben in Märchen, obwohl …

      »Keine Sorge, es gibt keine.« Lachend verließ sie das Zelt.

      Da stand ich also etwas später auf der Lichtung. Die Kleider waren mir ein bisschen zu groß, aber lieber zu groß als zu eng.

      Rabea hatte recht behalten, inzwischen konnte man den Sonnen­aufgang über den Baumkronen entdecken. Ein Spiel aus etlichen Rottönen, das mich immer wieder staunen ließ. Wie bunte Steine, die man gegen das Licht hielt, um ihr Farbenspiel zu betrachten.

      Ich wandte den Blick wieder ab und sah zu dem Lagerfeuer. Nun brannten die Holzscheite kaum noch, nur noch die Glut deutete darauf hin, dass bis vor Kurzem noch ein prächtiges Feuer darin gebrannt hatte. Rabea und Lev standen um den Steinkreis herum. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und starrte hoch in den Himmel. Seiner Miene nach zu urteilen, war er nicht gerade begeistert davon, ein völlig fremdes Mädchen durch den Wald zu begleiten.

      »Hast du alles?«, fragte Rabea.

      Nickend deutete ich auf meine Tasche.

      Rabea lief voraus. Sie wählte einen Weg direkt zwischen den Bäumen hindurch. Ich folgte ihr, während Lev das Schlusslicht bildete. Der Abstand zwischen mir und ihm wurde immer größer und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er nur auf seine Chance wartete, heimlich zwischen den Bäumen zu verschwinden.

      Der Weg wurde immer schmaler und der Boden zu meinen Füßen unebener. Als wir dann an einem Feld von diesen Kümmerlingen vorbeikamen, zog es in meiner Bauchgegend. Ich trug nun diese Kleidung und trotzdem vermied ich es, auch nur in die Nähe dieser heimtückischen Pflanzen zu kommen.

      So liefen wir eine Weile schweigend hintereinanderher. Die Sonne war aufgegangen, der Tag war angebrochen und schon bald hörte man das fröhliche Zwitschern einiger Vögel.

      »Du meldest dich, wenn du eine Pause brauchst«, rief Rabea nach hinten, ohne sich umzudrehen.

      Der Weg vor uns wurde wieder breiter und ich musste mich nicht mehr so darauf konzentrieren, wo ich hintrat. Ich beeilte mich etwas und lief nun neben Rabea. »Danke, dass ihr mich begleitet.«

      »Der Wald ist unser Zuhause, wir machen das gern«, antwortete sie und blickte weiterhin angestrengt nach vorn. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber womöglich bildete ich mir das nur ein.

      »Warum haben eure Zelte eigentlich unterschiedliche Symbole und Farben?« Diese Frage lag mir schon seit einer Weile auf der Zunge. Von Rabea erhielt ich darauf keine Antwort. Sie wechselte wieder den Weg, sodass ich erneut hinter ihr laufen musste. Lev schlich still hinter uns her und betrachtete die Natur um sich. Immerhin hatte er den Abstand zu mir etwas verkleinert.

      »Tarek hat mir erzählt, ihr seid Jäger.« Ich hielt inne und wartete einen Moment, ehe ich fortfuhr: »Und warum hast du heute Morgen gesagt, dass uns die anderen ablösen? Heißt das, sie sind irgendwo hier?« Womöglich ging ich ihr in diesem Moment gewaltig auf die Nerven und ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie sie es bereits bereute, mich gerettet zu haben.

      »Du stellst ganz schön viele Fragen«, brummte Lev.

      »Hast du denn Antworten darauf?«, rief ich lauter als beabsichtigt nach hinten. Mehr als ein Schweigen bekam ich nicht. Ich seufzte und hob schützend meine Arme vor den Kopf, als Rabea stehen blieb und ich beinahe in sie hineingelaufen wäre. Eine Mauer aus Dornen versperrte uns den Weg. Sie bestand aus kahlen braunen Büschen und Sträuchern, die sich gegenseitig umwickelten und nicht zuließen, dass man an ihnen vorbeikam. Nur schon allein der Gedanke an diese spitzen Dinger tat mir weh.

      »Und nun?« Lev drängte sich an mir vorbei und blickte fragend zu Rabea. Diese schüttelte nur nachdenklich den Kopf.

      »Ihr wartet hier, ich bin gleich wieder da.« Sie drehte sich um und tauchte zwischen den Bäumen unter.

      Ich betrachtete die Hecke eingehend. »Was, wenn wir einfach um diese Mauer herumlaufen?«

      »Solche Dornensträucher grenzen für gewöhnlich etwas ab, die reichen einige Meter.« Er seufzte auf und drehte sich dann demonstrativ mit dem Rücken zu mir, als wollte er sagen, dass er keine weiteren Gespräche führen möchte.

      Ich rollte mit den Augen und lief näher an die Dornen heran. Eigenartig, dass man solch ein Gebilde hier im Wald fand. Wenn das der Wahrheit entsprach und diese Hecken wirklich etwas abgrenzten, dann musste man doch auch irgendwie rüberkommen.

      Ganz vorsichtig streckte ich meine Hand nach den Dornen aus. Vielleicht könnte man die Äste einfach hinunterdrücken und so hindurchgelangen.

      »Aua!« Schmerz zuckte durch mein rechtes Handgelenk.

      »Wurdest du von Irrlichtern gebissen?!«, sprach Lev zornig. Auf einmal war er neben mir aufgetaucht und hatte mit dem Knauf seines Schwertes auf meinen Handrücken geschlagen.

      »Man fasst die Dornen nicht an! Das kann dich das Leben kosten.«

      Überrascht blickte ich hoch zu ihm, während ich mir immer noch über die schmerzende Hand rieb.

      »Hast du etwa noch nie von dem Märchen der verwunschenen Hecken gehört?«, fragte er in dem bissigen Tonfall, in dem er schon die ganze Zeit zu mir sprach. Mir war er nicht entgangen.

      »Nein, ich kenne es nicht«, murmelte ich und trat einen Schritt weg von der Mauer. »Worum geht es denn bei dem Märchen?«

      Doch Lev hatte wieder seine Arme vor der Brust verschränkt und mir den Rücken zugewandt.

      »Wenn du mir mehr über das Märchen erzählst, dann könnte ich vielleicht einen Weg hinaus finden«, sprach ich energisch.

      »Rabea wird dir das Märchen gern erzählen, bis dahin würde ich warten und nichts anfassen.«

      Ich nickte. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis Rabea wieder auftauchte. Ihre Frisur hatte sich inzwischen gelöst und ihre Haare hingen ihr wirr über die Schulter. Genervt entfernte sie einige Blätter und kleine Äste daraus.

      »Wir haben ein Problem«, sagte sie und legte die Stirn in Falten.

      »Was für eines?« Lev hatte sich wieder umgedreht und lief nun auf sie zu.

      »Weder Tarek noch er sind in der Nähe, und so wie ich das einschätze, dauert es zu lange, wenn wir nach einem Ende dieser Hecke suchen würden.« Sie seufzte auf und lehnte sich an einen Baum. »Wir können also nur abwarten«, murmelte sie leise und blickte auf den Waldboden.

      »Ich versuche es einfach mit dem Schwert.« Lev zog das Schwert aus der Scheide. »Mal sehen, wer gewinnen wird, Metall oder Natur.« Er hatte bereits einen siegessicheren Blick aufgesetzt, als Rabea warnend die Hand hob.

      »Du weißt, dass das nichts bringt. Die Ranken wachsen immer nach.«

      »Das Märchen?«, versuchte ich es erneut und stellte mich zwischen die beiden. Rabea hob verwundert die Augenbraue.

      »Du hast die Ehre, ihr von dem Märchen der verwunschenen Hecke zu erzählen«, grummelte Lev.

      »Du kennst die Geschichte wirklich nicht?«, fragte sie. Ich verneinte. Märchen waren ein Teil meiner Welt,