Der Dieb ohne Herz. Ney Sceatcher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ney Sceatcher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959914192
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kleine Dörfchen vor dem Wald?« Ihn schienen diese Worte ziemlich zu amüsieren.

      »Warum ist das witzig?« Ich machte einen Schritt zurück. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Stille von vorhin nicht mehr da war. Es raschelte in den Baumkronen, der Wind blies um unsere Köpfe und die Stimmen der anderen drangen zu uns, wenn auch nur schwach.

      »Weil du so gar nicht in diese Fischerwelt passt.« Er schüttelte ganz leicht den Kopf und blickte für einen kurzen Moment hinter sich in die Dunkelheit, als ob er dort alle Antworten finden würde, die er suchte. »Und was willst du hier im Wald?« Er blickte mir wieder in die Augen und hob die Laterne etwas höher an.

      »Ich fange auch keine Fische, ich stelle Masken her. Ich will nach Malufra und dafür muss ich wohl oder übel durch diesen Wald«, antwortete ich ihm.

      »Auch wenn du Masken herstellst und keine Fische fängst, so passt du noch immer nicht nach Rondama.«

      Ein kalter Wind blies mir über den Nacken und fröstelnd rieb ich mir die Arme. »Und wohin passe ich dann?«

      Wieder blickte er hinter sich in die Dunkelheit, ehe er seinen Blick erneut nach vorn richtete. »Nicht nach Rondama.«

      Ich seufzte. Meine anfängliche Unsicherheit war verschwunden. Der Dieb ohne Herz, wenn er es wirklich war, wollte nur mit mir sprechen. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt. Sein Märchen war immer eines meiner liebsten gewesen, nur hätte ich niemals gedacht, dass ich ihm eines Tages begegnen würde.

      »Und du besitzt kein Herz?«

      »Nein, Maskenmädchen, ich besitze kein Herz.«

      »Maskenmädchen?« Etwas irritiert sah ich ihn an.

      »Du bist ein Mädchen, das Masken herstellt, darum Maskenmädchen.«

      »Und wie soll ich dich nennen, wenn du mich nicht Malina nennst?«, fragte ich zögerlich.

      »Nenn mich Dieb ohne Herz.«

      »Das ist ein schrecklich langer Name und in einem Notfall …«

      »Ich sehe, wir verstehen uns«, unterbrach er mich und lächelte wieder.

      Nun musste ich auch ein kleines bisschen lächeln. Wie es schien, verbarg auch er ein Geheimnis. Zum Glück liebte ich Geschichten und Geheimnisse und irgendwann würde ich bestimmt auch seines herausfinden. »Und du hast dein Herz einfach herausgeschnitten und in einen Baum getan?«, fragte ich ihn. Laut dem Märchen war der Dieb einst ein hübscher Mann gewesen, der es liebte, in der Welt herumzureisen. Sein Herz und seine Gedanken waren voller Liebe, bis sich eines Tages nach einem schrecklichen Vorfall sein Leben grundlegend änderte. Er hatte ein Messer genommen und sich sein eigenes Herz herausgeschnitten. Dieses hatte er sicher in einem hohlen Baum verstaut. Ich verstand bis heute noch nicht, warum man ihn Dieb nannte.

      »Es war ein Pakt.«

      »Mit wem?«

      »Das erzähle ich dir, wenn ich dir irgendwann vertraue, Maskenmädchen. Das heißt, falls ich das jemals würde.« Er drehte sich um und lief wieder Richtung Lagerfeuer.

      »Warte!«, rief ich und rannte ihm nach. Ich packte ihn am Ärmel seines Hemdes. Überrascht hielt er inne.

      »Wenn du der Dieb ohne Herz bist, dann kennst du sicher den Weg nach Malufra.« Noch immer hielt ich den Stoff in meinen Händen. Das Kribbeln war verschwunden. Auch jetzt, während ich so nahe bei ihm stand, konnte ich keinerlei Gefühlsregungen in seinen Augen entdecken. Fast schon unheimlich.

      »Was will ein Maskenmädchen überhaupt in der Stadt der Masken?«

      »Einen Verwandten besuchen.« Auch dieses Mal, wo ich die Lüge ein zweites Mal aussprach, wunderte es mich, wie leicht mir diese Worte über die Lippen kamen. Im Grunde war ich kein Mensch, der oft log. Wenn ich es tat, dann nur im Notfall, und das hier war einer.

      Der Dieb runzelte die Stirn. »Eine Tante? Oder womöglich eine gute Freundin deiner Mutter?« Er stellte die Laterne auf einen Baumstumpf neben sich und legte seine Hand über meine, mit der ich ihn noch immer an seiner Kleidung festhielt. »Oder einen Bruder?«

      Ich entzog mich seiner Hand und trat einen Schritt zurück.

      »Womöglich auch eine entfernte Cousine?« Nachdenklich rieb er sich das Kinn. »Wenn du dir eine Geschichte ausdenkst, dann denk sie gefälligst zu Ende. Ich habe den Brief in deiner Tasche gesehen.«

      »Wann?«, entfuhr es mir und unbewusst griff ich zu meiner Schulter, wo sich der Riemen meiner Umhängetasche befand.

      »Als du geschlafen hast. Ich bin kein Freund der Helligkeit, aber wenn jemand mit solch einem Krach durch den Wald läuft, dann weckt das meine Neugierde.« Er nahm wieder die Laterne, lief weiter. Nun trennten uns nur noch wenige Meter von dem Lagerfeuer und den anderen. Für einen kurzen Moment war ich versucht, ihn erneut an seinem Hemd zu packen, nur mein Mut verließ mich. Ich folgte ihm und ließ die Dunkelheit hinter mir.

      »Wie ich sehe, habt ihr euch bereits bekannt gemacht«, sprach Rabea, als sie uns entdeckte. Von Lev war keine Spur zu sehen. Dafür stand Tarek wieder neben dem Feuer und lächelte.

      »Und wie lange soll sie hierbleiben?«, fragte der Dieb Rabea. Diese zuckte mit den Schultern.

      »Ich werde euch nicht weiter Probleme machen. Ich breche morgen früh auf, sobald die Sonne aufgeht.« Während ich das sagte, versuchte ich meine Haare von Laub zu befreien. Mein kleiner Spazier­gang hatte seine Spuren hinterlassen. »Ich muss nur wissen, in welche Richtung ich gehen muss, damit ich nach Malufra gelange.«

      »Einfach den kleinen Weg entlang.« Der Dieb deutete zwischen den Baumkronen hindurch wieder mitten in die Dunkelheit hinein. Rabea sah ihn einen Moment lang an und es wirkte beinahe, als wollte sie etwas sagen, sich aber nicht sicher wäre, ob sie dies wirklich sollte.

      »In Ordnung.« Ich schluckte und drängte mich an ihnen vorbei. »Danke, dass ich hier sein durfte«, fügte ich hinzu und betrat dann wieder das Zelt. Eine kleine Laterne stand neben dem Bett und tauchte das Innere in ein schwaches Licht. Ich setzte mich aufs Bett und drückte die Tasche eng an meinen Körper. Ich durfte nicht aufgeben, Malufra lag direkt vor meiner Nase.

      Ich öffnete die Verschlüsse der Umhängetasche und griff hinein. Als Erstes holte ich den Schal und das Metallkästchen mit dem Brief hervor. Das Kästchen war von Irena und normalerweise hatte sie darin kleine Steine oder Federn für die Masken aufbewahrt. Es war mir wichtig, dass ich irgendetwas von ihr dabeihatte. Inzwischen war ihr mein Fehlen sicher aufgefallen und ich fragte mich, ob sie mich suchte oder ob sie wartete, bis ich zurückkam. Noch einmal fuhr ich behutsam über das Kästchen, ehe ich es neben mich legte. Erneut griff ich in die Tasche und zog das Päcklein mit dem Proviant hervor. Auch das legte ich neben mich und suchte weiter in den Tiefen des Beutels nach einem meiner wichtigsten Stücke. Meine rechte Hand umschloss den Gegenstand. Er war nicht sonderlich groß und bestand aus kühlem Glas. Das Glas selbst war Moreanglas, ein seltenes Stück, das im ersten Moment pechschwarz wirkte, doch wenn man es unter das Licht hielt, dann erkannte man viele verschiedene Farben unter der Oberfläche. Ganz feine Risse aus Rosa, Grün, Blau, Gelb und auch Rot. Aber man erkannte sie nur, wenn man ganz genau hinsah und Licht hatte. Die zwei Löcher in dem Glas waren für die Augen gedacht und an den beiden Enden waren zwei Stoffbänder hindurchgezogen. Diese waren dafür da, dass man die Maske anziehen konnte. Die Bänder selbst bestanden aus schwarzer Seide, die sich angenehm um meine Finger wickelten. Das Allerschönste an der Maske waren die kleinen funkelnden Steinchen, die wie Sterne wirkten. Das hier war meine erste Maske gewesen. Die Maske, die mich immer daran erinnerte, wie ich Irena begegnet war und dass ich mich noch immer auf der Suche nach mir selbst befand.

      »Ein schönes Stück.«

      Erschrocken ließ ich die Maske fallen und erwischte sie gerade noch im letzten Moment an einem der Bänder, ehe sie auf dem Waldboden aufgeschlagen wäre. Wütend drehte ich mich um und blickte in ein grünes Augenpaar.

      »Ein schönes Stück, das beinahe zerstört worden wäre. Warum schleichst du dich an?«, rief