„Es gibt Momente im Leben,
da steht die Welt für einen Augenblick still und
wenn sie sich dann weiterdreht,
ist nichts mehr wie es war.“
Verfasser unbekannt
Siebenundzwanzig Jahre lang hatte ich einen Beruf. – Einen sehr guten sogar und als Beamtin des Freistaates Bayern noch dazu einen sehr sicheren. In den letzten fünf Dienstjahren war ich Schulleiterin an einer bayerischen Realschule. Davor war ich vier Jahre als Konrektorin im Amt. Und die Jahre davor Lehrerin für die Fächer Haushalt & Ernährung und Deutsch. Bevor ich mich für den Kurswechsel in die „Schulleitung“ entschied, war ich etliche Jahre bereits als Seminarlehrerin für das Fach Haushalt & Ernährung, als Schulbuchautorin, sowie als Evaluatorin für Realschulen in Bayern tätig. Ich liebte die Arbeit mit Kindern und jungen Menschen im Alter zwischen 10 und 16/17 Jahren, auch wenn diese gerade im „interessantesten“ Alter ihres Lebens sind. Und ich liebte es, in der Ausbildung junger Lehrer/Referendare mitgestaltend tätig zu sein. Über all die Jahre hinweg ging ich mit viel Engagement, Freude zum Beruf und Liebe zu den Kindern meiner beruflichen Tätigkeit nach.
Privat versuchte ich gleichzeitig die „perfekte“ Ehefrau, Tochter und Schwiegertochter zu sein. Lange Zeit war ich davon überzeugt, dass es mir bestens gelingt, meine privaten wie beruflichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Doch letztendlich musste ich mit der Zeit immer mehr erkennen, dass meine Realität, mein Wunschdenken und das Wunschdenken der anderen oft nicht so deckungsgleich waren mit dem, wie ich das sah. Wann letztendlich die Veränderung in mein Leben kam, weiß ich nicht ganz so genau zu sagen. Im Nachhinein lässt es sich für mich am besten mit dem Zeitraum erfassen, als ich mit der Bewerbung auf eine Konrektoren-Stelle im Jahr 2007 meine berufliche Veränderung einleitete. Ab da wurde alles ganz langsam – dafür aber stetig – irgendwie anders. Fürs Auge im Außen zwar noch nicht wirklich ersichtlich, aber irgendwie doch schon spürbar. Mit der Zeit nahmen eine zunächst noch undefinierbare Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit immer mehr Raum in meinem Leben ein, die im Verlauf der nächsten Jahre eine Form annahmen, die leider nicht mehr mit „gut“ und „günstig“, sowohl für mich selbst als auch für meinen Mann, zu bezeichnen waren. Da ich ab Herbst 2007 mit dem Hineinwachsen und Ankommen in der neuen beruflichen Situation beschäftigt war, war mir der Blick auf ein erfülltes und gelingendes Privatleben immer mehr abhandengekommen. Viel zu sehr hatte ich meinen Fokus auf den Beruf ausgerichtet. So vollzog sich im Privatleben ein Wandel, der schleichend begann, doch von Jahr zu Jahr immer mehr an Fahrt aufnahm. Als mir die Situation dann insoweit bewusst war, dass auch ich davor die Augen nicht mehr verschließen konnte, redete ich mir zwar immer noch ein, dass sich die Wogen des Sturmes auch wieder glätten könnten. Dass alles nur vorübergehend sei. Dass es nur so lange so anstrengend und an der Substanz zehrend sei, bis ich mich beruflich an der neuen Schule wieder integriert sah und mich im neuen Aufgabengebiet wieder sicher fühlen konnte. Doch was ich gänzlich übersah, war, dass ich zu dieser Zeit bereits mit so viel Neuem konfrontiert war, was bei mir bereits einen höheren Stresslevel „aufflammen“ ließ.
Schließlich hatte ich nicht nur den Schul- und Ortswechsel von der Stamm-Schule zur neuen Schule zu bewältigen, sondern sah mich auch der Herausforderung gegenüber, wieder vertraut zu werden mit neuen Klassen, einem neuen Kollegium, sowie einem völlig neuen Aufgabengebiet. Folglich für mich kein ganz so leichter Beginn. Kaum waren diese vier Jahre des Hineinwachsens in das neue Kollegium gemeistert, erfolgte ein erneuter Standortwechsel mit meiner Berufung auf die Schulleiterstelle. Meine Freude darüber war riesengroß, war es doch genau das, worauf ich in den letzten Jahren hingearbeitet hatte. Doch zugleich hieß es erneut: neuer Standort – neue Schule – neue Klassen – neues Kollegium – neues Aufgabengebiet. Was folgte, waren also weitere Jahre der Veränderung und des Lernens. Eine Zeit, die ich im Leben nicht missen möchte. Doch ich gebe zu, dass es auch eine sehr intensive und mitunter sehr harte Zeit war, in der ich mich oft auch sehr einsam fühlte. Beruflich hatte ich erreicht, was ich erreichen wollte. Ich war da angekommen, was ich mir erwünscht hatte. Ich wollte als Schulleiterin etwas bewirken, etwas gestalten, meine Visionen leben und hatte mir dafür die beste Ausgangsposition geschaffen. Zumindest dachte ich mir dies. Doch beruflich am Zielort der Träume angekommen zu sein heißt noch lange nicht, in der Erfüllung und im wahren Leben angekommen zu sein. Mit meinem beruflichen Engagement hatte ich zwar erreicht, was meinem Ego gefiel. Ich war davon überzeugt eine wunderbare Startposition eingenommen zu haben, auf der sich nun mein weiteres Leben beruflich wie privat entfalten könnte. Doch falsch gedacht. Die Rechnung habe ich ohne die anderen Personen und Variablen gemacht. – Doch dazu später mehr.
Da es mir heute zum Glück wieder um so vieles besser geht – wenn auch noch nicht vollständig in allen Bereichen geheilt –, fühle ich mich dazu motiviert und inspiriert, Ihnen einen Einblick davon zu geben, was mich im Jahr 2016 mit knapp 55 Jahren in der sogenannten „Blüte meines Lebens“ aus meiner „Umlaufbahn“ (privat wie beruflich) geworfen hat. Doch ich möchte dabei keineswegs lamentieren oder gar mit Ihnen „meinen“ Schmerz und „meine“ Wunden aufarbeiten. Manches sei nur deshalb erwähnt, damit Sie sich ein Bild davon machen können, was mein Leben derart durcheinandergeworfen hat, dass es derart aus allen Fugen und Bahnen geriet. Ein Zustand, den man weder sich selbst, noch anderen wünscht. Doch wenn das Leben es so will, dann liegt es letztlich an uns selbst, wieder allen Mut zusammenzunehmen, einen Fuß vor den anderen zu setzen und Stück für Stück nach vorne weiterzugehen. Und dies so lange, bis sich im Leben auch wieder Alternativen zeigen. Nicht umsonst heißt es immer wieder: „Der Weg geht durch die Dunkelheit ins Licht!“
Nun, ich weiß, dass ich dieses „Schicksal“ mit vielen teile. Ich bin nicht die Einzige mit der Diagnose „Burnout, Depression und PTBS“. – Nicht die Einzige, die von ihrem Leben auf eine derart „interessante“ Art und Weise auf diesen Weg gebracht wird. Die vom Leben selbst auf diese Probe gestellt wird. Auf eine Probe, die – so kann ich das heute, vier Jahre später sagen – für jeden Einzelnen von uns trotz aller Krisen und Einschränkungen doch auch zu einer unglaublichen Lernchance wird. Vorausgesetzt wir erlauben es uns daraus zu lernen und uns dabei vor allem die sogenannte „Dunkelheit“ anzusehen. Allein in Deutschland teile ich das Los der Diagnose „Depression“ bereits mit weit über 5 Millionen Menschen. Und die Zahl der Erkrankungen ist nicht rückläufig, sondern ganz im Gegenteil stetig ansteigend. Jede vierte Person soll davon bereits betroffen sein. Was mich bei der Thematik „Depression“ besonders erschreckt, ist die unglaublich hohe Zahl, mit der bereits Kinder & Jugendliche zu Leidtragenden werden, die noch weniger als wir – der betroffene Erwachsene – verstehen, warum sie bereits in so frühen Jahren ihres Lebens in eine solche Krisensituation geworfen werden. Als Schulleiterin habe ich mitunter die Erfahrung gemacht, dass bereits Jugendliche im Alter von 13/14/15 Jahren vor diese große Herausforderung gestellt sind. – Und ihnen oder ihren Eltern nicht wirklich helfen zu können, das hat mich zum einen ohnmächtig und zum anderen aber auch richtig wütend gemacht. Sie sehen: Auch heute noch lässt mich das Schicksal dieser jungen Menschen nicht kalt. Allein schon von Berufswegen her liegt mir das Wohlergehen junger Menschen ganz besonders am Herzen.
Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe erkranken jedes Jahr in Deutschland insgesamt etwa 5,3 Millionen Menschen an