Meine Seele will endlich fliegen. Hermine Merkl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermine Merkl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991076704
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ist die Summe der Teile wichtig, um die Diagnose und den Zusammenbruch besser zu verstehen. Vielleicht ist es aber auch nur mein Hang zum Perfektionismus und zur Vollständigkeit, der mich auflisten lässt, was die „Lernthemen“ der letzten Jahre für mich waren. Egal.

      Im Januar 2016 starb mein Zwillingsbruder nach einer schweren Herz-OP. – Als Familie hatten wir natürlich gehofft, dass er diese schwere Operation überstehen möge. Doch aufgrund diverser Vorerkrankungen war sein Körper bereits so geschwächt, dass er entschied, bereits im Alter von 54 Jahren von uns zu gehen. Und obwohl ich mich in den Wochen zuvor durchaus mit der Möglichkeit seines Sterbens vertraut gemacht hatte, fiel es mir unwahrscheinlich schwer, ihn letztlich gehen zu lassen. Da war dieser tiefe, dieser unendlich tiefe Schmerz. – Doch neben all der Trauer und dem Schmerz war noch so viel mehr. Mir war, als wäre mit seinem Tod auch ein ganz wesentlicher Teil von mir selbst mit ihm gestorben. Da war urplötzlich auch so viel von meinem Leben weg. – Jetzt gab es nur noch die Erinnerung an ihn und einen unaussprechlich tiefen Seelenschmerz. Jetzt gab es kein Gespräch mehr, keinen Austausch mehr an Worten, an Gedanken. Es gab keines seiner Konzerte mehr. Es gab seine Musik nicht mehr. – Wie konnte Gott ihn einfach gehen lassen? – Wie konnte er ihn so früh schon wieder zu sich holen? – Hatte mein Bruder sein Lebenswerk hier auf Erden tatsächlich schon zu einem Ende geführt? – Sollte er nicht noch etwas länger sein Leben hier auf Erden genießen können? – Wieder einmal Fragen über Fragen.

      Doch der Tod hat seine eigene Zeit. Hat seine eigenen Gesetze. Er nimmt nicht Rücksicht auf unsere menschlichen Bedürfnisse und Belange. Heißt es nicht, wenn die Seele ihre Lebensaufgabe erfüllt und gelebt hat, dann will sie wieder heim zu unserem himmlischen Vater? Dass dies für meinen Bruder so gelten sollte, das hatte ich zu akzeptieren. Auch wenn meine Trauer und der Schmerz um den Verlust sehr groß waren. Ich selbst hatte – nach all den Vorkommnissen der letzten Jahre und nach dieser erneuten Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod“ – noch genau genommen für drei Monate die Kraft, meinen eigenen Aufgaben zu entsprechen, ihnen nachzukommen. Doch dann war auch für mich eine Art von „Ende“ gekommen. Um Schmerz und Trauer nicht allzu sehr an mich heranzulassen, entschied ich mich für den mir altbekannten und vertrauten Weg, mich auch weiterhin hinter meiner Arbeit zu verstecken. Dass ich mir selbst damit mehr geschadet als genützt habe, das sollte ich alles erst viel später erfahren. Zu dieser Zeit war es einfach meine Überlebensstrategie, mich hinter möglichst viel an Arbeit und Übernahme diverser Pflichten zu verkriechen. Nach dem Motto: Arbeit befreit. Arbeit heilt die Wunden. Arbeit macht frei. – Ein Glaubenssatz, wie ich ihn wohl unbewusst im Elternhaus gelernt hatte. Zumindest habe ich es für mich so in Erinnerung, dass meine Eltern viele ihrer Sorgen und Probleme mit der Strategie „Arbeit“ irgendwie „weg-gearbeitet“ haben.

      Ob diese Art des Umgangs mit Problemen, Trauer und Schmerz gut war oder nicht, das entzog sich sowohl als Kind als auch als erwachsene Frau meinem Wissen. Ich hatte nur die kindliche Lernerfahrung gemacht, dass „Arbeit (anscheinend!) befreit“. Erst durch meine Therapie und das Lesen zahlreicher psychologischer Fachbücher erkannte ich, dass diese Einstellung bestenfalls als Ersatzhandlung zu bezeichnen ist. Sozusagen als eine Art Überlebensstrategie, die uns letztlich als ein Ablenkungsmanöver dient. Genau genommen ist es ein Abwehrmechanismus, um sich mit all den traurigen und belastenden Gefühlen bzw. mit der Thematik „Tod“ (in meinem Fall!) an sich nicht auseinandersetzen zu müssen. Wir spalten dann mehr oder weniger bewusst das uns Unangenehme ab, packen es ein und stellen es weg. Doch all der Schmerz und all die betäubenden Gefühle bleiben so lange bestehen und kehren – ausgelöst durch andere vergleichbare Situationen – so lange immer wieder zurück, bis wir es gelernt haben, den Schmerz, die Trauer, all die Gefühle von Verzweiflung, Angst, Wut etc. anzunehmen. Sie wahrzunehmen, sie zuzulassen, sie genau genommen zu „durch-leben“. So lange, bis wir diese Lebenserfahrung bewusst angenommen und integriert haben. Doch es war nicht nur diese Konfrontation mit dem Tod als einem „Weg-Gefährten“ von uns Menschen, der mein Leben so nachhaltig und so sehr auf den Kopf stellte. Der Tod meines Bruders war für mich letztlich so etwas wie das letzte Mosaiksteinchen, dessen es noch bedurfte, um in der Mitte meines Lebens meine bisherige Existenz einer radikalen „Prüfung und Neuausrichtung“ zu unterziehen. Ob ich wollte oder nicht, es hieß: Schau dir dein Leben einmal an. Schau es dir genau an. Achte dabei auf all die Vorzeichen, unter die du dein Leben und deine Beziehungen bisher gestellt hast. Werde dir dessen bewusst, was gut daran ist. Doch werde dir vor allem auch all der Anteile bewusst, die der Veränderung bedürfen, wenn du wirklich gesund und wahrhaftig glücklich werden willst. Vielleicht sollten Sie Folgendes über mich wissen, um mich und meine Geschichte letztendlich besser zu verstehen:

      Durch die Art und Weise wie ich lebte und arbeitete, sowie durch ein mir bis dato ziemlich „unbewusstes“ Handeln und eine extreme Harmoniesucht im zwischenmenschlichen Bereich war ich so etwas wie eine Meisterin in der Verdrängung unangenehmer Situationen und Dinge geworden. – Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. – Unsere „Lebensthemen“, die wir uns als Seele selbst erwählt haben, begleiten uns unaufhörlich. Sie zeigen sich uns immer wieder in neuem Gewand so lange, bis wir ihnen unsere ganze Aufmerksamkeit schenken und uns der Tatsache stellen, dass es bedeutend besser wäre zukünftig bewusster zu handeln. Sie sind so etwas wie unser „individueller Lehrplan“ für dieses Leben. Doch da ich mich lange Zeit von den Herausforderungen des Alltags nur allzu gut ablenken ließ, habe ich im Verlauf meines bisherigen Lebens (bis ins Jahr 2016) bildhaft gesprochen so manche „Rote Ampel“ überfahren, die sich mir im Grunde genommen schon früh genug gezeigt hatte. Ich war nur zu blind dafür. – Nachfolgend erzähle ich Ihnen in Auszügen davon, sofern diese Themen mit meinem Zusammenbruch und der Diagnose im Zusammenhang stehen, und sie für ein Gesamtverständnis meiner Situation meiner Meinung nach wichtig sind.

      Doch bevor ich mit dem Thema der „Roten Ampeln“ beginne, lade ich Sie ein, die ersten zwanzig Jahre meines Lebens etwas mit mir zu erkunden. Keine Angst! Ich gehe dabei nicht allzu tief in die Details, sondern zeige im Wesentlichen die Kernbereiche auf, die MICH, meine Person ausmachen. Als Pädagogin war mir bewusst, dass vor allem die ersten zehn Lebensjahre prägend dafür sind, dass wir werden, was wir sind. Und auch die Zeit der Pubertät spricht Bände und hilft zu verstehen, warum wir genau die Person sind, die wir aufgrund unserer Herkunft, Erziehung und Lebensumstände geworden sind. Und so möchte ich Sie zunächst vertraut machen mit mir als Neugeborenem, als Kindergarten-Kind, als Jugendliche im Alter zwischen dem vierzehnten und achtzehnten Lebensjahr. Diese Zeit hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin, und erklärt Ihnen mitunter auch, warum ich so viele Jahre lang eine wahre „Meisterin“ darin war, „Rote Ampeln“ nahezu magisch in mein Leben zu ziehen und sie dann auch noch mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu überfahren. Doch lesen Sie selbst. – Das, was Sie dabei vielleicht ein wenig irritieren wird, ist, dass ich mit Ihnen hierbei auf eine Reise gehe, die immer und immer wieder die Stimme meiner Seele zu Ihnen sprechen lässt. Vor allem wenn es darum geht, überhaupt erst einmal Mensch zu werden. Vielleicht ist das sehr ungewöhnlich für Sie. Für mich auch ein Experiment, das ich so zum ersten Mal wage, doch es ist auch interessant, die Dinge mal aus einer anderen Warte zu sehen. Und weckt vielleicht auch bei Ihnen bestimmte Erinnerungen.

      (Einmal aus einer ganz anderen Perspektive heraus betrachtet! J)

      Sie sind es. – „JA!“ – Diese Frau und dieser Mann. Sie beide. Ich erkenne sie wieder. Sie habe ich mir ausgesucht. Sind sie nicht genial? Genau die Eltern, um als Seele hier auf der Erde zu inkarnieren und in einem menschlichen Körper geboren zu werden. Sie sind perfekt. Bei ihnen bekomme ich alles, was ich brauche, um ein Menschenkind zu werden. Um mich sicher und geborgen zu fühlen, um heranzuwachsen und um all das zu lernen, was ich als Seele lernen will.

      Und schon geht die Reise los. – Grandios! – Da ist sie auch schon, die perfekte Eizelle meiner Mutter. Wunderschön. Sie wird ganz und gar ihrer Aufgabe gerecht. Sie bietet mir alles, was ich brauche, um heranzureifen. Ist kräftig und gesund. Eingebettet in ein wunderschönes Klima. Beste Startbedingungen. Schwimmt in einem Milieu, das mich auf das Beste ernährt. Besser hätte ich es mir gar nicht aussuchen können. Dieser Ort gefällt mir. Hier geht’s mir gut. Hier fühle ich mich wohl. – Und tausende von Samenzellen um sie herum. Bin gespannt, welche von ihnen den Treffer landet. – Und schon hat’s „PENG“ gemacht. Der