Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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und beobachteten das Geschehen mit wohlgefälligem Grinsen.

      Die bewaffneten Decksleute traten vom Schanzkleid zurück und bauten sich beiderseits der verzurrten Jolle auf.

      Hasard hob die Arme, um allen zu zeigen, daß er waffenlos sei.

      „Durchsucht ihn!“ bellte de Coria dennoch.

      Die beiden Decksleute, die den Seewolf zum Großmast gezerrt hatten, befolgten den Befehl. Sorgfältig tasteten sie ihn ab. Hasard hielt den Atem an. Doch dann, als sie beiseite traten, wußte er, daß er Glück gehabt hatte. Die ältesten und einfachsten Tricks waren noch immer die besten.

      De Corias Gesicht war zu einer höhnisch grinsenden Fratze geworden.

      „Legt ihm Fesseln an, dem verfluchten Piratenhund!“ schrie er. „Ab mit ihm in die Vorpiek!“

      Sechs Männer wurden von Kapitän de Frias als Begleitkommando aufgeboten. Zwei, die den Gefangenen auf dem Weg in die unteren Decksräume gepackt hielten. Vier, die mit schußbereiten Pistolen folgten.

      Unsanft stießen sie ihn in die düstere Enge der Vorpiek. Eine Laterne wurde hereingehalten, sie fesselten ihn an Hand- und Fußgelenken. Dann zogen sie sich eilig zurück. Krachend fiel das Schott zu. Schritte entfernten sich mit hohlem Klang.

      Hasard blieb allein mit seinen Gedanken. Er war überzeugt davon, daß de Coria ihn zunächst einmal schmoren lassen würde. Keiner würde sich um ihn kümmern, vielleicht würden sie ihn sogar hungern lassen. Doch mit der Zermürbungstaktik konnten sie nicht viel bei ihm erreichen. Er hatte schlimmere Qualen überstanden. Gemeinsam mit seiner Crew war er mehr als einmal mitten in die Hölle gesegelt. Und selbst dem Gehörnten war es nicht gelungen, auch nur einen von ihnen kleinzukriegen.

      Einem Rodriguez de Coria sollte dies erst recht nicht gelingen.

      Da sie ihm die Hände auf den Rücken gebunden hatten, war Hasard gezwungen, sich zur Seite zu lehnen, um es einigermaßen erträglich zu haben. Die Planken in der Vorpiek waren glitschig und strömten einen modrigen Geruch aus. Die „Santissima Madre“ mußte ein altes Schiff sein, vielleicht sogar noch aus der Zeit vor dem Untergang der Armada.

      Trotz der völligen Dunkelheit, die ihn umgab, gelang es dem Seewolf, sein Zeitgefühl zu bewahren.

      Etwa eine halbe Stunde war vergangen, als die Galeone ablegte. Die vorangegangenen Geräusche waren für einen Mann wie Philip Hasard Killigrew unverkennbar. Hastiges Trappeln von Schritten, barsche Kommandos, die gedämpft zu hören waren, und das Ächzen der Verbände, das sich bis tief in den Rumpf des Schiffes fortpflanzte. Dann das Rauschen der Fluten, die von dem halbrunden Bug geteilt wurden.

      Kurz darauf zeigte sich, daß sich Hasard geirrt hatte. Sie ließen ihn nicht allein. Noch nicht.

      Schritte näherten sich dem Schott der Vorpiek. Der Riegelbalken bewegte sich knirschend, dann fiel blakendes Laternenlicht herein.

      Rodriguez de Corias höhnische Fratze schob sich in den Lichtkreis. Dichtauf folgte Kapitän de Frias. Er hielt die Laterne in der Linken und in der Rechten eine Pistole mit gespanntem Hahn.

      Hasard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Trotz seiner Fesseln hielt ihn der ehrenwerte Gesandte offenbar noch für so gefährlich, daß er sich nicht schutzlos in seine Nähe begeben mochte.

      De Coria blickte verächtlich auf ihn hinunter.

      „Dir wird das Feixen noch vergehen, Freundchen, darauf kannst du Gift nehmen.“

      „Freut mich, daß Sie endlich Ihr wahres Gesicht zeigen, hochverehrtes Onkelchen“, sagte Hasard ungerührt.

      De Corias Überheblichkeit schwand, wich blanker Wut.

      „Dir werde ich noch das Maul stopfen“, schrie er, „verdammter Bastard! Was nimmst du dir heraus?“ Er hob die rechte Hand und ballte die dürren Spinnenfinger zur Faust.

      „Nur zu“, forderte der Seewolf gelassen, „es paßt zu einem de Coria, sich an Wehrlosen das Mütchen zu kühlen. Genauso, wie es zu einem de Coria paßt, Urkunden zu fälschen, anständige Menschen zu betrügen und sich vor einem ehrlichen Duell zu drücken, nachdem man den Hals zu weit aufgerissen hat.“

      De Coria schien platzen zu wollen. Er war im Begriff, sich auf den Gefesselten zu stürzen.

      „Nehmen Sie sich zusammen, Don Rodriguez“, mahnte de Frias, „merken Sie nicht, daß er Sie nur herausfordern will?“

      „Wahrscheinlich haben Sie recht.“ De Coria ließ die Faust sinken. Einen Moment betrachtete er seinen Gefangenen sinnierend. Dann glitt ein erneutes höhnisches Grinsen über seine verlebten Züge. „Nein, ich werde mich nicht an so einem vergreifen. Dazu ist er mir viel zu einfältig. Aber ich weiß jetzt wenigstens, woher er das hat. Von seinen lieben Verwandten! Solche dämlichen Einfaltspinsel wie diese Deutschen habe ich noch nicht erlebt. Der alte von Manteuffel hätte mir die Sache mit der Schuldurkunde glatt abgekauft. Alles hätte hervorragend geklappt, wenn nicht dieser verfluchte Bastard dazwischengekommen wäre.“ Er versetzte dem Seewolf einen Tritt gegen die gefesselten Beine.

      Hasard verzog keine Miene und verzichtete auf eine passende Bemerkung. Und eben dieses Schweigen stachelte Rodriguez de Coria nur noch mehr an.

      „Dich werden wir in Madrid in einem Käfig ausstellen!“ schrie er schrill. „Ganz Spanien soll den Seewolf ohne Zähne begaffen können. Dann kann jeder sehen, was für ein blöder Bastard dieser angeblich so gefährliche Seewolf ist.“

      Hasard gähnte gelangweilt.

      De Coria stieß einen Wutschrei aus.

      „Dir werde ich noch Respekt beibringen!“ schrie er schrill. „Du wirst vor mir auf den Knien kriechen und um Gnade jammern, das schwöre ich dir. Vor uns liegt eine lange Reise. Die Männer an Deck werden viel Zeit haben und viel Vergnügen daran finden, sich mit einem britischen Bastard befassen zu dürfen. Oder sollte ich sagen, mit einem deutschen Bastard? He, was ist dir lieber, du Mistkerl? Du darfst es dir aussuchen.“

      Hasard bequemte sich zu einer Antwort.

      „Vielen Dank. Von einem spanischen Stinkstiefel nehme ich nichts an. Nicht mal geschenkt.“

      De Coria explodierte, und er reagierte so, wie es seinem niederträchtigen Wesen entsprach. Außer sich vor Wut, spie er den Gefangenen an, traktierte ihn mit Fußtritten und stieß obszöne Verwünschungen aus. Selbst Hasard, der über perfekte spanische Sprachkenntnisse verfügte, hatte solche Worte noch nicht gehört.

      „Lassen Sie es gut sein, Don Rodriguez“, sagte Kapitän de Frias, „dieser Kerl legt es nur darauf an, Sie noch mehr zu provozieren.“

      „Oh, dieser elende Bastard!“ schrie de Coria zornbebend. „Er wird noch vor mir winseln. Und er wird zerfließen vor Dankbarkeit, wenn ich ihm gestatte, meine Schuhsohlen abzulecken.“

      Zitternd vor Wut zog der angebliche Gesandte Seiner Allerkatholischsten Majestät ab.

      Nachdem das Schott zugefallen war, hörte Hasard die Stimme des Kapitäns und eines anderen Mannes. Ein Posten zog auf. Das war zu erwarten gewesen.

       9.

      Die Bewacher des Seewolfs verfuhren nach einer offenbar genau vorgeschriebenen Prozedur. Jeweils vier Stunden stand ein Mann vor dem Schott der Vorpiek auf Posten. Dann, wenn die Ablösung erfolgte, fand die ordnungsgemäße „Übergabe“ des Gefangenen statt. Das geschah derart, daß der abzulösende Wächter und sein Nachfolger das Schott öffneten, eintraten und sich im Laternenschein gemeinsam davon überzeugten, daß noch alle Fesseln richtig saßen.

      Der Tag verrann in diesen eintönigen Gleichmaß des Vierstundenrhythmus. Rodriguez de Coria ließ sich nicht wieder blicken. Hasard erhielt keinen einzigen Schluck zu trinken und keinen Bissen zu essen. Allem Anschein nach hatte sein sauberes „Onkelchen“ beschlossen, ihn auf diese Weise weichzuklopfen.

      Nun, da konnte der ehrenwerte Gesandte lange warten.