Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
Скачать книгу
Hasard aufwärts gehen?

      Die Mannen warteten ungeduldig auf eine Beantwortung dieser Frage, aber, der Kutscher weilte bereits seit mehr als zwei Stunden in der Krankenkammer. Hatte das Gutes oder Schlechtes zu bedeuten?

      „Sie werden unseren Kapitän doch hoffentlich nicht mit der stinkenden schwarzen Salbe einschmieren, die der Kutscher zusammengebraut hat.“ Edwin Carberry zog ein mitleidiges Gesicht. Er selbst hatte vor dem Inhalt der zahlreichen Töpfe und Flaschen des Kutschers einen höllischen Respekt.

      „Warum eigentlich nicht?“ fragte Al Conroy. „Hauptsache, das Zeug hilft. Wenn ich in so einer beschissenen Lage wäre, würde ich mich notfalls mit Kamelmist einreiben lassen – vorausgesetzt, es wäre gut für die Heilung.“

      Ed warf ihm einen skeptischen Blick zu und schob sein amboßartiges Rammkinn vor. Allein schon der Gedanke, dem Kutscher sowie seinen Arzneien und Instrumenten über Tage hinweg ausgeliefert zu sein, war ihm unerträglich. Dabei war der blonde und schmalbrüstige Mann, dessen richtigen Namen niemand kannte, ein äußerst tüchtiger Feldscher. Auch der Arzt der „Orion“ schien einiges auf dem Kasten zu haben.

      Trotzdem rieselte dem Profos ein kalter Schauer über den Rücken, wenn er an all die geheimnisvollen Utensilien dachte, die die Schiffsärzte in ihren Kisten und Truhen aufbewahrten. Er litt deshalb ganz besonders mit dem verletzten Seewolf und stellte sich zuweilen die ausgefallensten Dinge vor, die die „Salbenmischer“ seiner Meinung nach mit ihm trieben.

      Als der Kutscher nach dem nächsten Glasen der Schiffsglocke endlich auftauchte, blickten ihm die Mannen mit banger Erwartung entgegen. Vor allem Ed zog ein Gesicht, das an einen kranken Hund erinnerte.

      Um die Lippen des Kutschers huschte ein Lächeln.

      „Hasards Zustand hat sich leicht gebessert“, berichtete er. „Er hat zwar immer noch Fieber, aber die Wunde eitert nicht mehr. Ich denke, wir können zuversichtlich sein.“

      Die Männer atmeten auf und fühlten sich plötzlich um tonnenschwere Lasten erleichtert. Sie hatten ja nicht erwartet, daß Hasard noch heute die Krankenkammer verlassen und zum Achterdeck auf entern würde, aber auf eine Besserung hatten sie schon sehnsüchtig gehofft.

      Insofern hatte ihnen der Feldscher eine gute Nachricht übermittelt. Es ging dem Seewolf besser, und das stimmte die Arwenacks zuversichtlich und hob ihre Stimmung doch um einiges.

      Auch Siri-Tong und ihre Crew atmeten fast hörbar auf, als Ben Brighton, Hasards Stellvertreter, ihnen die Nachricht des Kutschers übermittelte.

      Drei Tage später, am 30. August 1594, waren die Arwenacks völlig aus dem Häuschen. Die beiden „Salbenmischer“, wie Edwin Carberry die Feldschere nannte, hatten sich nicht geirrt. Die Hoffnungen, welche die Männer in den letzten Tagen gehegt hatten, waren berechtigt gewesen. Es ging von Tag zu Tag aufwärts mit dem Seewolf. Das Fieber sank, die Wunde eiterte nicht mehr und begann zu heilen.

      Die Mannen hatten gerade das morgendliche Backen und Banken hinter sich gebracht, und sich an den kräftigen Speckpfannkuchen gelabt, die Mac Pellew und die Zwillinge zubereitet hatten, als der Kutscher die Nachricht überbrachte, auf die sie alle schon lange gewartet hatten. Die Andeutungen, die er bereits am Vortag verkündet hatte, schienen sich zu bestätigen: Die Arwenacks durften heute ihren Kapitän endlich am Krankenbett besuchen.

      Edwin Carberry grinste von einem Ohr zum anderen, wodurch sein zernarbtes Gesicht noch fürchterlicher aussah. Er hieb dem Kutscher begeistert die rechte Pranke auf die Schulter.

      „Eins kann ich dir sagen, du Salbenschmierer!“ röhrte er. „So gern wie diesmal bin ich noch nie in die Krankenkammer gegangen, das kannst du mir glauben. Selbst wenn du sämtliche Planken dort mit deiner stinkenden schwarzen Salbe eingeschmiert hättest, könnte mich niemand zurückhalten. Noch etwas, Kutscher: Daß du unseren Kapitän wieder aufgemöbelt hast, das wird dir hier an Bord keiner vergessen, jawohl.“

      Der Kutscher war sich darüber im klaren, daß diese Worte aus dem Mund des äußerlich so ruppigen, innerlich aber herzensguten Edwin Carberry ein großes Lob darstellten. Dennoch hob er abwehrend die Hände.

      „Nur langsam, Mister Carberry. Das ist nicht allein mein Verdienst, sondern alle an Bord unserer Lady haben daran mitgearbeitet. Auch der Feldscher der ‚Orion‘ hat gute Arbeit geleistet und Mac, unser alter Griesgram, hat viele Stunden lang mitgeholfen. Außerdem hat er in der Kombüse doppelt soviel schuften müssen als sonst. Und nicht zuletzt habt ihr alle durch euer rücksichtsvolles Verhalten einen guten Teil dazu beigetragen.“

      „Dem Großlord sei Dank, daß es jetzt mit dieser Rücksichtnahme vorbei ist“, sagte Ed. „So langsam spürt man nämlich Wespen unter dem Hintern, wenn man immer nur herumhockt und auf die nächsten Nachrichten wartet oder aber wie eine blonde Tanzmaid auf den Zehenspitzen schweben muß, wenn man mal von vorn nach achtern gehen muß.“

      Die Männer grinsten.

      „Du wärst mir schon die richtige Tanzmaid“, sagte der bullige Smoky. „Und auf Zehenspitzen möchte ich dich auch mal schweben sehen, Mister Carberry. Da würde ich schon eher auf einen Tanzbären tippen.“

      Die Arwenacks lachten, ihre frühere gute Laune kehrte zurück. Die Aussicht, daß Hasard irgendwann wieder gesund in ihrer Mitte weilen würde, hob ihre Stimmung ganz gewaltig.

      Der Kutscher vollführte eine beschwichtigende Geste.

      „Nun mal langsam, Leute“, sagte er lächelnd. „Mit der Rücksichtnahme ist es beileibe noch nicht vorbei. Hasard braucht noch immer sehr viel Ruhe, und bis ihr ihm wieder mal so richtig auf die Schulter hauen könnt, kann es schon noch ein bißchen dauern. Ich erwähne das nur, damit keiner von euch auf die Idee verfällt, es zu tun, wenn ihr ihn nachher besucht.“

      Edwin Carberry starrte prompt auf seine Pranken, die mittleren Schmiedehämmern glichen, und grinste dann verlegen, denn wenn er ehrlich gegen sich selber war, hatte er genau das vorgehabt. Verdammt, es würde ihm unheimlich guttun, dem Seewolf mal wieder in alter Freundschaft so richtig auf die Schulter klopfen zu können.

      Aber er war natürlich auch so zufrieden, Hauptsache es ging aufwärts mit Hasard, damit auf der „Isabella“ bald wieder der „Normalzustand“ hergestellt werden konnte. Es war schon ein Kreuz, über Tage hinweg auf sämtliche deftigen Flüche zu verzichten. So was mußte die Gesundheit ruinieren, daran gab es gar keinen Zweifel.

      Sir John, der zunächst müde von der Vormarsrah geäugt hatte, glaubte wohl, auf der Kuhl gäbe es was Besonderes, weil sich dort alle Mannen um den Kutscher geschart hatten. Er flatterte deshalb von seinem Stammplatz herunter und ließ sich auf der linken Schulter Edwin Carberrys nieder.

      „Scheißwetter heute!“ krächzte er, und Carberry zuckte zusammen.

      Als die anderen zu grinsen begannen, verscheuchte er den Vogel.

      „Verschwinde, du Schnarcheule, und halte deinen vorlauten Schnabel!“

      Doch Sir John stellte wieder einmal unter Beweis, daß er bei Carberry einiges gelernt hatte und lud diesen, noch während er zum Vormars hochflatterte, lauthals zum „Backbrassen“ ein.

      Kurze Zeit später war es soweit, die Crew der „Isabella IX.“ durfte Philip Hasard Killigrew in der Krankenkammer besuchen. Natürlich hatte man auch Siri-Tong und die Mannen von der „Caribian Queen“ rechtzeitig benachrichtigt.

      Sittsam wie Kavaliere, denen das erste Rendezvous mit einer hübschen Maid bevorstand, pilgerten die rauhen Männer zur Back, wo sich die Krankenkammer neben der Kombüse befand.

      Dann sahen sie ihn, den Seewolf. Von Kissen gestützt saß er in der Koje, um die „Rübenschwein-Parade“, wie Ed das Ereignis kurzerhand bezeichnet hatte, abzunehmen – eine Parade von Männern, die vor Verlegenheit und Freude nicht wußten, ob sie grinsen oder heulen sollten.

      Da war keiner, der nicht rote Augen hatte. Selbst jetzt bewegten sie sich vorsichtig, und jene, die sich sonst am härtesten gebärdeten, waren buchstäblich weich wie Butter, schneuzten sich, rieben sich über die Augen und hätten ihren Kapitän am liebsten umarmt oder